Gemeinsam-Preis 2023 geht an José Salguero aus Schöningen
Preisverleihung
Gemeinsam-Preis 2023 geht an José Salguero aus Schöningen
| Lesedauer: 9 Minuten
Dirk Breyvogel, Andreas Eberhard und Ida Wittenberg
20 Jahre Gemeinsam-Preis
20 Jahre Gemeinsam-Preis
20 Jahre Gemeinsam-Preis - Wir erklären, wie der Preis entstanden ist und wieso er so wichtig ist. Video: Lennart Böcker
Beschreibung anzeigen
Braunschweig.Eintracht-Präsidentin Nicole Kumpis hielt die Festrede im Braunschweiger Dom. Darin mahnte sie die Politik, Ehrenamtliche besser zu unterstützen.
Nachdenklich und für viele wohl überraschend politisch war die Rede von Nicole Kumpis am Donnerstagabend im Braunschweiger Dom. Zur 20. Verleihung des Gemeinsam-Preises unserer Zeitung und der Domgemeinde brach die Präsidentin von Eintracht Braunschweig nicht nur leidenschaftlich eine Lanze für ehrenamtliches Engagement. Vor rund 400 Zuhörern redete die Festrednerin einer Politik ins Gewissen, der zufolge freiwillige Helfer ausgleichen müssen, was der Sozialstaat nicht mehr zu leisten vermag.
„Freiwilliges Engagement ist nur zu einem gewissen Grad belastbar“, sagte Kumpis. „Die wichtige Ressource Ehrenamt wird missbraucht, wenn sie auf Dauer und in institutionalisierter Form die Lücken und Löcher der staatlichen Daseinsvorsorge stopfen soll und muss.“ Mängelverwaltung und leere Kassen dürften nicht dazu führen, dass das ohnehin vorhandene Missverhältnis von Haupt- und Ehrenamt weiter fortschreite, forderte die Eintracht-Präsidentin, die sich seit drei Jahrzehnten vielfältig freiwillig engagiert – mit großem persönlichem Gewinn, wie sie betonte. Doch nur wenn die öffentlichen Rahmenbedingungen stimmten, so Kumpis, könne es gelingen, die „großen Nachwuchsprobleme in allen Bereichen des Ehrenamts“ in den Griff zu bekommen. Angesichts der durch Pandemie, Krieg, Inflation und Zukunftssorgen allseits angeschlagenen Resilienz gelte es, „diesen wertvollen Schatz“ sorgfältig zu hüten, mahnte die Vereins-Chefin mit Blick auf die wegen ihres Einsatzes für den Gemeinsam-Preis Nominierten.
Gemeinsam-Preis 2023
Gemeinsam-Preis 2023
Ein Preis mit 20 Jahren Geschichte
Zuvor hatten Oberlandeskirchenrat Thomas Hofer im Namen der verhinderten Dompredigerin Cornelia Götz sowie Tatjana Biallas, Geschäftsführerin von Funke Medien Niedersachsen, die Gäste, Preisträger und Zuhörer im Dom begrüßt. Biallas rief die 20-jährige Geschichte der Ehrung in Erinnerung. Zwei Jahrzehnte Gemeinsam-Preis – das müsse gebührend gefeiert werden. Man habe „gemeinsam die Welt um uns herum“ besser gemacht. „Hinter jedem Projekt, hinter jeder Initiative und jedem ehrenamtlichen Engagement steckt eine Geschichte, die es zu erzählen gilt. Eine Geschichte des Miteinanders, des Zusammenhalts und der Veränderung“, sagte sie.
Die Verleihung des 20. Gemeinsam-Preis im Dom – Die Bilder
Kirchenmann Hofer verwies auf die Herausforderungen, die das neue Jahrhundert nicht erst seit Pandemie und Krieg mit sich gebracht hätte. „Wenn wir das schaffen wollen, geht es nur in Kooperation miteinander und mit Gemeinsamkeit“, sagte er. Insgesamt wurden in diesem Jahr für die Gemeinsam-Preise 11.000 Euro ausgelobt, gestiftet von dem Braunschweiger Dom, der Braunschweiger Versorgungs-AG & Co. KG BS Energy sowie unserer Zeitung.
Erster Preis für Schöninger Fußballorganisator mit Herz
„Kicken, um zu vergessen“, so heißt das Projekt, das unsere Leserinnen und Leser José Salguero auf den ersten Platz des Gemeinsam-Preises wählten – mit deutlicher Mehrheit, wie Chefredakteurin Kerstin Loehr in ihrer Laudatio hervorhob.
In der Schöninger Jugendherberge initiiert und organisiert der 50-jährige Fußballtrainer seit Anfang 2022 Fußballspiele für geflüchtete Kinder aus der Ukraine. „Wer miterlebt hat, wie die Kinder in Schöningen sorglos toben, wie die Mamas erleichtert und mit Tränen in den Augen dabei zusehen, der kommt nicht umhin, zu erkennen, dass hier inmitten einer Katastrophe etwas Schönes entstanden ist“, schwärmte Loehr über das Projekt, das mittlerweile von mehreren Vereinen, von Schulen und Kitas unterstützt wird.
Salguero, der nicht im Dom anwesend sein konnte und für den ein Stellvertreter den Preis entgegennahm, dankte den Leserinnen und Lesern in einer Videobotschaft für die Unterstützung. Neben dem Preisgeld von 3500 Euro erhielt er eine Skulptur der Galerie Kaphammel aus Braunschweig. Diese stiftete im Jubiläumsjahr alle Sieger-Skulpturen – für die Erst-, Zweit- und Drittplatzierten.
Für mehr Nachhaltigkeit: Schüler aus Gifhorn auf Platz Zwei
Der mit 2500 Euro dotierte zweite Platz ging an die Initiative „Fair Trade School“ des Otto-Hahn-Gymnasiums in Gifhorn. Mit ihren Ideen für mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit – vom Fairtrade Kaffee im Lehrerzimmer über nachhaltig produzierte Schul-T-Shirts bis hin zu einer Zusammenstellung aller Gifhorner Geschäfte mit nachhaltigen Produkten – setzen sich die Schülerinnen und Schüler für die Umwelt und für gesellschaftlichen Zusammenhalt ein.
20. Gemeinsam-Preis – Die Bilder des Gästeempfangs
Ann-Kristin Hartz, Geschäftsführerin des Vereins Sichtbar in Braunschweig, der sich gegen sexualisierte Gewalt von Mädchen und Jungen einsetzt, hob in ihrer Rede auf die Preisträger insbesondere deren langen Atem hervor. Sie rief sie auf, ihr Engagement fortzusetzen, auch wenn andere vielleicht an dessen Sinnhaftigkeit zweifelten. „Lasst Euch nicht ausbremsen von denen, die sagen: Das ist doch bloß ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Hartz.
Dritter Preis für den Tier- und Ökogarten in Peine
Den mit 1500 Euro dotierten dritten Preis bekam in diesem Jahr das Projekt „Tier- und Ökogarten Peine“ für seinen Einsatz für den Umweltschutz. Das 30-köpfige Team engagiert sich für die Achtung und Wertschätzung gegenüber allen Lebewesen, Pflanzen, Tieren und den Ressourcen unserer Erde und sorgt für „klasse Klassenausflüge“, wie der Laudator Thomas Hofer, aus dem Bericht eines teilnehmenden Schülers zitierte. Mit seinem Konzept und seinen Möglichkeiten sei dieser außerschulische Lernort bundesweit einzigartig, so Hofer.
Jugendpreis für Deutsch-Projekt von Schülern aus Salzgitter
Unabhängig vom Leservotum vergibt der Braunschweiger Dom in jedem Jahr einen Sonderpreis für Jugendliche. Über dessen Vergabe durfte nun erstmals auch eine Jugendjury des Braunschweiger Doms mitentscheiden. Er ist mit 1000 Euro dotiert und ging in diesem Jahr an das Projekt „Deutschunterricht statt Mittagspause“.
Schülerinnen und Schüler aus Salzgitter-Bad engagieren sich hier, indem sie in ihrer Mittagspause Deutschunterricht für ihre Mitschüler anbieten. Die Vorjahressieger Justus Heine und Luca Symietz lobten in ihrer Preisrede, dass die neuen Preisträger „ihr Pausenbrot zur Seite gelegt“ hätten, um die Initiative zu ergreifen. So hätten sie nicht nur für kulturellen Austausch gesorgt, sondern sogar neue Freundschaften begründet.
Sonderpreis für Sprach-Projekt von Freiwilligen in Braunschweig
Auch mit einem Sonderpreis in Höhe von 1500 Euro zeichnete die Jury eine Sprach-Initiative aus. Der Name: „Sprache durch Ehrenamt vermitteln – Sprechen Sie Deutsch? Sprechen Sie Deutsch!“ In dem Projekt der Braunschweiger Freiwilligenagentur engagieren sich 200 Geflüchtete und Migranten. Zum einen lernen sie hier selbst Deutsch, zum anderen vermitteln sie ihre verschiedenen Sprachen untereinander und an andere – alles ehrenamtlich. Dadurch, erläuterte Laudatorin Katrin Schiebold, entstehe eine Art internationaler Schmelztiegel des Verständnisses. Sprache sei nie eine Konstante, sondern entwickele sich stets weiter, hob das Mitglied der Chefredaktion dieser Zeitung hervor.
Sprache sei aber auch der Schlüssel dafür, menschliches Miteinander zu gestalten. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an die zahlreichen ukrainischen Geflüchteten, die mit Hilfe des Vereins und über das Projekt neuen Halt und Orientierung in ihrer neuen Heimat gefunden hätten. Dieses empathische Handeln verdiene es, ausgezeichnet zu werden, zitierte sie die Begründung der Jury.
„Zuversichts“-Preis für lebenserfahrene Streitschlichter
Ebenfalls zum zweiten Mal durch Entscheidung der Jury wurde der „Zuversichts“-Preisträger gekürt. Die Ehrung, mit der diese Zeitung gemeinsam mit BS Energy Menschen fördert und unterstützt, die sich für ein demokratisches Miteinander einsetzen, steht in diesem Jahr unter dem Motto „Zusammenhalt“. Die mit 1000 Euro dotierte Auszeichnung ging an das Projekt des Vereins SIS „Senioren fördern demokratisches Miteinander an Schulen“. In diesem helfen die Engagierten an Grundschulen, Streitigkeiten zwischen Schülern zu schlichten. BS Energy-Vorstand Volker Lang lobte in seiner Rede, das Projekt leiste einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention und für ein friedliches Miteinander. Es entlaste Lehrer und Eltern gleichermaßen, weil über die ehrenamtlichen Helfer Kinder lernten, Konflikte selbst zu lösen. Augenzwinkernd fügte er hinzu, ein solches Mediatorenteam würde er sich manchmal auch zu Hause oder am Arbeitsplatz wünschen.
Moderator Henning Noske blickte in seinem Schlusswort auf 20 Jahre Gemeinsam-Preis zurück. Viele hätten Anteil am Erfolg dieses Formats gehabt, sagte er und zitierte noch einmal die Festrednerin, der er zuvor für Eintrachts Spiel in Rostock alles Gute gewünscht hatte. „Sie, Frau Kumpis, haben es auf den Punkt gebracht: Es muss von Herzen kommen, was die Herzen berühren soll.“ In diesem Sinne werde man weitermachen.