Braunschweig. Dinara Achmetov ist vom Braunschweiger Wochenmarkt bekannt: Sie verkauft ihre eigenen Macarons. So entstand die Idee.

Alles begann Ostern vor drei Jahren. Damals entschied sich Diana Achmetov dazu, ihrer Familie Macarons zu backen. Jene bunten Mandelplätzchen aus Frankreich, die mit viel Zucker und in verschiedenen Farben hergestellt werden. Das Gebäck misslang ihr im ersten Anlauf, aber ihr Ehrgeiz wurde dadurch so richtig geweckt.

Dinara Achmetov bereitet dein Teig vor. Sie wollte die besten Macarons überhaupt backen. Dafür hat sie ihr eignes Rezept entwickelt.
Dinara Achmetov bereitet dein Teig vor. Sie wollte die besten Macarons überhaupt backen. Dafür hat sie ihr eignes Rezept entwickelt. © Marleen Gaida

2002 reiste ihre Familie nach Deutschland aus

Achmetovs Geschichte ist nicht nur die, wie man französische Konditor-Kunst erlernt. Sondern sie erzählt davon, seinen Träumen zu folgen und so das Glück zu finden. Mittlerweile ist sie mit ihrem eigenen Betrieb „1000 Macarons“ selbstständig. Doch bis hierher war es für die 43-Jährige ein langer Weg.

Ein Blick zurück: 2002 kommt sie mit ihren Eltern und den zwei Schwestern aus Kasachstan nach Braunschweig. „Meine Mutter ist Deutsche und mein Vater ist Kasache. Wir waren die letzten aus unserer Familie, die nach Deutschland gekommen sind.“ Mit ihrem BWL-Diplom in der Tasche freut sich die damals 22-Jährige auf eine Zukunft in der Bundesrepublik. Doch ihr Studium ist hier nichts wert, lautet die bittere Erkenntnis.

Dank der Vermittlung eines Bekannten bekommt sie ein sechs-monatiges Praktikum bei VW. Im Anschluss erhält sie den Tipp, sich bei Siemens zu bewerben. Dort werden Mitarbeiter für ein Projekt mit Osteuropa und den GUS-Ländern gesucht. Fortan entwickelte sie für ihre Abteilung ein Deutsch-Russisches Wörterbuch mit Übersetzungen von Fachbegriffen und schreibt technische Anleitungen. 2006 bekommt sie eine Festanstellung als Vertriebsassistentin für Osteuropa. Ihr Aufstieg scheint geschafft.

Flucht vor toxischer Beziehung

Doch als sie schwanger wird und ein Jahr in Elternzeit geht, bricht parallel dazu die Wirtschaftskrise über die Welt hinein. Siemens fährt die Projekte mit Russland runter und Achmetov verliert ihren Posten.

Die Mitarbeiter werden in eine Transfergesellschaft überführt. Dort werden der Belegschaft Weiterbildungen angeboten. Die junge Mutter nimmt das Angebot gerne an. „Zuhause mit meiner Tochter habe ich gemerkt, dass ich einfach keine Hausfrau bin.“ Sie nimmt die Chance wahr, einen anerkannten Abschluss zu absolvieren. Auf der Abendschule lässt sie sich zur Wirtschaftsfachwirtin ausbilden. Im Anschluss arbeitet sie in einer Computer-Firma, bis sich 2012 Siemens wieder bei ihr meldet: Die Projekte mit Russland gehen weiter. Fortan arbeitet sie in der Cargo-Abteilung und unterstützt die Ingenieure als Team-Assistentin.

Die Spätaussiedlerin Dinara Achmetov hat sich mit dem Betrieb
Die Spätaussiedlerin Dinara Achmetov hat sich mit dem Betrieb "1000 Macarons" eine eigene Existenz aufgebaut. Doch bis dahin war es kein einfacher Weg. © Marleen Gaida

Eigentlich könnte alles so bleiben wie es ist, aber Dinara Achmetov hat eine andere Idee. „Ich dachte jahrelang, dass ich Lehrerin werde, so wie meine Eltern. Die Vorstellung mit Kindern zu arbeiten, hat mich nicht losgelassen.“ Sie kündigt bei Siemens und gründet gemeinsam mit ihrer Schwester eine Akademie. Die beiden Frauen bieten Ballettstunden, Capoeira-Kurse und Kunstunterricht an.

Nach nur sechs Monaten ist Schluss. Die 37-Jährige ist wieder schwanger und kann aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr arbeiten. Sie legt die GmbH auf Eis. Mittlerweile hochschwanger und ebenso hoch verschuldet flieht sie wenig später vor der häuslichen Gewalt daheim zu ihren Eltern. Mit dabei ist ihre neunjährige Tochter.

Ein Jahr dauert es, bis sie wieder die Kraft hat, nach vorne zu blicken. „Ich habe mich gefragt, was ich jetzt machen sollte und habe mich überall beworben, als Verkäuferin und im Lager. Einfach überall.“

1000 Macarons sind ihr Ziel

Bei der Suche nach einer Anstellung hat sie Glück: Eine Solar-Firma aus Braunschweig sucht eine Assistentin für die Geschäftsleitung. Sie bewirbt sich und hat nur eine halbe Stunde später eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Es klappt. „Alles war gut, nur dann kam die Corona-Krise.“ Mit zwei kleinen Kindern findet sich auf einmal isoliert vor dem Computer im Home-Office wieder.

1000 Macarons backt Achmetov pro Woche.
1000 Macarons backt Achmetov pro Woche. © Marleen Gaida

Damit ihr nicht die Decke auf den Kopf fällt, entscheidet sie sich zum Osterfest der Familie Macarons zu backen. „Mit meinem letzten Geld habe ich Mandelmehl, Zucker und Eier gekauft.“ In der heimischen Küche muss sie feststellen, wie schwer es ist, das französische Feingebäck herzustellen. „Nichts hat geklappt – ich habe geweint.“

In ihrem Zorn fasst sie einen Entschluss: „Bis Ende des Jahres backe ich tausend Macarons und die werden alle perfekt.“ Es folgt eine intensive Recherche im Internet. Unzählige Rezepte werden ausprobiert, viele Eier verschwendet. „Irgendwann hatte ich dann mein eigenes Rezept und Verfahren gefunden, dass ich noch heute verwende“, erklärt sie.

Im April 2020 stellt sie einen Antrag bei der Stadt Braunschweig, dass sie Macarons auf dem Braunschweiger Wochenmarkt verkaufen möchte. Nur einen Monat später ruft die Sachverständige an und fragt, ob sie nächste Woche starten könne. „Ich habe um einen Monat Zeit gebeten und mir alles besorgt, was ich für den Stand brauche. Ein Zelt, Preisschilder und eine Kühlvitrine.“

Sie braucht für die Herstellung den Verkauf der Backwaren keine Konditor-Ausbildung, aber eine Betriebsküche. So lautet die Auflage der Stadt. Im Restaurant Heinrichs darf sie an den Ruhetagen backen. Im Juli 2020 ist für sie auf dem Wochenmarkt des Braunschweiger Magni-Viertels Premiere. „Am Anfang habe ich hundert Macarons pro Woche gebacken, nun sind es eintausend.“

Nur ein Jahr später führt sie ein ehrliches Gespräch mit ihrem Chef, der bemerkt, welch großer Anteil das Backen in Achmetovs Leben hat. Und wieder wagt sie den Exit: kündigt die Festanstellung, sucht sich eine eigene Backstube und reaktiviert ihre GmbH.

So fängt Dinara Achmetov 2020 an: Mit einem Zelt und einer kleinen Auswahl ihrer selbst gebackenen Macarons.
So fängt Dinara Achmetov 2020 an: Mit einem Zelt und einer kleinen Auswahl ihrer selbst gebackenen Macarons. © Privat

Der Wochenplan von Dinara Achmetov ist durchgetaktet: Von Montag bis Mittwoch arbeitet sie in ihrer Backstube in Braunschweig-Rautheim und Donnerstag bis Samstag auf den Wochenmärkten. Bis nach Hannover fährt Achmetov mittlerweile donnerstags, um auf der Lister Meile ihre Macarons anzubieten. Freitags ist sie in Braunschweig auf dem Fein- und Genussmarkt anzutreffen und jeden Samstag steht sie in Wolfsburg auf dem Rathausplatz.

Ihr erstes Geschäftsjahr mit „1000 Macarons“ beschreibt sie als das Schönste ihres Lebens: „Ich bin ruhiger geworden, bin nicht mehr so infektanfällig. Ich liebe die Ruhe und Stille beim Backen.“ Die Ruhe in ihrer Backstube und die Kommunikation mit den Kunden auf dem Markt, sei für sie die perfekte Kombination. Dinara Achmetov hat mit ihrer Selbstständigkeit ihre Berufung und die Harmonie in ihrem Leben wiedergefunden.