Braunschweig. Hochschulniveau in Klasse 9: Eine Mannschaft mit Schülerinnen und Schülern der Ricarda-Huch-Schule tritt beim Robotik-Finale an.

Als wir reinkommen, ist die Mannschaft stark beschäftigt. Auf der Leinwand des Informatik-Raums doziert kein Geringerer als Maschinenbau-Professor Markus Lienkamp, Chef des Lehrstuhls Fahrzeugtechnik der Technischen Universität München. Die Luft vibriert vor lauter Fachbegriffen rund um Energieeffizienz, Wirkungsgrade und die speziellen Kennziffern der Brennstoffzellentechnologie für künftige Verkehrssysteme ...

Ein schöner Hörsaal fürs Semester mit einer vertiefenden Vorlesung für angehende Ingenieure, denken wir noch, wissen’s aber besser: Die fesselnde Lehrstunde des gefragten Meisters richtet sich an 14 und 15 Jahre alte Schülerinnen und Schüler in Klasse 9 des Gymnasiums Ricarda-Huch-Schule. Aber nicht irgendwelche: Es ist das famose Team von „rhsRobotiX“, das sich an diesem Wochenende anschickt, Europa-Champion zu werden. In der „First Lego League“ bauen und programmieren sie einen autonom fahrenden Roboter – und lösen mal nebenbei noch unsere Energieprobleme.

Mit einem Weihnachtsgeschenk fing alles an. Dann brauchst du noch eine passende Schule und ein paar gute Freunde

Vorweg: So viel Spaß mit Schule, großen Talenten, Freude am Lernen und an der Wissenschaft sieht man einfach gern. Mit einem Weihnachtsgeschenk, auch das muss man mal sagen, fing alles an. Lego! Also jene Version, mit der du mit den bunten Klötzchen auch das Programmieren lernen kannst. „Wir fanden das echt cool“, sagt Caren (14). Dann brauchst du noch eine passende Schule und ein paar gute Freunde, die Roboter gut finden. Alles da.

Wie muss man sich das nun vorstellen? Ganz einfach. Sie bauen eine Maschine mit Lego. Aber eine spezielle: gespickt mit Sensoren und Aktoren. Das Maschinchen muss auf einem Parcours was machen, was es soll. Und zwar ganz allein. Die Robo-Kids haben es programmiert.

Sie kennen und benutzen eine Programmier-Sprache, die Befehle in Aktionen umsetzt und Entscheidungen trifft. Informatik pur. Auf Hochschulniveau. Und dann ist es eigentlich ganz einfach. Der kompakte Lego-Knubbel, den wir jetzt bestaunen, schwirrt über den Spielplan, surrt emsig seine Jobs herunter, bleibt natürlich in der vorgeschriebenen Zeit und sogar heile – und sammelt auch noch alle Punkte ein. „Das klappt meistens – nur beim Wettbewerb nicht“, sagen sie.

Sieg beim Regionalwettbewerb, 3. Platz im Halbfinale – und was kommt beim Europa-Finale in Dresden raus?

Das ist leichte Untertreibung. Sie haben in diesem Jahr schon den Regionalwettbewerb in Braunschweig gewonnen, den 3. Platz beim nationalen Halbfinale in Aachen geschafft – und gehen nun ins Europa-Finale am Samstag und Sonntag in Dresden. Von 598 Schülerteams aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind dann nur noch 23 übrig geblieben. Das sind die Besten.

Autonom fahrender Roboter „Salty Dragon“ der Schülerinnen und Schüler von „rhsRobotiX“ der Ricarda-Huch-Schule. Das Design aus Lego ist in allen Komponenten und Funktionen selbst konstruiert. Auf dem Dach (weiß) ist das „Gehirn“ zu erkennen, der Stein, die zentrale Steuerungseinheit mit der Software.
Autonom fahrender Roboter „Salty Dragon“ der Schülerinnen und Schüler von „rhsRobotiX“ der Ricarda-Huch-Schule. Das Design aus Lego ist in allen Komponenten und Funktionen selbst konstruiert. Auf dem Dach (weiß) ist das „Gehirn“ zu erkennen, der Stein, die zentrale Steuerungseinheit mit der Software. © Henning Noske

Mitten im Getümmel – Braunschweigs „Salty Dragon“, so heißt der pfiffige Robo-Hop aus Legosteinen, den Caren, Christian, Julian, Lennart, Martin, Mina und Mio ins Rennen schicken. „Salty“ ist das Brainfood beim Programmieren: Salzstangen. Nervennahrung. Und „Dragon“ steht für einen erfolgreichen Drachen, einen, der brennt für sein Thema.

In der „First Lego League“ gibt es sogar eine eigene Kategorie „Grundwerte“: Wer nicht Team spielt, kann nicht gewinnen

Das kann man wohl sagen. Macht das eigentlich Spaß? Sie verstehen diese Frage aus dem Urgrund des Journalismus gar nicht. Was sonst? Mitleidige Blicke. Julian hat ein Einsehen und formuliert zum Mitschreiben: „Wenn ich es allein machen würde, würde es vielleicht nicht so viel Spaß machen. Wir sind auch im Alltag Freunde.“ Didaktisch betrachtet, eine zentrale Aussage. Sie wird in der „First Lego League“ sogar in einer eigenen Kategorie „Grundwerte“ benotet: Wie verhält man sich als Team? Wer nicht Team spielt, kann nicht gewinnen.

Hinzu kommt eine Forschungsaufgabe. Diesmal ist es das Thema „Energie der Zukunft“. Unsere Freunde von „rhsRobotiX“ haben nicht nur einen Professor interviewt, sondern gleich mehrere Experten.

Mit isolierten Lösungen pro oder contra Verbrenner, E-Autos oder E-Fuels, für oder gegen Erdgas, Wasserstoff, Brennstoffzelle etc. geben sie sich hier gar nicht erst ab. Die junge Truppe hat einen innovativen Ansatz entwickelt, für den jeweiligen Träger oder die Technologie in einem letztlich aber integrierten System auch die richtige Strecke oder den richtigen Einsatzort zu ermitteln. Das ist sehr interessant, auch in der Profi-Forschung noch ausbaufähig. Übrigens auch in der Politik

Ricarda-Lehrer Sauerstein: „Wo es gute Angebote gibt, werden sie gut genutzt. Informatik ist bei jungen Leuten durchaus beliebt.“

Zur Präsentation ihrer Ergebnisse haben die Schüler eine Art Revue eingeübt, köstlich! Stand-up-Informatik. So muss Schule sein. Ricarda-Informatiklehrer Benjamin Sauerstein räumt gleich mal mit dem Vorurteil auf, die Informatik hätte es schwer bei den jungen Leuten. Gerade hat der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft neue Zahlen veröffentlich: „Die Anwahlzahlen sehen super aus.“. Wo es gute Angebote gibt, werden sie gut genutzt. „Informatik ist durchaus beliebt“, sagt Sauerstein.

Und dann ist da noch der Trainer, Teamcoach, Typ charismatisches Vorbild: Maximilian von Unwerth, Entwicklungsingenieur, TU-Braunschweig-Absolvent. Luft- und Raumfahrt-Enthusiast, Programmierer für ein Start-up-Unternehmen in Berlin. „Es ist Magie. Du erweckst den Roboter zum Leben“, sagt er.

Magisch ist freilich auch, wie er selbst begeistert, anfeuert, nach vorn bringt. So einer will immer den Sieg. Mit einem frechen Grinsen im Gesicht. Schon auch sportlich. Hier wird aber nicht mit Fuß- oder Handbällen gespielt, hier wird mit Zahlen und Befehlen jongliert – und gleichzeitig der Horizont von Zukunftsforschern abgefragt. Es ist letztlich, das kann man so sagen, der Geist der Garage, in diesem Fall der Bolzplatz der Ingenieurwissenschaft.

Was aus ihnen mal wird, kann man raten. An diesem Wochenende werden sie Erfahrungen sammeln.