Braunschweig. Architekt legt in Abstimmung mit Volksbank BraWo Alternativplanung vor. Ist das realistisch?

Kurz vor der Abstimmung im Braunschweiger Rat über Pläne für ein neues Konzerthaus mit städtischer Musikschule gibt es noch einmal einen Vorstoß für einen Alternativstandort: Architekt Hartmut Rüdiger bringt in Abstimmung mit der Volksbank BraWo das leerstehende ehemalige Galeria-Karstadt-Kaufhaus am Bohlweg in der Innenstadt ins Spiel.

Dies sei machbar und biete Chancen, erklärte Rüdiger für das gleichnamige Architektenbüro. Vorgesehen sind demnach ein Konzertsaal vom 2. Obergeschoss an mit Foyer und Öffnung in Richtung Schlossarkaden, sämtliche erforderlichen Räume für Musiker und städtische Musikschule, ein Hotel sowie Handelsflächen und eine Passage in Richtung Magniviertel.

Leuer: Stadtverwaltung hält an ihren Plänen fest

Die Stadt hat einen Standort für einen Neubau an Viewegs Garten nähe Stadthalle und Hauptbahnhof vorgeschlagen. Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer äußerte sich gestern skeptisch zur Machbarkeit eines solchen Projekts am Bohlweg. Prekär sei u.a. das Thema der Anlieferung. Die Stadtverwaltung halte an ihren Plänen fest.

Solche Termine gibt es auch nicht oft: Zwar ist es kein „Blind Date“ in Sachen Kommunalpolitik, aber auf jeden Fall eine Überraschung. In Abstimmung mit Immobilien-Eigentümer Volksbank BraWo, aber nach eigenen Angaben auf eigene Initiative und Rechnung legt Architekt Hartmut Rüdiger für sein Büro einen binnen weniger Tage unter Hochdruck erstellten Plan vor, die Konzerthalle im ehemaligen Galeria-Karstadt-Haus am Bohlweg unterzubringen.

So ernsthaft wird dies vorgetragen, dass sich am Freitagmorgen im Architektenbüro in der Echternstraße eine bemerkenswerte Runde bei Kaffee und Keksen trifft: Nicht nur BraWo-Direktor Carsten Ueberschär und Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer sind dabei, auch Ratsmitglieder und Vertreter von SPD, CDU, Grünen, Volt und BIBS.

Zeitpunkt des Vorstoßes ist kein Zufall: Am Dienstag stimmt der Rat ab

Allen ist klar: Der Zeitpunkt dieses Vorstoßes ist kein Zufall. Am Dienstag soll im Rat eine Vorentscheidung fallen. Am Montagabend wird beim Leserforum unserer Zeitung eine spannende, vielleicht vorentscheidende Diskussion erwartet. Es herrscht eine Atmosphäre aus Neugier und Nervosität.

Zu wichtig sind nicht nur die Pläne für Konzerthalle und Musikschule – und zu wichtig ist es vor allem, die Kultur nicht immer nur unter dem Gesichtspunkt einer Immobilien-Verlegenheit zu sehen. Zu wichtig aber ist gleichzeitig ein solch monströser Leerstand, der den Blick auf das Magniviertel verstellt – und dringend einer Zukunftslösung bedarf.

Entsprechend ambitioniert sind die neuen Pläne, allerdings noch ohne jeden Horizont einer finanziellen Machbarkeit. Das bestehende Gebäude lasse sich „mit vertretbarem Aufwand für die Nutzung als ,Haus der Musik’ umgestalten und erweitern“, so Rüdiger.

Das Haus am Bohlweg und einige Schlaglichter des vorgelegten Plans. Bild 1: Lageplan von oben, der Konzertsaal kragt in Richtung Schlossarkaden hinaus. Bild 2: Schnitte durch das geplante Gebäude. Bild 3: Erdgeschoss mit Eingängen für Konzerthalle und Musikschule (vorn links), Hotel mit Eingang und Rezeption (vorn, rechts), Einzelhandel und Gastronomie (blaue Fläche) sowie einer Fußgängerpassage zum Magniviertel.
Das Haus am Bohlweg und einige Schlaglichter des vorgelegten Plans. Bild 1: Lageplan von oben, der Konzertsaal kragt in Richtung Schlossarkaden hinaus. Bild 2: Schnitte durch das geplante Gebäude. Bild 3: Erdgeschoss mit Eingängen für Konzerthalle und Musikschule (vorn links), Hotel mit Eingang und Rezeption (vorn, rechts), Einzelhandel und Gastronomie (blaue Fläche) sowie einer Fußgängerpassage zum Magniviertel. © Stefan Lohmann/regios24/Rüdigerarchitekten | Kristin Heine

Es hat schon gewaltige Dimensionen: Vorgesehen ist die Konzerthalle für 1000 Besucher ab dem 2. Obergeschoss, eine Rolltreppe wie in der Elbphilharmonie hinauf, dazu alle erforderlichen Räume der Musikschule mit eigenem Saal im 4. Obergeschoss, weiterhin eine lichte diagonale Fußgängerpassage vom Bohlweg hindurch ins Magniviertel, dann noch ein Hotel mit 100 Zimmern über mehrere Etagen sowie reichlich Platz für Einzelhandel, Gewerbe- und Gastronomieflächen. Und dann wird’s immer noch längst nicht eng. Ach ja, am Ölschlägern kann ein ganz neuer Platz entstehen, schön in der Sonne – prima für ‘nen Biergarten.

Ein vergleichbares Projekt gab es in der Braunschweiger Innenstadt bislang nur ein Mal – bei den Schlossarkaden

Alles schön, doch zu schön, um wirklich wahr zu sein? Oder zu werden? Das wird man ab jetzt wachsam abklopfen. Deutlich wird bereits, dass die Stadt hier in den Umbau eines innerstädtischen Quartiers einsteigen müsste, wie es ihn bislang nur bei den Schlossarkaden gab, diesmal tatsächlich unter Einbeziehung des Bohlweges, der wohl Fahrspuren verlöre.

Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer, der gefasst die Ad-hoc-Präsentation verfolgte, goss bereits erstes Wasser in den Wein. In Bezug auf die Anlieferungssituation und Lärmemissionen gebe es große Fragezeichen. Und er könne auch in diesem Plan nicht erkennen, wie die Barrieresituation der gewaltigen Immobilie gegenüber dem Magniviertel aufgehoben werden könne.

Indes dürfte der Vorstoß die Wirkung nicht verfehlen, lenkt er doch den Blick auf die Innenstadt. Doch handelt es sich auch rund um den Hauptbahnhof mit Viewegs Garten, wo nach den Plänen der Stadt des Haus der Kultur entstehen soll, um ein Zukunftsquartier. Mehr noch: Dort würde die Stadt selber bauen – am Bohlweg träte sie als Mieter an. Auch an dieser Grundsatzentscheidung, so Leuer, in diesem Fall selbst zu bauen, wolle man festhalten.