Braunschweig. Menschen aus Syrien, der Ukraine, dem Libanon, aus Litauen und Frankreich backen Kekse – so versteht man sich, so entstehen Freundschaften.
Die fröhliche Geräuschkulisse dringt durch die Tür weit auf die Helmstedter Straße. Kinder- und Erwachsenenstimmen vermischen sich mit Gitarrenklängen, Lachen und Rufen auf Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Ukrainisch, Arabisch.
Ganz normal in der Kaufbar, denn hier trifft sich regelmäßig die halbe Welt. An diesem Nachmittag allerdings geht es selbst für Kaufbar-Verhältnisse besonders turbulent zu. Denn heute heißt es Kekse backen im Café International.
Inga aus Litauen hilft als Dolmetscherin in der Kaufbar
Kaufbar-Leiterin Heike Blümel hat sich die Schürze umgebunden und wuselt zwischen den Tischen helfend hin und her, verteilt Teigportionen und Ausstechformen, hilft mit mehligen Händen, wenn der Teig noch zu klebrig ist, begutachtet fertige Kekse und probiert immer wieder mal, ob sie auch schmecken.
Inga aus Litauen ist auch da. „Ich lebe schon seit neun Jahren in Braunschweig“, erzählt die junge Frau. Von Anfang an hatte sie Kontakt zur Kaufbar. „Ein Gefühl von zu Hause“, beschreibt sie die besondere Atmosphäre. Inzwischen arbeitet sie in der Flüchtlingshilfe der Malteser, und auch an diesem Nachmittag ist sie vor allem als Dolmetscherin aktiv.
Weihnachten, Silvester, Väterchen Frost, Lichtfest – Es gibt viele Termine
Ein großer Tisch ist rundum besetzt mit Frauen, Kindern und einem Mann. Eine Familie aus der Ukraine. Inga übersetzt: Die Ukrainerinnen erzählen zaghaft von zu Hause, von Männern und Brüdern im Krieg, vom bevorstehenden Weihnachtsfest, das für sie am 6. und 7. Januar ist. Die Blicke werden ernster. Aber dann schauen sie auf die Kinder, die mit großen Augen und mehligen Händen daneben stehen, wischen die traurigen Gedanken beiseite und lächeln tapfer: „Heute backen wir Weihnachtskekse.“
Auch wenn sich trotz der Hilfe der dolmetschenden Inga nicht ganz genau klären lässt, wer jetzt wann was feiert: Weihnachten, Silvester, Väterchen Frost, Lichtfest … viele Begriffe fallen und genauso viele mögliche Termine. Aber das ist gerade auch nicht mehr so wichtig. Hauptsache, hier ist es warm, alle sind zusammen.
Libanesin ist seit einem Jahr hier und will Biotechnologie studieren
Mit am Tisch sitzt auch Raghdar Khoder, eine junge Frau aus dem Libanon. Sie ist seit einem Jahr in Deutschland. Auch für sie ist die Kaufbar ein Zuhause. „Ich bin ganz häufig hier.“ Sie spricht schon sehr gut Deutsch, demnächst will sie in Braunschweig Biotechnologie studieren. Heute hilft sie der sechsjährigen Maria aus der Ukraine beim Kekse-Ausstechen.
Am Nachbartisch freuen sich die syrischen Frauen Dunja, Fatima und Nesrin mit ihren Kindern Shergo und Nujina über die ersten fertigen Kekse, die Kaufbar-Restaurantleiter Björn Grosser gerade frisch aus dem Ofen bringt. Gern lassen sie sich auch fotografieren, allerdings beäugen sie das Ergebnis kritisch, immer wieder wird ein Tuch zurecht gezupft, eine Schürze gerade gezogen, ein neues Foto gemacht. Aber schließlich nicken alle zufrieden.
Französischlehrerin korrigiert in der Ecke Arbeiten
Auf der Bühne der Kaufbar hat sich inzwischen eine weitere Kinderschar um Klaus Brünnenkamp gekuschelt. Die dreijährige Helene ist direkt mit auf den Sessel gekrochen, auf dem der Hobbymusiker seine Gitarre stimmt. Und dann wird gesungen: „In der Weihnachtsbäckerei“ und viele Lieder mehr. „Klaus ist einer meiner ganz langjährigen ehrenamtlichen Helfer“, sagt Heike Blümel und legt den Arm um den Musiker, „du warst schon bei uns, als wir noch in der Bolchentwete waren, weißt du noch?“, fragt sie.
Adelina Serra sitzt bei dem ganzen Trubel in einer Ecke und korrigiert Arbeiten. Die Französin lebt seit 2016 in Braunschweig, arbeitet als Französischlehrerin am CJD. „Auf meinem Weg von der Wohnung zur Schule komme ich an der Kaufbar vorbei“, erzählt sie, „ich bin gleich am Anfang einmal hereingegangen, seitdem bin ich regelmäßig hier. Einfach, weil es sich hier gut anfühlt.“ Gina Jegodtka stellt ihr einen neuen Cappuccino hin. Die 25-jährige Studentin jobbt in der Kaufbar. „Es ist schön hier“, beschreibt sie die Atmosphäre, „immer abwechslungsreich, immer ein bisschen wie Familie.“
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