Braunschweig. Vor der Landtagswahl hatten die Schüler Politiker zur Diskussion eingeladen. Weil die AfD kam, boykottierten die Grünen. Wie kam das an?

Schon vor den Sommerferien waren die Einladungen verschickt worden: Die Schülervertretung der Otto-Bennemann-Berufsschule hatte mit Blick auf die Landtagswahl Vertreter von sechs Parteien zum Austausch eingeladen – auch von der AfD. Das sorgte für Ärger.

„Nach dem Niedersächsischen Schulgesetz sind wir zur Neutralität verpflichtet. Wir haben deshalb alle Parteien eingeladen, die realistische Chancen haben, in den neuen Landtag gewählt zu werden“, erklärt Schülervertreter Atakan Koçtürk. Auch die AfD einzuladen, sei intern nicht unumstritten gewesen: „Aber die meisten der Schüler und Schülerinnen wollten das, um alle Meinungen dabeizuhaben.“

SPD-Kandidat Christoph Brantmann im Dialog mit den Schülern und Schülerinnen.
SPD-Kandidat Christoph Brantmann im Dialog mit den Schülern und Schülerinnen. © regios24 | Stefan Lohmann

Schulleiter Björn Flader steht hinter dieser Entscheidung: „Wir wollten den Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit schaffen, mit Politikern ins Gespräch zu kommen – mit Menschen, die sich für ihre Überzeugung engagieren.“ Um die Neutralität zu wahren, habe man keine Partei ausgeschlossen.

Schüler sind enttäuscht von den Grünen

Von der Partei Bündnis 90/Die Grünen hatte erst Adama Logosu-Teko sein Kommen zugesagt. Dann aber musste er seine Kandidatur für den Landtag zurückziehen, da seine Einbürgerung sich verzögerte. Er sagte den Schülern daraufhin ab. „Wir Schüler haben dann nichts mehr von den Grünen gehört, trotz Nachfrage per Mail, ob ein anderer Kandidaten kommen wird. Das hat uns enttäuscht“, sagt Koçtürk. Die Mail hat er noch.

Louise Bohne vom Kreisverband der Grünen sagt auf Anfrage der Redaktion: „Bei uns ist kein Brief der Schülervertreter angekommen.“ Das Büro habe einem Lehrer, der telefonisch angefragt hatte, mitgeteilt, dass man an der Veranstaltung nicht teilnehmen werde.

Die Schüler hatten sich das ohnehin schon gedacht, denn im August hatte eine öffentliche Ansage der Grünen und der SPD für Aufsehen gesorgt: Man werde im Landtagswahlkampf weder mit Politikern der AfD noch Vertretern „anderer rechter Parteien“ gemeinsam auftreten. Man wolle rassistischen Äußerungen keinen Raum bieten.

Der Landtagsabgeordnete Christoph Bratmann von der SPD kam dennoch zum „Speeddating“ an der Otto-Bennemann-Schule. Man wolle nicht auf einer Bühne mit „Hetzern und Rassisten“ stehen, hatte er im August gesagt, aber eingeschränkt, dass eine Teilnahme immer vom Debattenformat abhänge. In der Schule war kein gemeinsamer „Schlagabtausch“ wie bei einer Podiumsdiskussion geplant, stattdessen stellten die Kandidaten sich einzeln den Fragen der Schüler und Schülerinnen. Alle Viertelstunde gingen die Kandidaten ein Klassenzimmer weiter.

Grüne greifen SPD an: „Mit der AfD auf einem Podium“

AfD-Kandidat Gunnar Scherf in der IT-Klasse: Die Berufsschüler machen eine Ausbildung zu Fachinformatikern Anwendungsentwicklung und sind im dritten Lehrjahr.
AfD-Kandidat Gunnar Scherf in der IT-Klasse: Die Berufsschüler machen eine Ausbildung zu Fachinformatikern Anwendungsentwicklung und sind im dritten Lehrjahr. © regios24 | Stefan Lohmann

Alle Kandidaten gingen auf die Fragen der Schüler ein: erzählten, wie sie zur Politik gekommen sind, welche Themen ihnen besonders am Herzen liegen, gingen auf Fragen zu den hohen Energiepreisen ebenso ein wie auf Fragen zur Einwanderung, zur gleichgeschlechtlichen Liebe und zum 9-Euro-Ticket. Kritische Anmerkungen gab es durchaus, etwa, als AfD-Mann Gunnar Scherf von Corona als „harmloser Grippe“ sprach und ein Schüler befand, man solle das nicht verharmlosen, in der Familie seiner Frau in Brasilien seien etliche an diesem Virus gestorben.

Kurzum: Die Berufsschüler konnten sich ihr eigenes Bild von den Politikern und ihren Argumenten machen. Bei Instagram allerdings wurden sowohl Bratmann als auch Koçtürk später von dem Grünen Ratsherrn Felix Bach scharf angegriffen, der unter anderem stichelte: „Eurer Versprechen, nicht mit der AfD aufs Podium zu gehen, hat ja nicht lange gehalten...“

Kontrovers wird im Forum dazu diskutiert. Sophie Ramdor, die für die CDU am Speeddating teilgenommen hat, schreibt: „Es ist naiv zu glauben, dass man die AfD von den Schülerinnen und Schülern fernhält, indem man sie nicht einlädt.“ Schule sei der Raum, wo „in Politik und Geschichte über die Partei gesprochen und Aussagen eingeordnet werden können“.

Und Tabea Asmus von den Linken, die ebenfalls beim Speeddating war, schreibt: „Indem wir eine demokratisch gewählte Partei ignorieren, lösen wir nicht das Problem.“ Stattdessen müsse man „Stellung beziehen, überzeugen und kämpfen“.