Braunschweig. Mit einem Lautsprecher, der an einem Ballon schwebte, haben Unbekannte rechtsextreme Musik in Schulen und an der TU abgespielt. Die Polizei ermittelt.

Ziemlich dreist haben drei Männer versucht, rechtsextremes Gedankengut an Schulen und in einer Mensa der TU zu platzieren. Sowohl in der Sally-Perel-Gesamtschule als auch am Wilhelm-Gymnasium und in der Mensa 2 des Studentenwerks OstNiedersachsen in der Beethovenstraße haben sie einen Helium-Ballon steigen lassen, an dem eine Bluetooth-Box befestigt war. Aus dem Lautsprecher erklangen die erste Strophe der Nationalhymne sowie szenetypische rechte Musik.

Der Ballon am WG war zudem mit hunderten Papierschnipseln gefüllt, auf denen rechte Parolen standen – offenbar sollten diese auf die Schülerschaft herunterregnen, wenn der Ballon platzt.

Die Polizei hat die drei Vorfälle auf Anfrage bestätigt. Der erste Fall ereignete sich bereits am 18. Februar an der Sally-Perel-Schule in Volkmarode. Genau einen Monat später gab es einen vergleichbaren Vorfall im Hauptgebäude des Wilhelm-Gymnasiums. Am 4. Mai dann ein ähnlicher Vorstoß in der Mensa.

„In allen drei Fällen wurde eine Musikbox an einem Helium-Ballon befestigt. Zuerst wurde das Deutschlandlied abgespielt, dann folgte rechtes Liedgut“, so Polizeisprecher Dirk Oppermann: „Wir vermuten, dass es sich um dieselben Personen handelt.“ Als die Polizei eintraf, hatten die Täter jedes Mal schon das Weite gesucht.

Schulleiter: „Eine unsägliche Aktion“

Am WG wurden drei Männer gesehen, die zum Teil vermummt gewesen sein sollen. „Die Ermittlungen laufen“, so Oppermann. Ermittelt werde wegen Hausfriedensbruch. „Das Abspielen der ersten Strophe der Nationalhymne ist strafrechtlich nicht relevant“, erklärt der Polizeisprecher. Dasselbe gelte für die rechten Parolen, die die Männer auf den Schulhöfen gegrölt hatten. Untersucht werde noch, ob Lieder abgespielt wurden, die auf dem Index stehen.

Im WG habe der Helium-Ballon im ersten Moment für große Verunsicherung gesorgt, sagt Schulleiter Volker Ovelgönne: „Wir haben sofort die Polizei gerufen, den Ballon heruntergeholt und ihn gemeinsam mit den Beamten geöffnet.“ Da der Ballon bei Öffnung bereits am Boden war, konnten sich die Schnipsel-Botschaften nicht verbreiten. „Die Musiktexte waren wegen des Halls in der großen Eingangshalle nicht zu verstehen, der Ballon ist nicht geplatzt – die ganze unsägliche Aktion würde ich also als gescheitert bezeichnen“, so der Schulleiter. Die Schule habe Anzeige erstattet. „Die Verärgerung über diese Aktion ist groß.“

An der Sally-Perel-Gesamtschule habe kaum jemand etwas von der ungewünschten Aktion mitbekommen, sagt Schulleiter Christian Düwel. „Zu dem Zeitpunkt war kaum jemand im Forum, und die Liedtexte konnte man ohnehin nicht verstehen.“ Auch seine Schule habe Anzeige erstattet.

Warum die Männer ausgerechnet an diesen beiden Schulen tätig wurden? Die Schulleiter haben dafür keine Erklärung und gehen von einem Zufall aus.

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Ovelgönne: „Mutmaßen könnte man, ob das mit unserer Unesco-AG zusammenhängt, die genau an diesem Tag eine Solidaritätsaktion für die Ukraine umgesetzt hat, aber das wissen wir nicht. Wir gehen davon aus, dass es Zufall war. Unsere Schule liegt sehr zentral.“ Alle Eltern seien über das Vorkommnis informiert worden, die Aufsicht in der Pausenhalle verstärkt worden.

Die BIBS bezeichnete die Vorfälle im Schulausschuss als „nicht hinnehmbar“

„Natürlich denkt man im ersten Moment daran, was vor einigen Jahren an der Neuen Oberschule passiert ist“, merkt Ovelgönne an. Dort hatten vor sechs Jahren zwei Neonazis Propagandamaterial verteilt, waren mit Schülern in Streit geraten und hatten zwei von ihnen schwer verletzt – einem wurde mit einem Fußtritt der Kiefer gebrochen. Der Täter wurde verurteilt.

Die BIBS hat die aktuellen Vorfälle im Schulausschuss thematisiert und schreibt, diese seien nicht hinnehmbar und hätten „enorme Auswirkungen auf die Schülerschaft“. Bereits in der Vergangenheit habe es Vorfälle rechter Propaganda an und vor Schulen gegeben, bisher seien vor allem Platzverweise von der Polizei ausgesprochen worden.

Die BIBS fordert, schärfer dagegen vorzugehen und hat die Stadtverwaltung gefragt, welche Sicherheitsvorkehrungen sie plane, um Derartiges künftig zu verhindern. Der Verwaltung war bis dahin ausschließlich der Vorfall am WG bekannt, dieser werde „von der Schule und dem Schulträger auf das Schärfste verurteilt“. Die Schule habe schnell gehandelt, habe sofort die Polizei eingeschaltet und Strafantrag gestellt. Innerhalb der Schulgemeinschaft sei das Thema bearbeitet worden, zudem sei die Pausenaufsicht verstärkt worden.

Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“

Um Schülerinnen und Schüler „für das Thema zu sensibilisieren und sie im Umgang mit Rechtsextremismus zu stärken“, organisiere die Stadt Braunschweig derzeit zusammen mit der Volkshochschule die Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, die im September in der Alten Waage zu sehen sein wird. Zielgruppe der Ausstellung sind Jugendliche ab 14 Jahren. Die Ausstellung war ursprünglich für Dezember 2021 geplant und wurde coronabedingt verschoben. Das Interesse der Schulen an der Ausstellung sei groß.