Braunschweig. Eine „Warnlücke“ soll geschlossen werden. Auch Lautsprecherwagen werden gekauft.

Wie organisiert man es, im Katastrophenfall schnellstmöglich die Braunschweiger zu warnen? Die Stadtverwaltung hat den Ist-Zustand untersucht und eine „Warnlücke“ ausgemacht. Nun soll nachgebessert werden. Sirenen müssen zurück auf Braunschweigs Dächer. Doch das allein wird nicht reichen.

Auf 24 Seiten hat der Fachbereich Feuerwehr aus der Analyse ein Konzept entwickelt, um auf Eventualitäten vorbereitet zu sein. Die Hoffnung, per Internet und App könne man kostengünstig den Bevölkerungsschutz herstellen, wird zerstreut. Ein Fazit lautet: Bei großflächigen Stromausfällen, weitreichenden Naturkatastrophen oder einem gezielten Cyberangriff würden „alle bestehenden Warnkanäle ­– bis auf Lautsprecherfahrzeuge und Sirenen – nicht mehr zur Verfügung stehen“.

Doch Sirenen besitzt Braunschweig nicht mehr. Die letzte befindet sich vor dem Feuerwehrhaus Lamme. Ein funktionsloses Erinnerungsstück. Eine E57. E steht für Einheitssirene. 57 für das Jahr der Einführung: 1957. Zurück zu diesem System will in Braunschweig niemand.

Neue Sirenen sollen von Akkus betrieben werden

Thorsten Köster (CDU), Vorsitzender des Feuerwehrausschusses, erinnert sich: „In Melverode ließen sich Anfang der 1990er nur sechs von 30 Feuerwehr-Kameraden per Sirene erreichen. Die Alarmierung erfolgte über Telefonkette.“ An Braunschweigs neue Sirenen-Generation werden ganz andere Anforderungen als reine Lautstärke gestellt: Sie sollen unabhängig vom Stromnetz sein, ausschließlich betrieben von Batteriestrom, so die Verwaltung, „und somit autark. In der Regel genügt ein 230 Volt-Netzanschluss oder ein Solarpanel, um die verbauten Akkumulatoren zu laden. Bei Stromausfall beträgt die Akku-Laufzeit 28 Tage. In dieser Zeit wären noch zehn Durchsagen zu je zwei Minuten Länge möglich.“

Denn auch das sollen die Sirenen können: Nicht nur heulen sollen sie, sondern auch Sprachdurchsagen möglich machen. Vordefinierte Sprachdurchsagen sollen von einem professionellen Sprecher im Tonstudio eingesprochen werden, „um die Verständlichkeit der Durchsagen zu optimieren“. Live-Durchsagen sollen von zwei ortsfesten Einsprechstellen aus an zwei verschiedenen Standorten erfolgen.

Wie hoch die Zahl der Sirenen im Stadtgebiet sein müsste, weiß man noch nicht. Erste Schätzungen sprechen von „55 bis 110“. Schallgutachten und Schallschutz-Gutachten fehlen noch. Denkmalschutz-Belange müssen noch berücksichtigt werden. Absicht der Stadt ist, die neuen Sirenen möglichst auf öffentlichen Gebäuden aufzustellen. Standorte sind noch nicht bekannt. Eine erste Schätzung geht von Investitionen in Höhe von 1,1 Millionen Euro aus. Lautsprecherwagen für 200.000 Euro sollen als Ersatz ebenfalls angeschafft werden. Es wird mit Investitionen in Gesamthöhe von 1,8 Millionen Euro gerechnet.

Im nächsten Jahr könnte mit dem Bau begonnen werden

Grundproblem hier: Weil bundesweit über Jahrzehnte Sirenen nicht auf-, sondern abgebaut wurden, sei die Konsequenz, so die Verwaltung: „In Deutschland gibt es derzeit nur drei Errichter-Firmen für Sirenen-Anlagen und zwei Fachplanungsbüros.“ Gleichzeitig rüsten jedoch immer mehr Kommunen Sirenen wieder nach. Das hieße: „Abhängig von der Marktlage“ könnte frühestens im Laufe des Jahres 2023 mit dem Sirenenbau begonnen werden. „Ein Abschluss der Errichtungsphase ist daher frühestens für das vierte Quartal 2024 zu erwarten.“

Köster meint: „Dann sind wir wohl erst 2025 fertig. Im September 2020 hat die CDU den Antrag gestellt, neue Sirenen aufzustellen. Es werden wohl fünf Jahre ins Land gehen, bevor der Antrag umgesetzt ist. Das ist zu lang.“

Schneller wird es wohl gehen, Braunschweigs Warnlücke an anderer Stelle zu verringern. Braunschweig hat zwar bereits Zugang zum sogenannten Modularen Warnsystems (MoWaS), über das zum Beispiel Gefahren per Warn-App Nina oder TV und Radio gemeldet werden. Aber: „Bei einem Ausfall der Internetverbindung und/oder einer Störung des gesamten Internetdatenverkehrs könnte zur Zeit keine Auslösung über MoWaS erfolgen, da die Feuerwehr Braunschweig nur über eine rein Internet-basierte Anbindung an das System verfügt.“

Braunschweig will dem Beispiel Hannovers folgen. Zwei satellitengestützte MoWaS-Vollstationen sollen angeschafft werden. Kaufen kann man sie nicht, nur mieten zum Stückpreis von 22.000 Euro jährlich. Problem auch hier: Bundesweit gibt es nur einen Anbieter.