Braunschweig. Ein Team der TU Braunschweig untersucht Schwimmpfade von Forellen, Äschen, Groppen und Flussbarschen. Das soll Ingenieuren helfen – aber wobei?

Fische wandern – nicht nur Lachse, auch Äschen, Groppen und Flussbarsche ändern immer wieder ihren Aufenthaltsort. Zum Beispiel auf der Suche nach Nahrung, nach einem Ort zum Laichen oder zum Überwintern. Doch welche Wege bevorzugen Fische auf Sohlengleiten, also naturnahen Bauwerken in Bächen und Flüssen, bei ihrer Wanderung flussaufwärts?

Das untersucht die Abteilung Wasserbau und Gewässermorphologie des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau (LWI) der Technischen Universität Braunschweig im Projekt „MigRamp“ – „Migration“ (Wanderung) und „Ramp“ (Sohlengleite). In einer Pressemitteilung erläutert die Uni die Details des Projekts: „Naturnahe Sohlengleiten sind Bauwerke in Fließgewässern, die wasserwirtschaftlichen Zwecken dienen, wie beispielsweise einen Mindestwasserstand zu gewährleisten oder Erosion zu vermeiden. Für Fische und Kleinlebewesen stellen sie normalerweise kein Wanderhindernis dar.“

Unstrukturierte Sohlengleiten werden trotz ihrer Vorteile oft nicht gebaut

Vor allem sogenannte unstrukturierte Sohlengleiten weisen demnach durch die unregelmäßige Anordnung von Störsteinen eine heterogene Gewässersohle mit vielfältigen Strömungsverhältnissen auf. Außerdem böten sie auch zusätzlichen Lebensraum, so die TU. Die Bemessung solcher Bauwerke basiere bislang auf Laborversuchen, da Naturmessungen sehr aufwendig und entsprechende Daten kaum verfügbar seien. Dies führe dazu, dass unstrukturierte Sohlengleiten trotz ihrer Vorteile oftmals nicht gebaut werden.

Hier setze nun das Projekt „MigRamp“ an. „In Labor- und Feldversuchen wollen die Wissenschaftler*innen die bevorzugten Wanderkorridore der Fische identifizieren“, heißt es in der Pressemitteilung. Dabei würden die Schwimmpfade mit der Bauwerksgeometrie der Sohlengleiten und den Strömungsbedingungen entlang der Pfade verknüpft.

Trockengelegte Sohlengleite mit Laserscanner. Im Hintergrund ist der temporäre Damm zu sehen. 
Trockengelegte Sohlengleite mit Laserscanner. Im Hintergrund ist der temporäre Damm zu sehen.  © Ralph Eikenberg/TU Braunschweig

Besseres Verständnis für aufwärts gerichtete Fischwanderungen

„Die Fische werden also, salopp gesagt, zu ihren eigenen Baumeistern gemacht“, sagt Ralph Eikenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Wasserbau und Gewässermorphologie des LWI, der das Projekt betreut. Ziel sei es, das Verständnis zu aufwärts gerichteten Fischwanderungen zu verbessern. Dann könnten die für die Ingenieurpraxis relevanten Bemessungskriterien für Sohlengleiten in Flüssen und Bächen verbessert werden.

Zielgruppe der Ergebnisse sind laut Projektleiter Professor Jochen Aberle Ingenieure, Behörden, Planer und Unterhaltungsverbände, die sich mit der Dimensionierung von Sohlengleiten befassen. „Darüber hinaus sind die Daten für die wissenschaftliche Fachwelt von großem Interesse, da nur sehr wenige bzw. fast keine Naturdatensätze hinsichtlich der Interaktion Fisch-Strömung-Geometrie für die Optimierung von fischpassierbaren Bauwerken vorliegen“, sagt er.

1:1-Modell der Sohlengleite im „Laxelerator“

Für das Vorhaben wählte das Projektteam laut der TU-Pressemitteilung eine Sohlengleite an der Ilme bei Einbeck in Südniedersachsen aus. Das Bauwerk wurde im Herbst 2020 in einer einmaligen Aktion mit Unterstützung des Leineverbandes, der einer der Projektpartner ist, und des Technischen Hilfswerkes (THW) kurzzeitig trockengelegt.

Ansicht des Modells im „Laxelerator“ vor Beginn der Laborexperimente. 
Ansicht des Modells im „Laxelerator“ vor Beginn der Laborexperimente.  © Ralph Eikenberg/TU Braunschweig

„Die Fische wurden selbstverständlich vorher geborgen und in Sicherheit gebracht“, betont Ralph Eikenberg. So konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Gleite detailliert vermessen. „Laserscan und Structure-from-motion-Photogrammetrie, bei der aus vielen einzelnen Fotoaufnahmen des Objektes eine dreidimensionale Punktwolke erzeugt wird, lieferten ein digitales Höhenmodell als Grundlage für das Labormodell.“

Versuchsrinne ähnelt einer Rennbahn

Von Niedersachsen sei es anschließend nach Mittelschweden gegangen, erläutert die TU: Im Wasserbaulabor des Projektpartners Vattenfall Research & Development in Älvkarleby wurde die Sohlengleite als 1:1 Modell im „Laxelerator“ nachgebaut. Diese weltweit einmalige Versuchsrinne sei speziell für großskalige Experimente mit Fischen konzipiert und ähnele einer Rennbahn mit zwei parallelen, jeweils 24 Meter langen und vier Meter breiten Abschnitten, die über zwei 180-Grad-Kurven verbunden sind.

„Das vier Meter breite und zwölf Meter lange Teilmodell der Sohlengleite wurde mittels CNC-Frästechnik aus Styropor hergestellt und konnte im September 2021 in Betrieb genommen werden“, so die Uni in ihrer Pressemitteilung. „Das Modell hat Vattenfall so konzipiert, dass es mehrfach verwendet werden kann. Nach Abschluss der Versuche wurde es abgebaut und wartet nun auf den nächsten Einsatz für ähnliche Fragestellungen.“

Ein Flussbarsch. 
Ein Flussbarsch.  © Ralph Eikenberg/TU Braunschweig

Wohin bewegen sich die Fische?

Um die Bewegungen der Fische genau zu beobachten, statteten die Wissenschaftler das Modell nach Angaben der Universität mit mehr als 30 einzelnen Kameras über und unter Wasser aus. Hierbei kamen Forellen (Salmo trutta), Äschen (Thymallus thymallus), Groppen (Cottus gobio) und Flussbarsche (Perca fluviatilis) zum Einsatz – und das bei verschiedenen naturähnlichen Durchflüssen bis zu 1200 Litern pro Sekunde und in unterschiedlichen Kombinationen von Fischart, Anzahl und Größe.

„Die Versuche wurden im Vorfeld durch das schwedische Landwirtschaftsamt genehmigt. Zudem unterstützte ein Fischbiologe die Untersuchungen“, so die TU. Die Fische stammten demnach aus Zuchtprogrammen (Forellen und Äschen) sowie aus Wildfängen (Groppen und Flussbarsche) und wurden nach den Versuchen wohlbehalten in die Freiheit entlassen. „Anschließend führten die Forschenden hydraulische Messungen im Teilmodell der Sohlengleite durch, um später die Strömungsbedingungen entlang der Bewegungspfade der Fische beschreiben zu können.“

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Die im „Laxelerator“ ermittelten Schwimmpfade will das Team nutzen, um die Sohlengleite in der Ilme an geeigneten Positionen ebenfalls mit Kameras über und unter Wasser auszurüsten und dort die Wildfische bei der Passage zu beobachten. Das Strömungsfeld über der realen Gleite werde unter Naturbedingungen mit denselben Verfahren wie im Labor erfasst.

Quelle: Pressemitteilung der TU Braunschweig

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