Braunschweig. Sie folgten dem Aufruf des „Bündnis gegen Rechts“ zur Mahnwache im Gedenken an die Opfer der rassistischen Morde vor einem Jahr.

„Say their names.“ Unter diesem Motto beteiligten sich am Freitag einige Hundert Menschen an einer Mahnwache vor dem Braunschweiger Rathaus. Sie erinnerten damit an die Opfer der rassistischen Morde von Hanau.

Am 19. Februar 2020 hatten innerhalb von nur fünf Minuten und sechs Sekunden neun Menschen ihr Leben verloren. Der 43-jährige Deutsche Tobias R. hatte die Frauen und Männer mit ausländischen Wurzeln an mehreren Orten in der Stadt im Rhein-Main-Gebiet erschossen. Dann tötete er seine Mutter und anschließend sich selbst. Zuvor hatte er Pamphlete und Videos mit Verschwörungstheorien und rassistischen Ansichten im Internet veröffentlicht.

Kritik am alltäglichen und strukturellen Rassismus

Zu der Gedenkveranstaltung in Braunschweig hatte das „Bündnis gegen Rechts“ aufgerufen. „Originaltöne von Angehörigen, Betroffenen und Überlebenden sorgten für eindringliche Stimmen und viele kritische Gedanken“, heißt es in einer Pressemitteilung von Verdi-Bezirksgeschäftsführer Sebastian Wertmüller.

Zu den Rednern zählten neben ihm unter anderem Adama Logosu-Teko vom Haus der Kulturen und Alper Özgur von der Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF). Es sei viel Kritik geäußert worden, so Wertmüller – am alltäglichen und strukturellen Rassismus in Deutschland geäußert worden, am Rechtsextremismus und an der Arroganz gegenüber den vielen Opfern rechter Gewalt.

„Analogien wurden gezogen vom Oktoberfestattentat 1980 über die rassistischen Morde von Solingen und Mölln 1992 und 1993, die Morde des NSU von 2000 bis 2007, den Terrorakt von München 2016, die Morde von Wolfhagen 2019 und Halle 2020“, teilt das Bündnis mit.

„Immer wieder beißen wir auf Granit“

Wertmüller: „Immer wieder zu diesen traurigen Anlässen vernehmen wir große Betroffenheit und hören wir flammende Appelle gegen den Rassismus. Und immer wieder beißen wir auf Granit, wenn es konkret werden soll: Wenn es um Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt oder Wohnungsmarkt geht oder wenn es um entwürdigendes Verhalten bei Ämtern geht.“

Das gelte im Kleinen bei fehlenden Antidiskriminierungsstellen vor Ort bis zum Bundesinnenminister, der alles hintertreibe, was einer ernsthaften Gegenwehr diene. „Die Nicht-Bereitschaft in großen Bereichen der Gesellschaft, sich mit Rassismus und Rechtsextremismus ernsthaft auseinanderzusetzen, ist Teil des Problems: Polizei, Geheimdienste, Verwaltungen, Betriebe…“

Die abschließende Mahnung: „Erinnern heißt verändern. Es hätte mancher Prominenz der Braunschweiger Stadtgesellschaft gut angestanden, an diesem Tag öffentlich Trauer und Mitgefühl auf der Mahnwache zu bekunden.“