Braunschweig. Eine Studie der Technischen Universität untersucht die Folgen der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr 2020 auf neun bewaffnete Konflikte.

Als 2004 ein Tsunami Indonesien verwüstete, beendete er auch einen 28 Jahre dauernden Bürgerkrieg. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie entstand daher die Hoffnung, dass die übergreifende Bedrohung durch den Virus ebenso Waffenruhen fördert. Die Annahme: Kriege zerstören die Infrastruktur, die gebraucht wird, um die Übertragungswege zu stoppen und Erkrankte zu behandeln. Insofern könnte die globale Pandemie als parteiübergreifende Krise auch die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen stärken.

Wie die Technische Universität Braunschweig mitteilt, geht das Institut für Internationale Beziehungen genau dieser These nach. Eine Studie untersuche die Folgen der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr 2020 auf neun bewaffnete Konflikte. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „World Development“ veröffentlicht. Sie zeigen jedoch der Uni zufolge, dass mehr als zuvor Grund zur Sorge besteht.

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Gelegenheiten für bewaffnete Gruppen nehmen zu

„Es gibt nur wenige Daten, die erkennen lassen, dass sich die Konflikte während der Pandemie nachhaltig beruhigen“, sagt Dr. Tobias. „Stattdessen nehmen Unzufriedenheiten und Gelegenheiten für bewaffnete Gruppen zu.” Im libyschen Bürgerkrieg nutzten ihm zufolge beispielsweise die Konfliktparteien die mediale Ablenkung durch Corona, um abseits der internationalen Aufmerksamkeit Militärschläge zu setzen. Auch Schwachstellen des Gegners würden ausgenutzt: Beispielsweise habe der IS seine Aktivitäten im Irak verstärkt, als die Regierung von der Pandemie geschwächt war.

„Demgegenüber nutzen die afghanische Taliban oder die Guerilla-Bewegung ELN in Kolumbien die mangelhafte staatliche Pandemiebekämpfung, um langfristig ihre Reihen zu stärken“, so Ide. Die Taliban sammelten Unterstützung, indem sie eigene humanitäre Maßnahmen starteten. In Kolumbien hätten die Rebellen gezielt um Menschen geworben, die ihren bisherigen Lebensunterhalt durch die Pandemie verloren haben. Tobias Ide: „Dass diese Konflikte derzeit nicht eskalieren, liegt vor allem daran, dass die bewaffneten Gruppen selbst von der Pandemie betroffen sind. Es steht aber zu befürchten, dass sie in Zukunft umso heftiger wieder aufflammen.”

Problem: Wenn die internationale Gemeinschaft wegsieht

Aber was war 2004 in Indonesien anders? Ide erläutert dazu: „Als ein Tsunami in Indonesien den Frieden förderte, lag das vor allem auch an der internationalen Aufmerksamkeit und den Bedingungen, die Staaten an ihre Soforthilfen knüpften. Die Eskalation von bewaffneten Konflikten in stark von Corona betroffenen Gebieten birgt große Herausforderungen. Wenn die internationale Gemeinschaft wegsieht und sich nur auf die Pandemie in den jeweiligen Ländern fokussiert, werden bewaffnete Gruppen dies ausnutzen.”

Die veröffentlichte Studie gibt laut der TU auch eine Einschätzung zu den aktuellen Konflikten in Indien, Pakistan, den Philippinen, Thailand und dem Jemen. Um die langfristigen Folgen aufzuzeigen, seien weitere Forschungsprojekte geplant. Dabei soll es auch um Protestbewegungen im Zusammenhang mit Corona gehen und wie diese bewaffnete Konflikten beeinflussen können.