Braunschweig. Was kommende Generationen über die Pandemie erfahren, hängt auch von der Arbeit in Museen ab. Die setzen in Niedersachsen auf authentische Berichte.

Eine gebastelte Torte aus WC-Rollen und ein Klopapier-Mobile an der Decke: Museumsbesucher werden in einigen Jahren sicher staunen, was Niedersachsen im Pandemie-Frühjahr 2020 bewegt hat.

Nach Aufrufen zum Sammeln von Corona-Objekten füllen sich in den Ausstellungshäusern langsam die Depots. Wie halten die Niedersachsen ihre Pandemie-Geschichte fest?

Ausstellung mit Corona-Gegenständen

„Corona-Sperrtisch“ steht auf dem kleinen Schild, das sich Heike Pöppelmann bei einem Café-Besuch in Braunschweig noch gesichert hat. Der Lockdown hatte sich an jenen Märztagen bereits angekündigt und Pöppelmann ahnte, dass es jetzt darum geht, Geschichte zu dokumentieren. Wenige Wochen später lud die Chefin des Braunschweigischen Landesmuseums mit ihrem Team zu einem Anlieferungstermin für Corona-Objekte ein - auch ihr „Sperrtisch“-Schild gehört jetzt zu den Ausstellungsstücken.

Dabei ist unter anderem ein detailreiches Modell eines Rennwagens. Der Spender habe wohl Zeit für den aufwendigen Bau gehabt, weil er nicht wie gewohnt beruflich zu den Formel-1-Rennen weltweit fliegen konnte, sagte Pöppelmann. Ein Mädchen häkelte einen Hamster mit einer Klopapierrolle und hielt so die sogenannten Hamsterkäufe humorvoll fest.

Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung schickte einen Schutzanzug aus dem Labor. Und es wäre nicht Braunschweig, wenn die Mundschutz-Masken nicht in blau-gelben Eintracht-Farben gestaltet wären.

Unterschiedlicher Umgang mit der Pandemie

„Die Objekte werden jetzt inventarisiert und die Geschichten dazu festgehalten“, sagt Museumsdirektorin Pöppelmann. „Wir müssen unmittelbar sammeln und die Gegenwart für die Zukunft genau dokumentieren.“ Die Gegenstände zeigen für die Museumsleiterin den unterschiedlichen Umgang mit der Pandemie. Humor, Solidarität und der Wunsch, aktiv zu werden, spiegelten sich darin wider.

An der Decke hängt ein verspieltes und liebevoll gestaltetes Mobile aus Klopapier. Ohne großen finanziellen Wert liefert es eine authentische Geschichte. Pöppelmann ist überzeugt: „Unsere Nachfolger in 100 bis 150 Jahren werden uns dankbar sein“. Nach der ersten Phase mit dem Lockdown folge gerade eine neue, spannende Zeit. „Meinungen gehen auseinander, eine höhere Vielfalt an Einstellungen wird sichtbar“, beschreibt die Braunschweiger Expertin.

Große Resonanz in ganz Niedersachsen

Für das Historische Museum in Hannover ist derzeit ein Fotograf in der Landeshauptstadt unterwegs. Er soll die für die Corona-Zeit typischen Bilder einfangen. „Es geht um leergeräumte Regale, Menschen, die Schlange stehen und die besondere Situation in Schulen“, berichtet Andreas Fahl, der für die Sammlung zuständig ist. Dazu sichere das Ausstellungshaus besondere Verbotsschilder. An einem Spielplatz stand der klare Kinderwunsch: „Wir wollen spielen“.

Auch das Ostfriesische Landesmuseum in Emden berichtet über große Resonanz. Konkret sind über 40 Meldungen und Angebote eingegangen, wie Sprecher Diethelm Kranz berichtet. Zudem bekam das Haus 58 Videos mit „Songs von zu Hause“ geschickt. Als ein Beispiel für die spannenden Geschichten nennt Kranz ein Corona-Reisetagebuch mit Erlebnissen aus Neuseeland. Das Museum erhielt auch ein Zugticket nach Stockholm, bei dem die Rückfahrkarte plötzlich nutzlos wurde. Dänemark hatte von einem Tag auf den anderen die Grenzen zugemacht.

Torte aus Klopapierrollen

Durch die künstlerische Auseinandersetzung mit der Krise erhielt das Ausstellungshaus in der Seehafenstadt auch Osterdeko, Cartoons und Gedichte. Außerdem gab es zu einem 60. Geburtstag eine Torte aus Klopapierrollen. Dazu kam der Hinweis, dass es sich in der jetzigen Zeit um einige der wertvollsten Dinge handele, die man verschenken könne. dpa