In der Region Braunschweig-Wolfsburg gibt es internationale Bildungsangebote. Sie sind vor allem für Eltern interessant, die für große Unternehmen arbeiten.

Eine Horde Kinder kann erstaunlich ruhig sein. Eben ist die Rasselbande noch plappernd, quiekend und kichernd in die große Halle gelaufen. Nun sitzen die Jungen und Mädchen geduldig im Halbkreis und blicken erwartungsvoll auf die Erzieher, die sich auf den Rand der Bühne gesetzt haben.

„Good morning everybody“, ruft Kita-Leiterin Julia Dogan fröhlich in die Runde. „Good morning“, antworten die Kinder im Chor. Und dann stimmen alle das Begrüßungslied an: „Hello, good-bye“.

Der internationale Kindergarten in Braunschweig

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    Es ist 10 Uhr an einem Mittwoch, im internationalen Kindergarten in Braunschweig steht Kursarbeit auf dem Programm. Nach und nach stellen die Erzieher ihre Angebote vor – auf Englisch und auf Deutsch: Yoga für die größeren Krippenkinder, die kleineren dürfen mit Rasierschaum matschen. Wer schon in den Kindergarten geht, wählt zwischen Graffiti-Malerei, Religionspädagogik oder Sport. Und in einem Raum bieten Miss Olga und Miss Joline politische Bildung an: „In unserem Kinderparlament diskutieren wir darüber, wie wir die Welt retten können“, sagt Miss Joline. „Wer möchte mitmachen?“ Zwölf Arme schnellen in die Höhe.

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    Das Kinderparlament tagt in einem Raum, in dem ein großes Bild von Klima-Aktivistin Greta Thunberg hängt. Auf kleinen Tafeln sind verschiedene Abfalleimer für Plastik, Glas oder Papier abgebildet. „Wenn ihr eure Milchflasche ausgetrunken habt, wo kommt sie denn hin?“, fragt Miss Olga auf Englisch. Ein Mädchen deutet sofort auf das richtige Symbol. Umweltbewusstes Verhalten im Alltag – das ist ein großes Thema im Kindergarten. „Greta ist auch für die Kleinen schon ein Vorbild“, sagt Dogan. „Sie nehmen wahr, dass sie jung ist und der Jugend eine Stimme gibt. Sie können sich mit ihr identifizieren.“

    Das Angebot in der internationalen Kita ist ebenso bunt wie die Zusammensetzung der insgesamt 105 Kinder. Sie stammen aus 26 Nationen, aus Familien, in denen gar kein Deutsch gesprochen wird oder mehrere Sprachen, weil ein Elternteil aus dem Ausland stammt. Aus Familien, die in die Region gezogen sind, weil Vater oder Mutter für große Unternehmen wie Volkswagen oder Siemens arbeiten – oder die beruflich bedingt immer wieder ins Ausland gehen und daher Wert auf einen internationalen Bildungsweg legen. Jungen und Mädchen aus vielen europäischen Ländern sind dabei, aber auch Kinder aus Japan, Mexiko, Brasilien oder Jordanien. In den Kita-Gruppen ist deshalb auch immer eine englischsprachige Fachkraft im Einsatz, Muttersprachler, die mit den Kindern im Alltag reden und ihnen somit die Sprache spielerisch vermitteln. „Wir verständigen uns auf Deutsch, Englisch – oder, wenn nötig, auch mal mit Händen und Füßen“, sagt Dogan schmunzelnd.

    Die Kita-Leiterin erkennt einen Trend zu mehrsprachigen Angeboten schon in der frühkindlichen Bildung. Die Zahlen des „Verbandes für Frühe Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen und Schulen“ weisen ebenfalls in diese Richtung. Gab es im Jahr 2004 etwa 340 bilinguale Kitas in Deutschland, waren es im Jahr 2014 bereits 1035. Die meisten bieten Englisch als zweite Sprache an, gefolgt von Französisch und Dänisch.

    Auch in der Region Braunschweig-Wolfsburg gibt es eine Vielzahl von Bildungseinrichtungen mit verschiedenen Schwerpunkten und Ausrichtungen. Die internationale Kita in Trägerschaft des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland (CJD) ist darunter ein relativ neues Angebot. Erst vor einem Jahr öffnete sie mit zwei Krippengruppen für Kinder unter drei Jahren und drei Kindergartengruppen. „Die Nachfrage ist so groß, dass wir gut eine zweite Kita aufmachen könnten“, so Dogan. Allein im letzten Kita-Jahr habe es 300 Anmeldungen für die 105 Plätze gegeben.

    Dass mehrsprachige Bildungsangebote zu den weichen Standortfaktoren gehören, mit denen Unternehmen Fachkräfte in die Region locken können, weiß auch Kirk Chamberlain. „Für viele Firmen ist es ein Vorteil, wenn es vor Ort eine vielfältige Kita- und Schullandschaft gibt“, sagt der Gesamtleiter des CJD für Süd-Ost Niedersachsen. Da passe das Konzept des CJD, nahtlos internationale Bildung zu ermöglichen, von der Krippe über den Kindergarten und die Grundschule bis zur weiterführenden Schule.

    Nicht weit vom St.-Leonhard-Quartier entfernt, an der Helmstedter Straße, liegt der Campus der internationalen Schule Braunschweig-Wolfsburg. Das Gebäude ist hell und modern, der Schulhof umrandet von Bäumen. Auch hier ist Vielfalt eine Selbstverständlichkeit. Schüler aus Japan oder China sitzen neben Schülern aus Ägypten oder Schweden. Und auch hier gilt: Englisch ist die verbindende Sprache. „English only“ gilt für den Unterricht und auch das Tragen von Uniformen ist verpflichtend.

    Die Schüler kommen aus der ganzen Region hierher, viele machen mit ihren Familien nur vorübergehend Station in Deutschland, etwa, wenn der Vater oder die Mutter für VW, Siemens oder andere große Unternehmen an verschiedenen Standorten arbeiten. „Die Fluktuation ist groß, bedingt durch die wechselnden Arbeitsplätze der Eltern“, sagt Schulleiterin Anne Könecke. Da es die „International School“ in mehr als 150 Ländern gibt und überall die gleichen Standards, Lehrpläne und internationalen Abschlüsse gelten, wird den Schülern der Wechsel aber so leicht wie möglich gemacht.

    Wer sein Kind auf die International School schicken will, muss eine Aufnahmegebühr und ein monatliches Schulgeld ab 750 Euro zahlen. Dennoch richtet sich das Angebot nicht nur an eine elitäre Oberschicht, betont Könecke. Es gebe Stipendien. Außerdem wirbt die Schule mit kleinen Klassen und individueller Förderung: Bis zur Klasse 7 steht dem Lehrer auch eine Fachkraft zur Seite, die die Kinder im Schulalltag begleitet, ihre Sorgen und Nöte kennt, Konflikte löst.

    Schon Kinder ab vier Jahren führen die Lehrer langsam an die englische Sprache heran. Die Schüler der 9. und 10. Klasse folgen dem Cambridge-IGCSE-Lehrplan („International Certificate of Secondary Education“) und legen am Ende der 10. Klasse die IGCSE-Prüfungen ab – was dem erweiterten Abschluss der Sekundarstufe I entspricht. In den Jahren 11 und 12 läuft das „International Baccalaureate (IB) Diploma Program“. Das IB-Diplom wird an Universitäten weltweit anerkannt und entspricht der deutschen Hochschulzugangsqualifikation.

    Dass im Zuge der Globalisierung die Nachfrage nach internationalen Bildungsangeboten steigt, spiegelt sich auch in den Zahlen der Schule wider. 2004 startete die International School mit 24 Schülern, heute sind es bereits 280. „Allein in diesem Schuljahr hatten wir einen Zuwachs von 40 Schülern“, sagt Schulleiterin Könecke. „Wir streben die Zweizügigkeit an, damit wir weiterhin das Lernen in nicht allzu großen Klassen ermöglichen können.“