Braunschweig. Die Polizei setzt auf Prävention. Ein ganz spezieller Einsatz in Braunschweig macht klar: Wir machen es Tätern oft zu leicht.
Im Einsatzgebiet, wir sagen jetzt mal nicht wo, steht ein Fenster auf Kipp. Zunächst ist das ja noch keine Nachricht, aber es kann eine werden. Ungefähr so: „Unbekannte Täter hatten am Montag leichtes Spiel, als sie …“
Das ist tatsächlich die Ausgangslage an diesem Montag bei einer besonderen Präventionsaktion der Polizei. Zwar können und wollen die Beamten da jetzt nicht selbst einsteigen, als sie immer wieder gekippte Fenster und offene Garagen in verlassenen Häusern vorfinden. Doch Polizeihauptkommissar Jens Zeiler, der Mann für die Prävention, wirft zigmal ein Faltblatt durch halbgeöffnete Fenster: „Vorsicht!! Ihr Verhalten begünstigt Einbruchdiebstahl“, steht darauf.
Ob’s hilft, wird man sehen, aber es ist vergleichsweise doch ein Riesenglück, wenn dir auf diese Weise nur die Polizei aufs Dach steigt. Wer einmal Opfer eines Einbruchsdiebstahls war, der weiß: Alle Vertrautheiten sind fortan futsch, die Wohlfühlzone weicht einer Sphäre tiefer Verunsicherung.
Da kommt viel ins Wanken, aber dann muss man sich doch fragen: Warum sind viele Zeitgenossen dennoch so sorglos? Lassen Fenster und Türen offen stehen, Briefkästen überquellen, Blumen verwelken, Grundstücke unbeleuchtet mit heruntergelassenen Rollläden und unabgeschlossenen Fahrrädern, die überall herumliegen.
Als Jens Zeiler von der Bilanz am Montag berichtet, horchen wir erstmal auf: 17 Polizeikräfte bliesen zum Schwerpunkteinsatz in Sachen Einbruchsprävention, durchkämmten vormittags Kralenriede, Lehndorf und Kanzlerfeld, später am Tag Rautheim, Lindenberg, Südstadt, Mascherode.
Damit wir das nicht falsch verstehen. Hier geht es nicht darum, Kriminalität zu relativieren. Der schlimme Finger bleibt der Einbrecher, der Täter, dem es das Handwerk zu legen gilt. Aber Polizeiarbeit, wie Präventions-Vormann Zeiler sie versteht, greift auch schon mal deutlich früher.
Und so sind mehr als 100 real existierende Schwachstellen („kriminalitätsauslösende Faktoren“) in den genannten Quartieren, die die Schwerpunkt-Truppe allein am Montag aufdeckte, auch schon ein Polizei-Erfolg, wenngleich einer, der nachdenklich macht.
Hoffentlich auch die betroffenen Haus- und Wohnungsbesitzer, die per Faltblatt ein kleines Gutachten mit (angekreuzten) Mängeln frei Haus geliefert bekamen: Terrassentür auf Kipp, Rolläden tagsüber geschlossen, herumstehende „Aufstiegshilfen“ (Leitern, Eimer, Gerüste), Garagen, offen wie ein Scheunentor. Ach ja, und keiner zuhause.
Dann ist die Gelegenheit günstig. Jens Zeiler: „Wir streifen quasi mit den Augen eines Einbrechers durch die Wohngebiete.“ Das Einsatzziel ist klar definiert: „Tatgelegenheiten reduzieren.“
Gar nicht so einfach. Erfahrungsgemäß steigen die Einbruchszahlen in der dunklen Jahreszeit, weil die Kriminellen gerade in den Herbst- und Wintermonaten um die Häuser schleichen. Und häufig baldowern sie Tatorte mit hohen Hecken, Zäunen oder Nebengebäuden aus. Im Polizeideutsch nennt man das „unbemerkte und sichtgeschützte Annäherung vorzugsweise von der rückwärtigen Seite“.
Angegriffen werden insbesondere Einfamilienhäuser, Reihenhäuser, Erdgeschoß- und Dachgeschoßwohnungen. Man darf sich da nichts vormachen: Auch geschlossene Fenstern und Türen sind mit Schraubenzieher oder Kuhfuß schnell aufgehebelt. Wer die Scheibe einschlägt, kann auf Tür- oder Fenstergriff fassen. Und ist drin.
Dabei ist auch den Präventionsexperten klar: Das absolut einbruchsichere Haus gibt es nicht. Man kann es aber Einbrechern so schwer wie möglich machen.
Immerhin sind die meisten sogenannte „Gelegenheitseinbrecher“. Kommt so einer mal nicht gleich ans Ziel, bricht er die Tat in der Regel nach zwei bis fünf Minuten ab. Jens Zeiler erklärt: „Sinnvoll ist immer ein Mix aus eigenem risikobewussten Verhalten sowie sinnvoll aufeinander abgestimmten mechanischen und elektronischen Sicherungen.“
Und dann kommt noch die wichtigste Sicherung, es ist die soziale. Hier kommt die Nachbarschaft ins Spiel, Schön, wenn es eine gute ist. Man kann mit Licht und Zeitschaltungen arbeiten, Briefkästen betreuen, Anwesenheit signalisieren, einfach aufpassen und da sein. Keine gute Idee ist es nach Ansicht der Fachleute indes, draußen irgendwo den Hausschlüssel zu deponieren ...
So wurde der Schwerpunkteinsatz Einbruchsprävention am Montag ein voller Erfolg – so oder so. Ca. 1000 Leute müssten jetzt eigentlich schlauer sein. Und nach diesem Artikel vielleicht noch ein paar mehr. „Die Präventionsaktion wurde ausnahmslos positiv und dankbar angenommen“, sagt Jens Zeiler.
Schon wollte der Mann gerade wieder ein Faltblatt einwerfen: „Vorsicht!! Ihr Verhalten begünstigt ...“ Etliche große, bunte Pakete mit Weihnachtsgeschenken stapelten sich da ganz offen unterm Carport. Was für ein Leichtsinn! Die Beamten hoben mal eins an. Dann noch eins. Alles Luft. Es war nur Deko.
Zehn Goldene Regeln der Polizei für sicheres Wohnen:
1. Halten Sie die Hauseingangstür auch tagsüber geschlossen. Prüfen Sie, wer ins Haus will, bevor Sie öffnen.
2. Achten Sie bewusst auf fremde Personen im Haus und auf dem Grundstück. Sprechen Sie diese Personen gegebenenfalls an.
3. Schließen Sie Ihre Wohnungseingangstür auch bei kurzzeitigem Verlassen immer zweimal ab und lassen Sie die Tür nicht „bloß ins Schloss fallen“. Auch die Keller- und Speichertüren sollten immer verschlossen sein.
4. Verstecken Sie Ihren Haus- und Wohnungsschlüssel niemals außerhalb der Wohnung; Einbrecher kennen jedes Versteck.
5. Verschließen Sie Ihre Fenster und Balkontüren auch bei kurzer Abwesenheit; gekippte Fenster und Balkontüren sind von Einbrechern ganz besonders leicht zu öffnen.
6. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Wohnung auch bei längerer Abwesenheit einen bewohnten Eindruck vermittelt. Ihr Nachbar kann z. B. den Briefkasten leeren, und Zeitschaltuhren können Ihr Licht zu unregelmäßigen Zeiten steuern.
7. Tauschen Sie mit Ihren Nachbarn Telefonnummern und vielleicht auch genaue Anschriften aus, damit Sie für den Notfall erreichbar sind.
8. Lassen Sie keine fremden Personen in Ihre Wohnung; bei unbekannten Personen sollten Sie gegebenenfalls Nachbarn hinzuziehen.
9. Achten Sie darauf, ob Fremde ältere Nachbarn aufsuchen –und fragen Sie nach, was diese Personen wollen.
10. Informieren Sie die Polizei, wenn Fensterscheiben klirren und im Treppenhaus Türholz splittert. Versuchen Sie niemals, Einbrecher festzuhalten!