Braunschweig. Angesichts des AfD-Bundesparteitages in Braunschweig hat Landesbischof Dr. Christoph Meyns eine Mittagsandacht im vollbesetzten Dom abgehalten.

Angesichts des AfD-Bundesparteitages in Braunschweig hat Landesbischof Dr. Christoph Meyns dazu aufgerufen, für eine Gesellschaft einzutreten, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion friedlich und respektvoll miteinander leben. „Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus, Hass und Hetze sind mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar“, sagte er am Samstag in Braunschweig.

Das Fürbittengebet hielten gleich mehrere Persönlichkeiten aus Braunschweig, um Geschlossenheit zu symbolisieren: Dompredigerin Cornelia Götz, der katholische Propst Reinhard Heine, Oberbürgermeister Ulrich Markurth, Kulturdezernentin Anja Hesse, Eintracht-Präsident Sebastian Ebel und Armin Maus, Chefredakteur dieser Zeitung. Dompredigerin Cornelia Götz rief dazu auf, nicht zuzusehen, sondern aufzustehen.

Die Andacht fand vor einem vollbesetzten Dom mit 1000 Besuchern statt

Bei der Andacht im Braunschweiger Dom hatte er außerdem dazu aufgerufen, die Spaltung zwischen Menschen zu überwinden und Vertrauen zu schaffen. Alle Menschen seien ohne Unterschied Kinder Gottes. Der Landesbischof warnte davor, Misstrauen und Angst zu schüren und Menschen mit vulgären oder höhnischen Bemerkungen zu verletzen. Minderheiten dürften keine Feindbilder sein und nicht als Sündenböcke missbraucht werden. Stattdessen gehe es darum, Brücken zu bauen und Frieden zu stiften.

Diese Andacht hielt der Landesbischof im Dom:

Liebe Gemeinde! „Suche Frieden und jage ihm nach!“ Dieser Vers aus dem 34. Psalm ist das Leitwort über dem kirchlichen Leben für dieses Jahr. Was könnte aktueller sein an diesem 1. Advent in Braunschweig? „Suche Frieden und jage ihm nach!“„Schalom“, so heißt „Frieden“ im hebräischen Original. Das Wort bedeutet mehr als die Abwesenheit von Krieg. Schalom, das steht für Freundschaft,für Freundlichkeit, für Wohlbefinden und Glück. Solchen Frieden kann man nicht herstellen wie einen Tisch oder einen Stuhl oder ein Auto. Es gibt dafür keine einfache Gebrauchsanleitung. Aber man kann Gott um Frieden bitten. Man kann sich im Segen unter Gottes Frieden stellen. Man kann sich zum Friedengebet versammeln –so wie wir heute hier im Dom. Denn „Schalom“ ist keine Privatangelegenheit. Gemeint ist damit immer auch das Miteinander unter uns Menschen. Mit der Sehnsucht nach „Schalom“ im Kopf und im Herzen sollen wir also Frieden suchen in unserer Welt, so wie man einen Schatz sucht. Wir sollen ihm entschlossen nachjagen, wie eine Fußballmannschaft, die alles für den Sieg einsetzt. Es gilt das gesprochene Wort! In welche Richtung muss man suchen? Wem muss man nachjagen? Jesus von Nazareth sagt seinen Jüngern: „Liebt eure Feinde; tut wohl denen,die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“ (Lk 6,27.28). Die Liebe ist unteilbar.

Egal wie gut oder schlecht mein Verhältnis zu einem Menschen ist, nichts gibt mir das Recht, ihm mit Hass zu begegnen, nichts entbindet mich von der Pflicht zur Mitmenschlichkeit. Wer sich auf den christlichen Glauben beruft, hat den Auftrag, die Spaltung zwischen Menschen zu überwinden und Vertrauen zu stiften – über alle kulturellen, religiösen und sozialen Grenzen hinweg. Der Glaube an Jesus Christus zielt auf Versöhnung und Verständigung. Sonst stimmt etwas nicht. Wer dem Frieden nachjagt, teilt Menschen nicht in Gruppen ein, um sich selbst aufzuwerten und andere abzuwerten. Er sieht ohne Unterschied in allen Menschen Kinder Gottes. Wer den Frieden sucht, schürt nicht Misstrauen und Angst, sondern sucht das Gemeinsame. Wer dem Frieden nachjagt, verletzt Menschen nicht mit vulgären oder höhnischen Bemerkungen, sondern spricht respektvoll von ihnen und mit ihnen. Wenn Kultur so definiert wird, dass Nationen und Religionen voneinandergetrennt und Feindbilder aufgebaut werden, wenn Minderheiten abgewertet und als Sündenböcke missbraucht werden, wenn Sprache verroht,dann müssen wir als Christen entschieden in den Widerstand gehen, privat und öffentlich. Wir dürfen nicht schweigen und wegsehen, wenn behauptet wird, Menschen könnten unterschiedlichen Wert haben. Ich bin deshalb froh, dass heute so viele Menschen gegen das Erstarken rechtsextremer und antisemitischer Positionen demonstrieren und für eine Gesellschaft eintreten,in der Menschen gleichberechtigt, frei und ohne Angst leben können, in der Armut und Ausgrenzung bekämpft werden und Opfer von Krieg und Gewalt eine Zuflucht finden.

Zugleich müssen wir uns auch fragen: Warum finden Wut und Hass soviel Resonanz? Warum wählen Menschen in ganz Europa in zunehmendem Maß Parteien, die in Programmatik und Sprache auf Ausgrenzung und Abwertung setzen? Welche gesellschaftlichen Risse zeigen sich in dieser Entwicklung? Welche Faktoren begünstigen Hass und Ausgrenzung? Und was können wir dazu beitragen, um in einer solchen Situation versöhnend und friedensstiftend zu wirken?Wenn Jesus davon spricht, seine Feinde zu lieben, dann heißt das auch,auf jede Form der Selbstgerechtigkeit zu verzichten und selbstkritisch danach zu fragen, was wir dazu beitragen können, Brüche in unserer Gesellschaft zu überwinden oder sie wenigstens kleiner zu machen, jedenfalls nicht noch zu verschärfen. Wir wollen Brückenbauer und Friedensstiftersein. Das ist unser Auftrag. Dazu gebe uns Gott seinen Segen. Amen.