Braunschweig. 800 Interessierte kommen zur Regionalkonferenz nach Braunschweig. Klimaaktivisten protestieren vor der Tür.
Es ist Freitag, und es geht um die Zukunft – und so passt es ins Bild, dass im Vorfeld der 17. von bundesweit 23 SPD-Regionalkonferenzen in der Braunschweiger Stadthalle Umweltaktivisten für mehr Engagement beim Klimaschutz protestierten. Sie befinden das von der Bundesregierung in der vergangenen Woche geschnürte Klimapaket als viel zu leicht und nennen es „Klimapäckchen“. Symbolisch wird vor der Halle für mehr Standhaftigkeit in dieser Frage „gekegelt“. Für die, die künftig die SPD führen, gelte das gleiche Prinzip wie für die Kegel auf der Kegelbahn: umfallen oder aufstehen. Etwa 50 Menschen sind dem Aufruf der Gruppe „Campact“ gefolgt.
Ein Adressat ihres Protests sitzt drinnen und diskutiert vor etwa 800 Parteimitgliedern und angemeldeten Besuchern über die Fragen, die die SPD bei der Kandidatenkür umtreiben. Es ist Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz, der als Herr der Etats über das Klimapaket mitbestimmt hatte. Welchen Weg muss die SPD in Zukunft einschlagen? Auf welche Themen muss sie setzen? Welchen Politikstil wagen, um den Weg raus aus dem Umfragetief und dem damit verbundenden Bedeutungsverlust zu schaffen? Zusammen mit der Brandenburger Politologin Klara Geywitz bewirbt sich Scholz auf das Amt des Parteivorsitzenden. Insgesamt gehen sieben Teams ins Rennen. In Braunschweig ist die Zurückhaltung der Basis gegenüber dem Vizekanzler deutlich zu spüren.
Michael Roth und Norbert Walter-Borjans werden bejubelt
Mehr Applaus bekommen an diesem Abend andere. Der Staatssekretär Michael Roth gibt sich sehr kämpferisch, und auch Norbert Walter-Borjans, früher NRW-Finanzminister, und dessen Partnerin Saskia Esken werden stärker bejubelt. Scholz setzt auf das Staatsmännische, für die Seele der Partei hat er wenig im Gepäck. „Die SPD wird in einer immer unruhigeren Welt, in einer Zeit immer größerer Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt gebraucht, damit die Gesellschaft nicht gespalten wird“, sagt er.
Heimspiel für Innenminister Boris Pistorius
Für Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius – er bildet mit der Sächsin Petra Köpping ein Kandidatenteam – ist der Auftritt in Braunschweig quasi ein Heimspiel. „Ich freue mich, hier zu sein und so viele alte Wegbegleiter zu sehen“, sagt der gebürtige Osnabrücker zur Begrüßung. Inhaltlich bleibt es etwas unbestimmt. „Wir sind das Duo, das anders ist und nicht für Flügelkämpfe steht.“ Pistorius und Köpping betonen die Bedeutung der Kommunen als „Wiege der Demokratie“. Seine Partei dürfe nicht vergessen, dass man Dank der SPD „in dem besten Deutschland lebe“, das man je hatte, erklärt Pistorius.
Kandidaten für SPD-Parteivorsitz stellen sich in Braunschweig vor
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Walter-Borjans vergleicht den Zustand seiner Partei mit einem Bus. „Früher saßen mehr drin. Und wir haben viel zu lange auf die Ratgeber, die den Bus auf den falschen Weg geführt haben, gehört. Das hat denen genutzt, aber nicht uns. Wir brauchen endlich neue Fahrer“, begründet er seine Bewerbung für den Vorsitz. Die SPD sei noch immer das Bollwerk gegen rechte Hetzer. Er verlangt Milliardeninvestitionen und ein Ende der „Schlanken-Staat-Politik“. In der Verkehrspolitik bringt er ein Tempolimit ins Spiel. Etwas, das überall in Europa schon durchgesetzt worden sei.
Karl Lauterbach hält verkehrspolitische Wende für nötig
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der zusammen mit der Umweltexpertin Nina Scheer antritt, hält ebenfalls eine verkehrspolitische Wende für nötig. „Eine Politik, die die Umwelt vergiftet und die Menschen krank macht, kann keine Politik der SPD sein.“ Lauterbach fordert auch in Braunschweig das sofortige Ende der Groko in Berlin. Man dürfe keine Angst davor haben, aus der Koalition herauszugehen.
Während das Kandidatenpaar Hilde Mattheis und Dierk Hirschel betonen, die SPD müsse „der“ politische Vertreter der deutschen Arbeitnehmerschaft bleiben, halten das Duo Gesine Schwan und Ralf Stegner eine neue Ausrichtung in der Außenpolitik für geboten. SPD-Bundesvize Stegner betont auch die moralische Verantwortung seiner Partei „Keine Waffenexporte mehr an Diktatoren.“ Er redet so schnell, dass selbst Partnerin Schwan „nur die Hälfte“ versteht. Die sagt: „Wir sind ein Team, das verlässlich ist und nicht falsch paktiert, um seine politischen Ziele zu erreichen.“
Schwan sorgt bei der durchgetakteten Veranstaltung bei den Organisatoren kurzzeitig für ein wenig Verwirrung. Der Zeitplan gerät leicht ins Rutschen, weil sie fünf Minuten zu spät eintrifft. Sie hatte den Weg vom Hauptbahnhof klimaneutral zu Fuß bestritten. Die Aktivisten vor der Halle wird es gefreut haben.