Braunschweig. Zukunft in Braunschweig: Mehr Einwohner, mehr Firmen, mehr Arbeitsplätze – und auch jede Menge Herausforderungen.

Im Jahr 1551 hat wohl niemand daran gedacht, dass die Stadt, die gerade ihren Namen Brunswiek gegen Braunschweig eingetauscht hatte, irgendwann einmal mehr als 250.000 Einwohner zählen würde. Zwar standen schon damals, wie auch Jahrtausende zuvor, Zukunftsvorhersagen hoch im Kurs. Doch mitten im 16. Jahrhundert, als Braunschweig erst knapp 16.000 Menschen zählte, handelte es sich dabei recht häufig um Prophezeiungen eines baldigen Endes der Welt. Wer denkt da schon an das Jahr 2018? Heute liegen Vorhersagen immer noch im Trend, allerdings basieren sie in den meisten Fällen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und weniger auf Glaskugelblicken und Handleserei.

Viele Menschen wollen hier wohnen, studieren und arbeiten

Braunschweig wächst. Die Förderbank des Landes Niedersachsen, die N-Bank, geht davon aus, dass die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2035 um neun Prozent auf knapp 274.500 steigen wird. Das wird den Prognosen zufolge dazu führen, dass es mit 159.809 Wohnungen elf Prozent mehr geben muss als im Jahr 2015.

Schon lange ist bekannt: In vielen Ballungsgebieten Niedersachsens mangelt es an bezahlbarem Wohnraum. Um der steigenden Nachfrage zu begegnen, muss mehr gebaut werden. Der Wohnungsneubau jedoch hinkt vielerorts hinterher – auch in Braunschweig, meint Timo Sass, Geschäftsführer des Mietervereins Braunschweig und Umgebung: „Die notwendigen Neubauten von bezahlbaren Wohnungen liegen derzeit noch weit hinter dem Bedarf.“ Mit einer Entspannung sei vorerst nicht zu rechnen. Denn die Attraktivität Braunschweigs als Wohn- und Einkaufsstadt, aber auch als Wirtschaftsstandort sei hoch. Auch immer mehr Studenten zieht die Stadt an. Laut der TU Braunschweig ist die Zahl ihrer Studenten in den vergangenen 25 Jahren um 18 Prozent auf 20.116 gestiegen.

Da Wohnraum knapp ist, werden die Mieten weiter steigen, prophezeit Sass. Einen Hinweis darauf, dass Wohnraum schwer zu finden ist, liefert auch das Melderegister, wonach die Umzüge innerhalb der Stadt seit dem Jahr 2000 rückläufig sind. Gab es damals noch 22.406, waren es 2016 nur noch 17.635. Das ist ein Rückgang um mehr als 20 Prozent.

Auch Travis Töpke vom Unternehmen Haus und Grund sagt: „Solange das Angebot nicht erweitert wird, wird die Nachfrage nicht nachlassen.“ In Zeiten niedriger Zinsen investierten viele in den Kauf oder die Sanierung von Wohnungen. „Das führt zu höheren Mieten.“ Zwar würden auch Sozialwohnungen geschaffen, Bauen sei derzeit aber teuer. Ein weiterer Faktor sei auch die Nähe zu Wolfsburg, dem Hauptsitz von Volkswagen. „Wenn es VW gut geht, geht es auch der Immobilienbranche gut“, so Töpke.

Arbeitslosigkeit liegt auf einem Rekordtief

Auch auf dem Arbeitsmarkt sind die Aussichten gut. Laut Gerald Witt, Leiter der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar, ist die Erwerbstätigkeit mit einer kurzen Unterbrechung im Krisenjahr 2009 seit zwölf Jahren im Aufwärtstrend. „Im gleichen Zeitraum hat die Arbeitslosigkeit deutlich abgenommen, mittlerweile ist ein Rekordtief erreicht.“ Im September lag die Quote bei 5,2 Prozent. Die Zahl der Beschäftigten ist erstmals auf mehr als 130.000 gestiegen. Doch beim Blick in die Zukunft warnt Witt auch: Ein strukturelles Problem sei, dass Arbeitslose mit ihrer Qualifikation oft nicht zu den Bedarfen der Betriebe passten. Auch gebe es viele Langzeitarbeitslose. „Dies wird den Arbeitsmarkt vor Herausforderungen stellen.“

Die Jobs schaffen unter anderem die Braunschweiger Firmen, die bei der IHK gelistet sind. Ihre Zahl ist in einem Zeitraum von fünf Jahren laut der jüngsten Zahlen von 2016 um fast zehn Prozent auf 3978 gestiegen. Laut Bernd Meier, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Braunschweig kann die hiesige Wirtschaft auch weiterhin positiv in die Zukunft blicken, wenn die richtigen Weichen gestellt werden.

Dazu zählt er die Qualitätssicherung an den allgemeinbildenden und Berufsschulen, die Ausweisung von Industrie- und Gewerbeflächen, die Intensivierung der regionalen Zusammenarbeit und die weitere Forcierung des Regionalmarketings, um die Attraktivität der Region auch für Fach- und Führungskräfte aus anderen Teilen Deutschlands und der Welt herauszustellen.

Viele Handwerksbetriebe finden keinen Nachfolger

Um Fach- und Führungskräfte ringen auch die Handwerksbetriebe. Zwar stieg ihre Zahl nach dem Jahr 2004 stark an – damals entfiel für viele Berufe eine verpflichtende Meisterprüfung. „Derzeit sind die Zahlen aber leicht rückläufig“, sagt Detlef Bade, Präsident der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. Die Zahl der Braunschweiger Betriebe erreichte 2010 mit 2460 Unternehmen ihren Höhepunkt – im Jahr 2016 waren es noch 2399.

Bade erkennt darin einen Trend: Viele Betriebe fänden keinen Nachfolger. Die gute Konjunktur und damit die Chancen, eine Arbeitsstelle zu finden, halte die Zahl der Existenzgründungen klein. Sollte sich gesetzlich und gesamtwirtschaftlich nichts ändern, rechnet Bade mit einer Polarisierung: Zurück blieben Kleinstbetriebe, die großen Handwerksbetrieben gegenüber stehen.

Und was wird der Braunschweiger so ganz privat zurücklassen? Laut dem Entsorger Alba im Jahr 2025 zwar etwas weniger Glas- und Metallabfälle, ansonsten aber ungefähr das, was auch 2014 so anfiel: 112 Kilogramm Bioabfall pro Person und Jahr beispielsweise sowie 7,5 Kilo Windeln und 150 Kilo Restmüll. Vielleicht wird diese Masse an Müll irgendwann einmal stark sinken. Vielleicht erfindet ein Braunschweiger den müllfreien Haushalt. Bis dahin ein Hoch auf die Mülltonne! 1551 musste noch die Gosse herhalten.