Braunschweig. Der Energieversorger lässt jetzt prüfen, welche Alternativen genehmigungsfähig sind: Biomasse, Gasturbine und Abwärmeleitung vom Stahlwerk Salzgitter.

Spätestens im Jahr 2022 will BS Energy das Heizkraftwerk Mitte an der Hamburger Straße vom Netz nehmen. Seit etlichen Monaten prüft der Braunschweiger Energieversorger alternative Wege der Erzeugung von Strom und Wärme. Drei Varianten sind im Gespräch: 1. Ein Biomasse-Heizkraftwerk (Altholz) kombiniert mit einem Gasturbinen-Heizkraftwerk (Erdgas). 2. Eine Abwärmeleitung vom Stahlwerk der Salzgitter AG kombiniert mit dem Gasturbinen-Heizkraftwerk. 3. Die Abwärmeleitung kombiniert mit dem Biomasse-Heizkraftwerk.

Jetzt werden die Schritte zum Kohleausstieg konkret: Wie das Unternehmen mitteilt, wurden beim Gewerbeaufsichtsamt Unterlagen eingereicht. Die Behörde soll prüfen, ob neue Anlagen auf dem Gelände des Heizkraftwerks erbaut werden können und genehmigungsfähig sind. Außerdem habe man Gespräche mit Grundstückseigentümern an einer möglichen Abwärmetrasse von Salzgitter nach Braunschweig aufgenommen.

Altholz und Erdgas statt Steinkohle

Das Steinkohle-Kraftwerk könnte durch ein Biomasse-Heizkraftwerk (Altholz) samt Brennstofflager sowie durch ein Gasturbinen-Heizkraftwerk ersetzt werden. „Ergänzend dazu wird auch der Umbau der Spitzenlastkessel zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit beantragt“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Im Biomasse-Heizkraftwerk würde vor allem Altholz aus der Region als Brennstoff zum Einsatz kommen - etwa Möbel, Leimholzplatten, Dielen, Bahnschwellen, Dachsparren und Fenster. Die Vorteile aus Sicht des Unternehmens: Der Brennstoff sei günstig und klimafreundlich. Altholz sei auch langfristig in ausreichenden Mengen verfügbar. Bei der Verbrennung des Holzes werde nicht mehr Treibhausgas freigesetzt, als das Holz bei seinem Wachstum aufgenommen und gespeichert habe.

Ein Gasturbinen-Heizkraftwerk könne zudem innerhalb weniger Minuten unter Volllast arbeiten - die Leistung lasse sich in kurzer Zeit hoch- oder herunterregeln. Dies sei insbesondere in einem Umfeld mit zunehmender, oft wechselnder Einspeisung von Wind- und Solarstrom sinnvoll.

Die Abwärmeleitung würde überwiegend unterirdisch verlaufen

Das Unternehmen erwägt auch den Bau einer rund 20 Kilometer langen Abwärmetrasse von der Salzgitter AG nach Braunschweig. Im Stahlwerk würde Wasser mit bisher nicht genutzter Abwärme auf 130 Grad erwärmt und dann nach Braunschweig gepumpt. Hier könnte die Wärme in der Weststadt in das Fernwärme-Netz eingespeist werden.

„Um einen optimalen Trassenverlauf zu finden, wurden zahlreiche Varianten betrachtet“, so BS Energy. Nun fänden Gespräche mit Grundstückseigentümern statt. Da es sich hauptsächlich um landwirtschaftlich genutzte Flächen handele, sei man auch in Verhandlungen mit dem Landvolk Niedersachsen.

„Die derzeitige Planung sieht vor, dass die Leitung vorwiegend unterirdisch verlaufen würde, außer etwa an Brücken“, teilt das Unternehmen mit. „Ziel ist es, einen Routenverlauf zu finden, der möglichst geringe Umweltauswirkungen hat. Gleiches gilt für die Auswahl von Technologien und Verfahren bei der Verlegung der Abwärmeleitung, die in der Weststadt auf dem Gelände des bestehenden Heizwerks West an das bestehende Netz angeschlossen werden würde.“

Aus Sicht von BS Energy hätte diese Lösung den Vorteil, dass weder zusätzliche Treibhausgas-Emissionen entstehen, noch Abgase bei der Wärmeproduktion. Zudem wäre die Wärmeproduktion unabhängig von der Preissituation auf dem Strommarkt.

Das Riskante bei dieser Variante: Die Abhängigkeit von der Salzgitter AG wäre recht hoch. Dazu hatte BS Energy schon im vergangenen Jahr erläutert, dass die Versorgung Braunschweigs mit Fernwärme in jedem Fall gesichert sei: „Dazu könnten kurzfristig mehrere Spitzenlast-Gaskessel hochgefahren werden, die grundsätzlich zur Absicherung zur Verfügung stehen, zum Beispiel bei Wartungsarbeiten im Hüttenwerk oder an der Abwärmeleitung. Ebenso könnte auch auf Reservekapazitäten des Kraftwerkes der Salzgitter Flachstahl GmbH zurückgegriffen werden.“

Zwischen der Salzgitter Flachstahl GmbH und BS Energy sei bereits eine Vereinbarung über die Wärmelieferung für eine Dauer von 20 Jahren unterzeichnet worden. Diese enthalte neben den Liefer- und Abnahmebedingungen zur Fernwärmelieferung auch Absprachen zu Mindestverfügbarkeiten und Ersatzansprüchen. Das Kraftwerk der Salzgitter Flachstahl GmbH biete eine zusätzliche Absicherung der Lieferbedingungen.

Seitens der Salzgitter Flachstahl GmbH hieß es schon vor einigen Monaten, man nutze Abwärme bereits im großen Maße, um die eigenen Prozesse energieeffizient zu betreiben. „Die für BS Energy vorgesehene Abwärme kann derzeit nicht sinnvoll in die eigenen Hochtemperaturprozesse integriert werden und könnte daher als Fernwärme eingesetzt werden“, so Konzernsprecher Bernhard Kleinermann. „Damit würden auch die letzten Abwärme-Quellen ökologisch sinnvoll genutzt werden. Die regionale Zusammenarbeit mit BS Energy könnte als Leuchtturmprojekt gewertet werden: Fernwärme aus industriellen Quellen für Städte und Gemeinden ersetzt die eigene Fernwärmeerzeugung aus fossilen Brennstoffen.“

Noch in diesem Jahr soll eine endgültige Entscheidung fallen

Grünes Licht vom Gewerbeaufsichtsamt ist laut BS Energy ebenso Voraussetzung für die Entscheidung zur zukünftigen Erzeugungsstrategie wie eine Einigung mit Grundstückseigentümern an einer möglichen Abwärmetrasse. Entscheidend ist außerdem, in welchem Umfang der Bund alternative Energieerzeugungsanlagen fördert. Noch in diesem Jahr sollen die Planungen für alle Varianten abgeschlossen sein, damit im Anschluss eine Entscheidung getroffen werden könne.

Die bestehende Gas- und Dampfturbinen-Anlage am Heizkraftwerk Mitte soll künftig das Herzstück der Energieerzeugung an der Hamburger Straße sein. Die drei Varianten, die jetzt geprüft würden, seien Ergänzungen. Sie alle führen laut BS Energy dazu, dass die Emissionen von Kohlendioxid, Stickstoffoxiden und Schwefeloxiden deutlich sinken.

Der Antrag des Unternehmens liegt vom 4. Juli bis 3. August für alle Interessierten in den Räumlichkeiten des Gewerbeaufsichtsamt sowie in der Abteilung Umweltschutz, Umweltplanung der Stadt Braunschweig aus und ist im Internet auf der Homepage des Gewerbeaufsichtsamtes einsehbar.