Dieppe. Nach über 40 Jahren schickt die Renault-Tochter Alpine erneut eine A110 auf die Straße – die Preise beginnen bei 55 000 Euro.

Wer auch immer bei Renault für das Projekt Alpine das „Go!“ gegeben hat, Liebhaber der Marke dürften ihm ewig danken – und neue Kunden wohl auch. Worte wie „Hommage“ und

„Legende“ nehmen Autobauer ja gern in den Mund, wenn es um die Neuauflage eines historischen Modells geht. Doch bei der Realisierung trennt sich schnell die Spreu vom Weizen.

Nicht so bei Alpine. Hier scheinen Leidenschaft und Fingerspitzengefühl mit der Automobilgeschichte eine optimale Symbiose eingegangen zu sein. Ansonsten wäre da nicht so ein Fahrzeug wie die A110 herausgekommen. Kenner der Szene kriegen bereits bei dem Kürzel eine Gänsehaut. Die Original-Alpine A110 zählte, obwohl in 15 Jahren nur rund 7000-mal gebaut, zu den berühmtesten Sportwagen – klein, knuffig, agil, schnell und puristisch. Den Mythos beflügelte nicht zuletzt der Motorsport. Die Flunder, nur 3,85 Meter kurz, driftete sich in die Herzen der Fans, gewann 1971 und 1973 im Rallye-Trimm sogar die berühmte „Monte“ und wurde 1973 zugleich Weltmeister.

Nun steht quasi der Enkel an der Startlinie – mit gleichem Namen. Er ist eine moderne Interpretation des Originals, stimmig in Design und in Proportionen, nicht zu viel Retro, aber wesentliche Elemente beibehalten. Wie gut die neue A110 beim Publikum ankommt, zeigen die Bestelleingänge. Kurz nach Weltpremiere im März auf dem Genfer Autosalon eröffnete Renault das Orderbuch für die „Première Édition“, eine auf 1955 Stück limitierte Erstauflage für 58 000 Euro. „In nur fünf Tagen waren alle A110 verkauft“, sagt Alpine-Geschäftsführer Michael van der Sande. Wer heute eine Alpine bestellt, muss bis 2019 warten.

Die sieben Gänge wechseln

im Bruchteil einer Sekunde

Die Entwicklung begann auf einem weißen Blatt Papier. Ganz oben im Lastenheft stand „geringstes Gewicht in der Klasse“, zweifellos eine Kernbotschaft für Sportwagen, die aber zu wenige Hersteller beherzigen und die eine Grundvoraussetzung für gute Agilität ist. Gleichzeitig sollte volle Alltagstauglichkeit gewährleistet sein. All dies gelang den Ingenieuren in sehr guter Ausprägung. Das Auto wiegt nur 1103 Kilogramm. Die Karosserie besteht aus

Aluminium, ebenso das Fahrwerk. Hinter den Sitzen arbeitet

ein 1,8-Liter-Vierzylinder-Turbo-benziner mit 185 kW/252 PS in Kombination mit einem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. „Natürlich hätten wir mehr Leistung herausholen können“, sagt Chefingenieur David Twohig, „dies aber hätte größere Bremsen, einen größeren Kühler, größere Räder und mehr Gewicht bedeutet.“

Eben weil der Wagen so wenig Gewicht auf die Waage bringt, konnten die Entwickler auch die Federung weicher abstimmen. Sehr präzise lässt sich die Alpine einlenken, folgt stoisch der Biegung und drückt sich am Ausgang der Kurve wunderbar mit dem Heck ab. Eine leere Landstraße gerät so zum bevorzugten Revier des 4,18 Meter kurzen Coupés. Die sieben Gänge, geschaltet über Aluminium-Wippen an der Lenksäule, wechseln im Bruchteil einer Sekunde. Das Lederlenkrad liegt griffig in der Hand, die Insassen umschließen perfekt ausgeformte Schalensitze.

Sogar einen Fahrmodusschalter gibt es. Gewählt wird zwischen Normal, Sport und Race. Richtung Sport stellt die Elektronik alles etwas schärfer. Die Anzeigen im Display ändern sich, die Gänge drehen länger aus, das Gaspedal reagiert spontaner, das ESP lässt ein wenig Drift zu.

Zugutehalten muss man den Ingenieuren: Es gibt keinen Soundverstärker wie bisweilen bei anderen Herstellern. Die Alpine klingt ehrlich nach Vierzylinder. Der Motor ist präsent, erreicht aber keinen nervigen Pegel. Einzige Einschränkung könnte die

Gepäckkapazität sein. Bedingt durch die Mittelmotorkonzeption gibt es zwei Kofferräume. Vorne passen 100 Liter, hinten 96 Liter hinein. Für zwei bis drei Reisetaschen reicht das allemal.

Hergestellt wird die Alpine A110 wie früher im französischen Dieppe. Im September wird die Produktion der „Première Édition“ abgeschlossen sein. Dann beginnt der Bau der normalen Modelle. Sie haben etwas weniger Ausstattung, keine Schalensitze, andere Räder und kosten rund 55 000 Euro.