Osterode. Zwei Landwirte aus dem Altkreis Osterode und Politiker ziehen eine Zwischenbilanz zu den Bauern-Demos. Was Autofahrer wissen müssen.

Das Landvolk Northeim-Osterode ruft zu einer Sternfahrt nach Northeim auf. Am Mittwoch, 31. Januar, sind Landwirte aus der Region angehalten, mit ihren Treckern über Bundesstraßen nach Northeim zu fahren, sodass sie um 10 Uhr am nächstgelegenen Ortsschild eintreffen. Von dort aus soll eine Konvoi-Fahrt durch die Stadt führen.

Gegen 11 Uhr werden die Trecker voraussichtlich die Heimreise antreten und dafür wieder Bundesstraßen benutzen. Verkehrsteilnehmer sollten sich also auf Behinderungen auf der B241, B243 und B21 zwischen dem Altkreis Osterode und Northeim einstellen. Das Landvolk will damit die Forderungen unterstreichen, die Landwirte aus ganz Deutschland an die Bundesregierung stellen.

Was fordern die Landwirte aus dem Altkreis Osterode und ganz Deutschland?

„Bürokratieabbau? Bisher ist es immer mehr Bürokratie geworden, wenn Politiker dieses Wort in den Mund genommen haben“, sagt Jonas Kenner, Landwirt, Vorstandsmitglied des Landvolks Northeim-Osterode und stellvertretender Ortsbürgermeister von Pöhlde. Er bezieht sich damit auf Äußerungen von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der die Steuervergünstigung für Agrardiesel zwar weiterhin schrittweise abschaffen, aber den Landwirten in anderen Bereich entgegenkommen möchte – zum Beispiel, indem die viel beklagte Büroarbeit erleichtert wird. Hintergrund sind die Demonstrationen der Landwirte, die begannen, als die Bundesregierung vor Weihnachten aufgrund von Sparmaßnahmen ankündigte, dass die Agrardieselvergünstigung und das grüne Kennzeichen wegfallen sollen. Ein grünes Kennzeichen haben Landwirtschaftsmaschinen, die von der Kfz-Steuer befreit sind.

Die Landwirte gingen daraufhin auf die Straße, um zu protestieren – mit Trecker-Demonstrationen, Straßenblockaden und Kundgebungen, zum Beispiel in

, Hannover, Northeim und Göttingen. Erreicht haben sie, dass das grüne Kennzeichen bleibt. Aber damit sind sie noch nicht zufrieden. Der Vorwurf: Seit Jahren verkompliziert die Politik den Landwirten das Arbeiten – nun soll endlich Schluss damit sein. Den Protestaktionen, die auch im Altkreis Osterode stattfanden, schlossen sich neben Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, weitere Unternehmer, Handwerker und Privatleute an, die das ähnlich sehen.

Kenner erklärt, was insbesondere die Landwirte an der Politik stört: „Die Gesellschaft fordert Tierwohl und eine umwelt- und klimafreundliche Produktion von Lebensmitteln. Also schafft der Gesetzgeber entsprechende Vorgaben. Die machen die Produktion teurer. Das will der Verbraucher aber nicht zahlen und greift im Supermarkt deshalb zu günstigen Lebensmitteln, die im Ausland ohne Einhaltung der in Deutschland geltenden Regeln produziert worden sind.“ Kenners Fazit: „Wir reglementieren uns kaputt.“ Er würde sich wünschen, dass mehr Menschen im Alltag danach handeln, was sie in der Theorie fordern – zum Beispiel, indem sie deutsches Rindfleisch kaufen und nicht argentinisches. Da könne man sich zum einen über die artgerechte Haltung viel sicherer sein und zum anderen sei der CO₂-Abdruck allein wegen des Transports viel besser.

Was sagen Politiker aus der Region Osterode zu den Bauern-Protesten?

Trotzdem demonstrieren die Landwirte nicht gegen das Konsumverhalten der Verbraucher, sondern gegen die Politik der Bundesregierung. Gordon Fuchs, Mit-Organisator zahlreicher Protestaktionen rund um Bad Lauterberg und Bad Sachsa, sagt: „Was sollen die Verbraucher denn machen? Nicht mehr einkaufen gehen?“ Damit spielt er darauf an, dass eben alles miteinander vernetzt ist: Weltmarkt, Preisentwicklung, Produktion, …

Während einer bundesweiten Protestwoche der Landwirte mit Unterstützung von Handwerker und anderen Unternehmern führte das Landvolk Northeim-Osterode Gespräche mit Politikern und Politikerinnen aus der Region. Mit dabei waren seitens des Landvolks der Vorsitzende Claus Hartmann der Geschäftsführer Manuel Bartens und weitere ehrenamtlich Tätige. Seitens der Politik nahmen die Bundestagsabgeordneten Frauke Heiligenstadt (SPD) und Karolin Otte (Bündnis 90/Die Grünen) und der Landtagsabgeordnete Sebastian Penno (SPD) teil.

Heiligenstadt nimmt aus dem Gespräch mit: „Wichtig ist mir persönlich vor allen Dingen, dass die Betriebe und deren potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger Planungssicherheit haben und Investitionen in die Betriebe wieder auf einer verlässlichen Basis vorgenommen werden können.“ Was die Politik dafür tun kann? Die Koalitionsfraktionen wollen dafür sorgen, dass durch Änderungen im Baurecht und Anpassungen im Immissionsschutzrecht der Umbau von Ställen für mehr Tierwohl erleichtert wird, nennt die SPD-Politikerin ein Vorhaben der Regierung und fährt fort: „Wir streben ebenfalls an, dass im Rahmen eines Bundesprogramms der Umbau zu einer artgerechten Tierhaltung mit einer Anschubfinanzierung von einer Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt auf den Weg gebracht werden kann. Wir wollen mit dem Wachstumschancengesetz steuerliche Verbesserungen auch für Investitionen in der Land- und Forstwirtschaft erreichen. Hinzu kommt, dass wir Hürden beim Ausbau der erneuerbaren Energien unter anderem bei Agri-Photovoltaik-Anlagen, Moor-Photovoltaik- und Biogasanlagen senken wollen.

Karolin Otte und Sebastian Penno üben Kritik an der Bundesregierung

Otte sagt zur Lage der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland: „Aus meiner Perspektive hätten diese Kürzungen nicht in der Form passieren dürfen und sie hätten auch nicht passieren müssen, wenn wir eine gerechte Finanzpolitik mit einer Reform der Schuldenbremse zusammenbringen würden.“ Sie findet es richtig, dass die Kürzungen teilweise zurückgenommen wurden, betont aber: „Dieser Kompromiss löst jedoch nicht das Problem, dass die Landwirte zu wenig Geld für ihre Produkte bekommen“ und solidarisiert sich mit den Landwirten: „Daher kann ich die Proteste dort, wo es um Inhalte geht, gut verstehen.“

Für Penno haben die Protestaktionen deutlich gemacht, dass landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland „überdurchschnittlich durch das Sparpaket der Bundesregierung belastet werden“. Ebenso wie Otte äußert er Kritik am Vorgehen der Bundesregierung: „Wichtig wäre gewesen und wichtig ist, dass sich alle Beteiligten im Vorfeld einer solchen Entscheidung zusammensetzen, miteinander sprechen und Perspektiven erläutern. Die kurzfristige Verkündung von Sparmaßnahmen ohne eine langfristige Perspektive für unsere Landwirtinnen und Landwirte ist das Gegenteil.“ Er hofft, „dass sich unsere Bundesregierung langfristig ebenso hinter unsere Landwirtinnen und Landwirte stellt, wie das unsere niedersächsische Landesregierung mit unserem Ministerpräsidenten Stephan Weil von Anfang an getan hat“. Denn: „Eine zukunftsfähige Landwirtschaft funktioniert nur im Zusammenspiel zwischen Ländern, Bund und der EU.“

Sind die Landwirte rechtsextrem?

Zu den Vorwürfen, die Protestaktionen wären demokratiefeindlich und rechtsextrem, sagt Penno: „Ich bin auch nach den Gesprächen, die ich geführt habe, weiterhin davon überzeugt, dass unsere Landwirtinnen und Landwirte in keinster Weise unsere demokratischen Institutionen ablehnen. Wenn es im Rahmen der Protestaktionen, weniger in Niedersachsen als anderswo, zu solchen Äußerungen gekommen ist, waren das Menschen, die die friedlichen Proteste der Landwirtinnen und Landwirte ausnutzen wollten, um ihre grundsätzliche Ablehnung unserer Demokratie gegenüber zu zeigen. Hiervon haben sich im Übrigen alle Landwirtinnen und Landwirte, mit denen ich gesprochen habe, deutlich und auch öffentlich distanziert.“

Die Landwirte setzten ihren Protest bundesweit fort. Auch im Altkreis Osterode sind weitere Aktionen geplant. Gordon Fuchs und seine Kollegen organisieren zum Beispiel Infostände vor örtlichen Supermärkten. Dort wollen sie den Menschen die Landwirtschaft näher bringen und über Herausforderungen aufklären. Die Aktion findet am Samstag, 10. Februar, zwischen 10 und 14 Uhr vor dem Rewe und dem Edeka in Bad Sachsa und vor dem Edeka in Barbis statt.

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