Walkenried. Wenn es um Wurst geht ist die Fa. Rennschuh in Walkenried eine Institution. Doch Probleme belasten sie. Aufgeben ist aber keine Option.

Morgens um kurz vor 6 Uhr bereits 2 Brötchen und ein „Viertelchen“ Mett für das Frühstück abholen, ein stets wechselnder Mittagstisch, und abends gibt es vom Partyservice nach Hause geliefert den im Südharz schon fast legendären Grillteller: All dies bietet die Fleischerei Rennschuh in Walkenried ihren Kundinnen und Kunden. 150 Jahre und in fünfter Generation gibt es den Familienbetrieb im Klosterort nunmehr bereits, doch das Traditionsgeschäft ist in Gefahr. Explodierende Energiepreise, Nachwuchsmangel, bürokratische Hürden und auch das Alter bzw. die Gesundheit, die nach einem harten Arbeitsleben im Handwerk langsam ihren Tribut fordern – all dies bereitet den Inhabern Otto und Ramona Rennschuh Sorgen. Am Ende gibt es für das Unternehmen zwei Möglichkeiten: schließen oder neue Wege gehen. Die beiden haben sich für die Veränderung entschieden – und erklären im Gespräch mit unserer Redaktion, warum sie gerade auf Verständnis bei ihrer Stammkundschaft hoffen.

14-Stunden-Arbeitstage: So anstrengend ist der Fleischereibetrieb in Walkenried

12 Stunden - so lang ist das Traditionsgeschäft in Walkenried wochentags im Schnitt geöffnet, dazu kommt noch der Samstag bis mittags - und obendrauf der Partyservice. Rechnete man auch noch die Zeit für Reinigung usw. hinzukommt man schnell auf einen 13- bis 14-Stunden-Tag. Viel Arbeit für die Familie und ihre Mitarbeiter - und das bei stetig schlechter werdenden Rahmenbedingungen. Lange Zeit haben sich Otto und Ramona Rennschuh Gedanken gemacht, ob und wie es weitergehen kann. Wobei, wie beide im Gespräch erklären, kämpfen, um den Fortbestand der Firma in Walkenried wollten sie auf jeden Fall. Denn würden sie sich, für die Aufgabe des Geschäftes entscheiden, würde nicht nur ihre Familientradition enden, ein ganzer Handwerkszweig würde im Klosterort sein Ende finden. Seit vielen Jahren sind Rennschuhs der einzig verbliebene Fleischer in Walkenried. „Es geht dabei schon um Nahversorgung für Einwohner und Gäste, die wir natürlich aufrechterhalten wollen“, erklären beide unisono.

Otto Rennschuh bei der Arbeit im Schlachthaus. 
Otto Rennschuh bei der Arbeit im Schlachthaus.  © FMN | Thorsten Berthold

Dass es wichtig ist, dass die beiden sich für den Fortbestand entschieden haben, zeigen auch die nackten Zahlen. Bundesweit weist die Statistik des Deutschen Fleischer-Verbands in ihrem Jahresbericht 2023 zum Ende des Jahres 2022 gerade noch 10.335 selbstständige Betriebe aus. Ein Minus von 535 Unternehmen beziehungsweise 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allein in Niedersachsen waren es dabei 59 Geschäfte.

Personalmangel oder Energiepreise: Diese Probleme zwingen Fleischereien zur Aufgabe in Deutschland

Verantwortlich für die Betriebsstilllegungen waren laut Dachverband hauptsächlich das Erreichen der Altersgrenze der Inhaber und fehlender Nachfolger, aber auch die massiven Probleme bei der Gewinnung geeigneter Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Auszubildender. Hinzu kommen jetzt noch die explodierenden Energiepreise. Alles also die Probleme, die auch der Fleischerei Rennschuh zu schaffen machen.

„Wir können bei der Produktion unserer Erzeugnisse kaum Energie einsparen. Und auch die Kühlung muss bei Fleisch- und Wurstwaren stets gut funktionieren“, beschreibt Otto Rennschuh. Insofern ist man diesen Preissteigerungen nahezu schutzlos ausgeliefert. Dies belegt auch der Verband. Durch die eigene Herstellung der Produkte entstünden im Produktionsbereich hohe Energiekosten, die jetzt teilweise auf das Fünf- bis Sechsfache angestiegen sind. „Diese zusätzlichen Kosten sind vor allem auch deshalb eine Bedrohung für die Unternehmen, weil auch viele andere Kosten sprunghaft gestiegen sind“, erläutert der Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands, Herbert Dohrmann. Die Verkaufspreise können oft nicht im notwendigen Maß angepasst werden, sind sich der Verbandsvorsitzende, aber auch Rennschuhs sicher. Aber auch hoffen die Walkenrieder, dass die Menschen verstehen, dass ihre Waren künftig ihren Preis haben werden und auch müssten.

Hätten wir alle Forderungen der EU-Norm erfüllen wollen, hätten wir das Geld für ein komplett neues Schlachthaus investieren müssen.
Otto Rennschuh

Das Problem der gestiegenen Kosten hatte in dem Traditionsgeschäft, in dem in der Vergangenheit auch viele Fachkräfte ausgebildet wurden, bereits beim Thema Schlachten vor vielen Jahren erlebt. „Hätten wir alle Forderungen der EU-Norm erfüllen wollen, hätten wir das Geld für ein komplett neues Schlachthaus investieren müssen“, verdeutlichen beide. Auf diesen Schritt habe man verzichtet, bezieht das Fleisch aber weiterhin lokal.

Die Entwicklung der Ausbildungsverhältnisse im Beruf Fleischer zwischen den Jahren 2003 und 2022. 
Die Entwicklung der Ausbildungsverhältnisse im Beruf Fleischer zwischen den Jahren 2003 und 2022.  © Verband | Deutsche Fleischer-Verband

Überzeugen wollen sie trotz der schwierigen Rahmenbedingungen weiter mit der Qualität ihrer Erzeugnisse. „Wenn heute von Nachhaltigkeit gesprochen wird, dann geht es eben auch darum, dass die Menschen sich bewusst machen sollten, wo sie ihr Essen kaufen“, verdeutlicht Ramona Rennschuh. Denn gerade in Unternehmen wie ihren gebe es keine langen Lieferketten. „Wir wollen und werden nicht an dem Sparen, was unsere Produkte gut macht. Ob die guten Zutaten, das Fleisch an sich oder das handwerkliche Know-how.“

Diese Veränderungen wird es in der Fleischerei in Walkenried geben

Nicht umsonst finden sich eben seit 150 Jahren Liebhaber für die Art und Weise, wie man in Walkenried Mett oder Krautsalat zubereitet. Sogar eine gewisse Vorreiterrolle hatte man im Südharz beim Thema Partyservice übernommen in Zeiten, in denen noch niemand das Wort an sich kannte. Der Grillteller und andere Leckereien wurden in grünen Styropor-Boxen zum Warmhalten bereits gestellt bzw. geliefert. Aber auch heute noch liefert das Unternehmen freitags das bestellte Frühstück für die Mitarbeiter des Unternehmens St. Gobain Formula.

Ramona Rennschuh verpackt Ware. 
Ramona Rennschuh verpackt Ware.  © FMN | Thorsten Berthold

Wie aber will man nun aber die veränderte Lage reagieren bei Rennschuh? Allen voran, so beschreiben beide, werden demnächst die Öffnungszeiten verändert. Man verlagert das Geschäft im Laden, sprich streicht voraussichtlich mit der Ausnahme vom Freitag die Öffnungszeiten ab dem Mittag bzw. Nachmittag komplett, konzentriert sich auf den Vormittag. Beibehalten wird man aber die Öffnung am Samstag. „Das schont Ressourcen und auch unsere Kräfte“, erklären Otto und Ramona Rennschuh. Keine Änderungen werde es im Partyservice geben, dieser ist wie bislang auch nutzbar - „auch wenn der Laden geschlossen hat“, erklären beide.

Das Ziel im Südharz: Fleischerei soll noch lange erhalten bleiben

Otto und Ramona Rennschuh hoffen, dass diese Maßnahmen akzeptiert werden. „Wir wollen Durchhaltevermögen beweisen, können uns aber auch der Entwicklung nicht verschließen“, untermauern sie. Es sind eben Veränderungen, die anstehen, die das Geschäft verändern werden. Sie sollen aber dafür sorgen, dass das Fleischerhandwerk in Walkenried erhalten bleibt, 150 Jahre Familiengeschäft nicht enden - und es weiter Mett-Brötchen, Mittagstisch und den Grillteller im Klosterort gibt.

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