Osterode am Harz. Das Schlimmste ist überstanden, die Pegel sind gesunken: Anwohner und Politik berichten von ihren Erlebnissen. Doch wie geht es weiter in Katzenstein?

Noch säumen Sandsäcke die Erddämme am Ufer der Söse – ansonsten sieht es fast schon wieder normal aus in den Ortsteilen Katzenstein, Lasfelde und Petershütte von Osterode am Harz. Nach dem Hochwasser beginnen hier die langsam die Aufräumarbeiten. Bis aber gänzlich alles Material und Maschinen wieder abgebaut sein wird, vergehen wohl noch ein paar Tage. Optimistisch, aber misstrauisch, beobachten Einsatzkräfte und Verwaltung die Lage in den sogenannten Seestädten. Ortsbrandmeister Thomas Riedel aus Osterode fasst es Anfang der Woche zusammen: „Die Sösetalsperre ist mit der Füllmenge etwa da, wo sie bereits vor Weihnachten war. Da weiterhin Regen angesagt ist, lassen wir entlang des Flusses erstmal besser alles so.“ Doch wie geht es nun weiter im Sösetal?

Die Feiertage haben die Menschen in Katzenstein weniger unter dem Tannenbaum als im Schlamm verbracht. Renate und Horst Nacke leben in unmittelbarer Nähe zum Fluss – sie sind Hochwasser gewohnt. Dennoch haben sie die Zeit um Weihnachten als dramatisch empfunden: „Ich bewundere die Feuerwehrleute und die vielen Helfer, die hier tagelang angepackt haben“, erzählt der 81-jährige unserer Redaktion am Telefon. Und seine Frau ergänzt: „Die haben hier rund um die Uhr den Damm erhöht und gearbeitet. Das war beeindruckend.“ Aus Sicht der Eheleute Nacke ist am Ende noch mal alles halbwegs gutgegangen: „Es hat aber nicht viel gefehlt“, meint Horst Nacke. „Unter der Brücke rüber zur Firma Lüer war nicht mehr viel Platz.“ Seine Frau korrigiert ihn: „Das waren keine zehn Zentimeter mehr.“

Die Sandsäcke in Katzenstein bei Osterode am Harz bleiben erstmal liegen: Es sind weitere Regenfälle im Harz angekündigt.
Die Sandsäcke in Katzenstein bei Osterode am Harz bleiben erstmal liegen: Es sind weitere Regenfälle im Harz angekündigt. © FMN | Kevin Kulke

Wie Katzenstein der Hochwasser-Katastrophe entgehen konnte

Knapp war es in der Tat. Für die Nackes hat die Flut auch deswegen gleich mehrere Auswirkungen. Nicht nur ist ihr Hof blockiert – die Einsatzkräfte mussten die Zufahrt für ihre Logistik bis auf Weiteres sperren – auch ihr eigener Keller ist vollgelaufen. Das sind sie als Bewohner an der Söse aber schon regelrecht gewöhnt: „Seit ein paar Jahren haben wir eine automatische Pumpe im Keller, die ab einer bestimmten Wasserhöhe automatisch anspringt“, berichten sie dem Harz Kurier. Sie erinnern sich noch lebhaft an das verheerende Unwetter aus den 80ern, als es in Katzenstein wesentlich schlimmer zuging. Damals riss die Söse eine historische Brücke fort – die Nackes konnten es aus ihrem Haus live beobachten. Soweit ist es diesmal nicht gekommen. Auch, weil man nach den Erfahrungen damals Maßnahmen ergriffen hat.

Sandsäcke auf Paletten in Katzenstein. Sollte die Söse wider Erwarten doch wieder drohen über die Ufer zu treten, ist hier schon alles bereit.
Sandsäcke auf Paletten in Katzenstein. Sollte die Söse wider Erwarten doch wieder drohen über die Ufer zu treten, ist hier schon alles bereit. © FMN | Kevin Kulke

Hans-Jürgen Kohlstedt (SPD) ist Ortsbürgermeister und Mitglied der Feuerwehr in Katzenstein. Auch er hat jeden Tag mit angefasst, um seinen Ort vor dem Wasser zu schützen. „Es sind eine ganze Menge Keller vollgelaufen“, berichtet er. „Das hängt auch mit dem steigenden Grundwasserspiegel bei Hochwasser zusammen.“ Dass es aber zu keiner allzu schlimmen Katastrophe gekommen ist, habe aus seiner Sicht gleich mehrere Gründe: Zum einen hätten die Baumaßnahmen seit den 80ern gefruchtet. Die Dämme entlang der Söse hätten die Anwohner sehr viel besser geschützt als damals. Außerdem habe sich die Renaturierung der Brehmke in Petershütte absolut bezahlt gemacht: „Wäre der Bach hier noch in seinem Betonfundament gewesen, hätten wir einen wesentlich schlimmeren Schaden gehabt.“ So sei das Wasser lediglich in die Gärten gelaufen – und zwischenzeitlich längst abgeflossen.

Turnhalle in Katzenstein zur Notunterkunft umgebaut

Und es käme hinzu, dass die Söse im Vorfeld der Firma Lüer und an der Osterfeuerwiese den Platz hatte, sich auszudehnen. So konnte der schlimmste Schaden abgewendet werden, ist Kohlstedt überzeugt. Denn unweit der Wiese liegt nicht nur das Stromhaus, sondern auch das Abwasserhaus für die Gemeinden Lasfelde, Petershütte und Katzenstein. Wären diese vollgelaufen, hätte sich die Lage massiv verschlechtert, ist der Ortsbürgermeister überzeugt. Auch deswegen hatte der Krisenstab der Stadt Osterode schnell entschieden, die örtliche Turnhalle in Eile umzurüsten: 200 Menschen hätten hier im Falle des Falles untergebracht werden können.

Eine Maßnahme, die am Ende nicht nötig war. Dass alles glimpflich ausging, habe aber nicht zuletzt daran gelegen, dass die Menschen in Osterode fest zusammengehalten hätten, findet Kohlstedt: „Ich habe auf Whatsapp bei den Vereinen hier vor Ort nach fünf oder sechs Menschen gefragt, die helfen, die Turnhalle einzurichten. Dann sind einfach 40 Leute gekommen.“ Dass Anwohner, Firmen und freiwillige Helfer hier über die Feiertage alles gegeben haben, um den Ort zu schützen, erfüllt Kohlstedt mit Stolz: „Man merkt im positiven Sinne, dass wir hier auf dem Dorf leben.“

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Als es kritisch war, hätten alle mit angepackt. Kohlstedt berichtet auch, dass Jörg Lüer, Chef der Lüer Abbruch und Rekultivierung Gmbh, selbst Sandsäcke gefüllt habe an Weihnachten. Seine Firma und der dazugehörige Steinbruch bei Katzenstein waren vom Wasser regelrecht überspült worden. Für den Harz Kurier war in der ersten Januarwoche von Lüer leider niemand zu sprechen. Wie Andreas Bosch, Prokurist der Muttergesellschaft Rigips St. Gobain in Förste unserer Redaktion aber mitteilt, sei der Betrieb in Katzenstein um diese Jahreszeit sowieso traditionsgemäß im Winterstillstand. Gutes Timing, wenn man so will.

Für Hans-Jürgen Kohlstedt stellt sich nun die Frage, wie es weitergeht. Zum Wochenende möchte er mit Freiwilligen die Turnhalle wieder ausräumen – immerhin geht kommende Woche wieder die Schule los. Dann soll alles für die Kinder und die Vereine wieder nutzbar sein. Der Wetterbericht sieht unterdessen erstmal Frost vor. Wie die Feuerwehr Osterode sagt, müsse man etwas höhere Temperaturen abwarten, bis die Sandsäcke endgültig entfernt werden können aus den Seestädten. Bis dahin säumen sie weiterhin an strategischen Stellen die Straßenränder entlang der Söse.

Strategische Sandsäcke: Sollte das Wetter weiter schlecht bleiben, ist das Material sicherheitshalber schon vor Ort.
Strategische Sandsäcke: Sollte das Wetter weiter schlecht bleiben, ist das Material sicherheitshalber schon vor Ort. © FMN | Kevin Kulke

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