Lonau. Dritter Runder Tisch Pflege der SPD Herzberg mit Minister Philippi: Personalmangel, zu viel Dokumentation, zu wenig Wohnraum.

Illustre Gäste auf dem Podium, altbekannte Themen in der Diskussion und am Ende stellt Niedersachsens Gesundheits- und Sozialminister Andreas Philippi fest: „Wir haben in der Diskussion kein Ergebnis heute: Wir haben nicht genügend Mitarbeiter in der Pflege, hinzu kommen Schwierigkeiten für die vorhandenen Mitarbeiter bei der Kinderbetreuung. Alles hängt zusammen. Wir müssen ständig die Quadratur des Kreises schaffen.“

Es gibt keine einfache Lösung

Und damit ist nach drei Runden Tischen zum Thema Pflege, initiiert durch die SPD in Herzberg, auch klar: Es gibt keine einfache Lösung. Dabei saßen doch durchaus namhafte Personen neben Dr. Philippi auf dem Podium. Zum Beispiel Vera Lux, Vorsitzende des Pflegerates Niedersachsen. Platz genommen hatte auch Alexander Saade (SPD), MDL. Aus der Praxis saß auf dem Podium Johannes Richter, Geschäftsführer der Helios-Klinik in Herzberg. Moderiert hat die Diskussion Lars Lübbecke, Vorsitzender der SPD in Herzberg.

Probleme in der Pflege: Was kann die Politik tun?

Ansätze, um die Misere in der Pflege zu mildern, gibt es aber laut Dr. Andreas Philippi schon, wie er eingangs erklärte. „Eine Lösung ist, ausländische Pflegefachkräfte anzuwerben. Wie kriegen wir Fach- und Pflegekräfte her, damit beschäftigt sich mein Haus aktuell.“

Die Probleme in der Pflege habe man schon vor Jahren bemerkt, so der Minister weiter. Philippi hat in der Diskussion auch ein klares Ziel vor Augen: „Das Ziel muss sein, ein würdevolles und wenn nötig betreutes Altern zu ermöglichen und dafür passende Angebote zu machen.“ Schließlich habe jeder das Recht darauf. Die Pflege muss aber auch qualitativ hochwertig sein und da muss man laut Philippi dann auch über die Finanzierung reden.

Pflegegeld und Sachleistungen sind im Zuge des niedersächsischen Pflegegesetzes schon erhöht worden, der Eigenanteil für die stationäre Pflege sei weiterhin begrenzt worden, erklärte der Minister weiter, schränkte aber auch ein: „Das sind Schritte in die richtige Richtung, aber es reicht noch nicht.“

Minister Dr. Andreas Philippi spricht nach der Veranstaltung mit Zuhörern.
Minister Dr. Andreas Philippi spricht nach der Veranstaltung mit Zuhörern. © Kirsten Buchwald | Kirsten Buchwald

Für Pflegekräfte gebe es mit der Novelle des Pflegegesetzes endlich auch eine tarifgerechte Bezahlung und somit eine bessere Entlohnung. So sei es leichter, Fachkräfte zu finden und auch zu halten, meint der Minister.

Was ist die Konzertierte Aktion Pflege Niedersachsen?

In dem Zuge verwies er auf die „Konzertierte Aktion Pflege Niedersachsen“. Ein Steuerungskreis, der sich um genau die drängenden Probleme in der Pflege kümmern soll. Im vergangenen Jahr ist die Aktion gestartet, moderiert wird sie durch Minister Philippi. Neben der Bezahlung der Pflegekräfte hat man sich in der ersten Phase der Aktion auch um eine neue Kultur der Zusammenarbeit sowie um mehr Kurzzeitpflegeplätze bemüht. In der jetzigen Phase will man überlegen, wie mehr Fachkräfte in die Pflege kommen, wie man Bürokratie abbaut und wie man mehr Digitalisierung wagen kann. Außerdem soll es um Unterstützung für pflegende Angehörige gehen.

Mehr Studienplätze, mehr FSJ-Plätze, digitale Dokumentation - das waren weitere Stichpunkte des Ministers. Vor allem die überbordende Pflicht zur Dokumentation macht den Pflegekräften das Leben schwer im Alltag. Das Land Niedersachsen fördert daher bis zu 90 Prozent Projekte, die die digitale Dokumentation voranbringen. Komplett abschaffen will er sie nicht, aber reduzieren auf ein Mindestmaß.

Wir stellen fest, die Lage spitzt sich zu.
Vera Lux, Vorsitzende des niedersächsischen Pflegerates

Auch Vera Lux, Vorsitzende des Niedersächsischen Pflegerates, sagt: „Wir stellen fest, die Lage spitzt sich zu.“ Sie sieht: Häuser schließen aus diversen Gründen und damit gehen auch Ausbildungsplätze verloren. Die Ausbildung ist für sie denn auch eines der wichtigsten Themen. „In den drei Jahren der Ausbildung haben wir eine hohe Abbrecherquote oder die Azubis bestehen ihre Prüfungen nicht.“ Personal wird also händeringend gebraucht. Da geht es dann oft einfach auch um Pflegehilfskräfte, die viel Arbeit abnehmen können. „Der Pflegerat ist kein Freund von der Dequalifizierung der Ausbildung, aber wir brauchen eben auch Hände und Füße, die anpacken.“

Der Pflegerat ist kein Freund von der Dequalifizierung der Ausbildung, aber wir brauchen eben auch Hände und Füße, die anpacken.
Vera Lux, Vorsitzende des Pflegerates

Vera Lux und Johannes Richter im Gespräch.
Vera Lux und Johannes Richter im Gespräch. © Kirsten Buchwald | Kirsten Buchwald

Kann die generalistische Ausbildung die Personalnot lindern?

Die Personalnot, so konstatiert es dann auch Moderator Lars Lübbecke, sei das größte Problem. „Wird das vor allem durch die generalistische Ausbildung verursacht?“, fragte er in die Runde. Generalistisch - das heißt, dass Alten-, Kranken- und Kinderpflege in den ersten beiden Jahren der Ausbildung dieselben Inhalte haben, erst im dritten Jahr müssen sich die angehenden Fachkräfte für eine Richtung entscheiden.

Für Johannes Richter funktioniert das. Er erklärt: „Die meisten der Absolventen der generalistischen Ausbildung konnten wir übernehmen.“ Man habe auch die Ausbildungskapazitäten verdoppelt. Dennoch sagt auch er: „Die Abbrecherquote ist hoch. Das liegt aber nicht unbedingt an der generalistischen Ausbildung, sondern an der Entwicklung der Azubis. Die kommen heute mit ganz anderen Abschlüssen zu uns.“

Die Abbrecherquote ist hoch. Das liegt aber nicht unbedingt an der generalistischen Ausbildung, sondern an der Entwicklung der Azubis. Die kommen heute mit ganz anderen Abschlüssen zu uns.
Johannes Richter, Geschäftsführer der Helios-Klinik Herzberg

Nicht jeder schafft den Pflege-Abschluss

Viele junge Menschen, die heute in der Pflege durchstarten wollen, bringen familiäre oder psychische Probleme mit oder sind aus Kriegsgebieten hier her geflohen. Der Aufwand, diese jungen Menschen zu betreuen, ist höher als früher.

Dennoch sagt zum Beispiel Vera Lux: „Es schafft nicht jeder den Abschluss, aber es nutzt auch nichts, jeden in die Pflege zu lassen.“ Dennoch. Das Geld, das aktuell dafür verwendet wird, Vermittler zu bezahlen, die im Ausland nach Fachkräften suchen, solle man doch lieber in die gute Ausbildung vor Ort investieren.

Vera Lux: Ideal wäre eine Kombination aus gutem Gehalt und gutem Personalschlüssel

Die Pflege wandelt sich. Lars Lübbecke fasst das so zusammen: Es gibt mehr Verantwortung, mehr Tätigkeit, aber nicht mehr Personal. Wie sieht es denn da mit dem Personalschlüssel aus? Eine Antwort darauf hat Vera Lux: „Es muss ein adäquater Personalschlüssel her. Es braucht eine Kombination aus gut bezahlt und genug Personal, damit man auch ausreichend Zeit für die Patienten und Bewohner hat.“

SPD-Mitglied und Moderator Lars Lübbecke im Gespräch nach der Veranstaltung.
SPD-Mitglied und Moderator Lars Lübbecke im Gespräch nach der Veranstaltung. © Kirsten Buchwald | Kirsten Buchwald

Demgegenüber steht eine Herausforderung, die Johannes Richter ins Spiel bringt: „Die Bevölkerung wird immer älter. Wir haben in der Klinik in diesem Jahr schon Rekorde an stationärer Versorgung gebrochen.“

Es ist paradox, aber: Die Überalterung der Bevölkerung führt zu einem Mangel an passendem Wohnraum.
Alexander Saade, MdL

Es gibt zu wenig brauchbaren Wohnraum in der Region

Bürokratie und Personalmangel sind drängende Probleme. Ebenso wie fehlender Wohnraum. Kleiner Wohnraum. Dazu konnte Alexander Saade (SPD) etwas sagen: „Es ist paradox, aber: Die Überalterung der Bevölkerung führt zu einem Mangel an passendem Wohnraum.“ Das kann der SPDler auch erklären: Eine alleinstehende Dame zum Beispiel bewohnt das für sie mittlerweile viel zu groß gewordene Häuschen. Sie kann aber nirgendwo anders hinziehen, weil adäquater Wohnraum für sie fehlt. Das wiederum führt dazu, dass der Wohnraum für die junge Familie fehlt, die vielleicht gern das Häuschen bewohnen würde. „Ich hege daher viele Hoffnungen in die Landeswohnungsgesellschaft, die im kommenden Jahr an den Start gehen soll.“

MdL Alexander Saade im Gespräch mit Herzbergs Bürgermeister Christopher Wagner (links). Auch er besuchte die Dskussionsrunde.
MdL Alexander Saade im Gespräch mit Herzbergs Bürgermeister Christopher Wagner (links). Auch er besuchte die Dskussionsrunde. © Kirsten Buchwald | Kirsten Buchwald

„Aus der Notsituation ist heute die Regel geworden“, erklärt Minister Philippi dann fast am Ende.

Vielleicht liegt ein Lösungsansatz ja auch in der Flexibilität. Er und die anderen prominenten Gäste nehmen das Wort an diesem Abend öfters in den Mund. Vera Lux geht einen Schritt weiter und sagt. „Auch die Kunden und Patienten müssen vielleicht flexibler werden.“

Aus der Notsituation ist heute die Regel geworden.
Dr. Andreas Philippi, Niedersächsischer Minister für Gesundheit und Soziales

Am Ende stellt Moderator Lübbecke fest: „Wir haben keine konkreten Lösungen gefunden. Wichtig sollte aber dennoch immer sein: der Mensch muss im Mittelpunkt der Pflege stehen.“