Bad Lauterberg. Harz Kurier-Mitarbeiter Reiner Gniffke nimmt an einer Führung über das Gelände der Königshütte teil.

Seit dem Jahr 2010 steigt Thomas Böttcher von Mai bis zum Oktober eines Jahres immer am Dienstag in sein Auto, das in Sankt Andreasberg vor der Grube Samson steht, fährt hinab zur Königshütte in Bad Lauterberg. Dort erklärt er als Mitglied des Förderkreises Königshütte einer interessierten Zuhörerschaft, meist sind es Gäste der Kneippstadt, alles, was es über das Industriedenkmal zu erzählen gibt.

Eintauchen in eine vergangene Welt

Thomas Böttcher beginnt seine Führung gewöhnlich an den Walzwerken für Draht und Stabeisen. Wenn man in das Haus gelassen wird, hat man das Gefühl, in einen alten Keller zu kommen. Es hat dort drinnen eine eigene Temperatur, riecht ein wenig modrig und es liegt sehr viel in den Regalen mit vielen kleinen Fächern herum: Alte Plätteisen, wie sie die Oma der eigenen Oma noch benutzte, in die Jahre gekommene rostige Nägel oder schwere alte Eisengewichte. Machte man die Augen zu, setzte sich hin und ließ seine Gedanken ein paar hundert Jahre zurück kreisen, könnte man sich gut vorstellen, wie ein Mitarbeiter des Magazins die ankommenden Arbeiter nach ihren Wünschen fragte. Vor den Häusern waren noch Schienen zu erkennen, die aber lediglich zu Orten innerhalb des Geländes führten. Ein Gedanke, die Gleise an das normale Eisenbahnnetz anzuschließen, wurde verworfen, erfährt man in der Führung.

Blick auf einige auf der Königshütte hergestellte Gebrauchsgegenstände für den Haushalt. 
Blick auf einige auf der Königshütte hergestellte Gebrauchsgegenstände für den Haushalt.  © FMN | Reiner Gniffke

Einen zentralen Blickfang bietet der im Zentrum stehende Brunnen, aus dem Fontänen sprudeln. Man könnte annehmen, dass diese durch eine Pumpe zu ihren Wasserspielen getrieben werden, aber nein. Die recht hohen Wasserbögen schaffen es aus sich heraus, so hoch herauszusprudeln. Verantwortlich dafür ist eine Quelle mit dem Namen „Kalter Born“, die sich am Hang des Butterberges befindet. Durch den Brunnen wurde schon damals die Königshütte mit Trinkwasser versorgt. Auch heutzutage wäre es möglich, wird aber nur in den nahegelegenen Teich weitergeleitet.

Drahtseil wird im Südharz erfunden

Die gleich daneben liegende Maschinenfabrik war besonders interessant für die an diesem Tag mitgehenden Kinder. Sie konnten sich dort eine Blechbüchse erstellen lassen, die sie dann stolz ihren Eltern zeigten. Ein Blick in die Maschinenhalle erschließt einem selbst riesige Räume mit weit ausladenden Schwungrädern. Hier wurde, etwa mit Beginn des 19. Jahrhunderts gebohrt und gedreht. Die Ergebnisse sind dann auch im eben erwähnten Magazin gelagert worden. Im Jahr 1834 wurde an diesem Ort auch das Drahtseil erfunden. Daher auch der Name Drahthüttenweg.

In diesem Gebäude hat der Förderkreis sein Museum zur Königshütte eingerichtet. 
In diesem Gebäude hat der Förderkreis sein Museum zur Königshütte eingerichtet.  © FMN | Reiner Gniffke

Von der Hüttenschenke aus hat man einen guten Blick auf das sogenannte Formhaus. Hier wurde früher Kunstguss und Lehm geformt. Der obere Bereich ist durch Initiative des Förderkreises inzwischen restauriert worden. Ganz oben ist eine größere Uhr zu erkennen. Diese wurde im Jahr 1905 von einer bekannten Uhrenfabrik aus Bockenem mit dem Namen „Uhrwerksfabrik J.F.Weile“ platziert. Die Besonderheit des Uhrwerks wurde anlässlich einer früheren Führung durch einen Gast bestätigt, der Uhren gleichen Namens schon im Ausland entdeckt hatte.

Besonderes Gebäude bewundert

Beim Anhalten an der Faktorei kam Stauen auf. Dieses Gebäude, mit den früheren Wohnbereichen des Faktors, heute würde man Verwalter sagen, atmet regelrecht Geschichte. Im Jahr 1736 erbaut, steht es nahezu im Urzustand mit den unteren Büroräumen majestätisch vor einem. Über dem Eingang sind die Geschäftszeichen der Königshütte zu erkennen. Begrenzt von einer Königskrone und umgeben von Eichenlaub sind Schlegel und Eisen dargestellt.

Ein Projekt des Förderkreises. 
Ein Projekt des Förderkreises.  © FMN | Reiner Gniffke

Danach ging es rüber in die Gießhalle und in die Hochofenhütte. Ein gewaltiger Raum tat sich auf. Besonders an diesem Ort wird die Zwiespältigkeit der Anlage deutlich. Man verliert sich oft in der Faszination des Historischen, wird dann aber jäh ausgebremst durch herumliegende Gegenstände, unaufgeräumte Ecken, Staub, der sich über die Jahrhunderte angesammelt zu haben scheint. So steht man neben einer vor Ort irgendwann vor 100 Jahren oder früher erbauten Eisenkutsche und entdeckt daneben einen Laptop, der wohl bei der letzten Bestandsaufnahme vergessen wurde.

Bildhaft die Industriearbeit beschrieben

Nichtsdestotrotz, Böttcher versuchte den Geführten die Eindrücke, unter denen die Arbeiter ihren Job verrichten mussten, bildhaft darzustellen. Die Erwähnung, dass sich aus der Decke schon Teile gelöst hätten, ließ die Blicke des Öfteren nach oben richten.

Zum Abschluss ging es an einem Wohnhaus vorbei zum kleinen Museum. An der Seite ist ein Kasten angebracht, der für Interessierte einen Stempel anbietet. Auch am hinteren Teil des Gebäudes befindet sich solch eine Einrichtung. Die ist für ein erdachtes Kinderspiel, bei dem das Auffinden eben dieses Stempels nach einer Suchrallye das Ziel des Spiels ist. Dieses Haus war früher übrigens das Back- und Probierhaus.

Förderkreis hat ein Museum geschaffen

Der Förderkreis hat an dieser Stelle ein Spezialmuseum eingerichtet. In liebevoller Kleinarbeit ist beispielsweise die gesamte Königshütte dargestellt. Angewählt und einen Knopf drückend, konnte Thomas Böttcher den erstaunten Zuhörern auch typische Geräusche vermitteln, wie sie die Arbeiter seinerzeit täglich um sich hatten. Eine übersichtliche Karte zeigt an, wo in der Gegend die verschiedensten Metalle gefördert wurden.

Alles in allem ein lehrreicher Nachmittag, der aber über den Erhaltungszustand der Gesamtanlage zum Nachdenken führte.

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