Herzberg. 26 Jahre Schüleraustausch zwischen dem Liceum Ogólnokształcące im. Adama Mickiewicza w Górze und dem Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium.

Seit 30 Jahren besteht die Städtepartnerschaft zwischen Góra und Herzberg – doch beinahe genauso lang, 26 Jahre, besteht die Schulpartnerschaft zwischen dem Herzberger Ernst-Moritz-Arndt Gymnasium (EMAG) und dem Liceum Adam Mickiewicz in Góra.

Seit 1997 besteht zwischen dem EMAG und dem Liceum Adam Mickiewicz in Góra eine Partnerschaft, die in gegenseitigen Austauschbesuchen zum Ausdruck kommt. Alle zwei Jahre finden Besuch und Gegenbesuch mit rund zehn Schülerinnen und Schülern jeweils beider Schulen statt. Während der Pandemie musste der geplante Besuch der polnischen Gruppe in Herzberg virtuell durchgeführt werden. Seitens der Partnerschule in Góra organisiert seit 2004 die Deutschlehrerin Izabela Kucharska den Schüleraustausch allein, während sich am EMAG mehrere Lehrkräfte die Organisation und Durchführung teilen.

Trotz kultureller Unterschiede Gemeinsamkeiten entdecken

Im Zentrum aller Austausche steht grundsätzlich die Völkerverständigung und die Aufarbeitung von Ressentiments mit Blick auf ein gemeinsames Europa, erklärt die ehemalige EM AG-Schulleiterin Brigitte Götz. „Das klingt abstrakt. Erfahrbar, erlebbar und begreifbar wird dieser Anspruch, wenn die Heranwachsenden ihren Alltag in Familie, Schule und Freizeit teilen. Sehr schnell stellen sie fest, dass trotz vieler kultureller Unterschiede die Träume und Ziele der Jugendlichen über nationale Grenzen hinweg letztendlich gleich oder ähnlich sind. Daraus entstehen Interesse an und Respekt vor dem Anderssein und Spaß an gemeinsamen Aktivitäten.“ Daraus seien auch schon sehr intensive, über die Schüleraustausche hinausgehende Freundschaften entstanden.

Dem ehemaligen polnischen Austauschschüler Dawid Hałajda gefiel es in der Familie seines deutschen Austauschpartners Torben Bick offensichtlich so gut, dass er von Góra nach Herzberg umsiedelte und inzwischen seine Berufsausbildung hier absolviert. „Sternstunden eines Austauschs, die – wie grundsätzlich bei Austauschmaßnahmen – nur mit engagierten Gasteltern möglich ist. Die Gastfreundschaft der aufnehmenden Familien in Góra wie auch in Herzberg war und ist in ihrer Herzlichkeit immer beeindruckend“, erinnert sich Brigitte Götz. Finanziell unterstützt werden die Begegnungen vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk (DPJW) und bis noch vor wenigen Jahren von der Dr. Frössel-Stiftung in Herzberg.

Welche Aktivitäten wurden den Schülerinnen und Schülern seitens der Partnerschulen angeboten? Der Rückblick auf die 26 Jahre gelebter Schulpartnerschaft zeigt neben Besuchen im Fachunterricht der jeweiligen Partnerschule eine große Abwechslung in der Programmgestaltung: künstlerisch-kreative und musische Auseinandersetzung mit vielfältigen europäischen Themen, wie der „Überwindung von Sprachbarrieren durch Erlernen von Fremdsprachen“; Dokumentation der Aktivitäten durch Berichte auf der Schulhomepage, sportliche Aktivitäten, Stadtrallyes, Tagesexkursionen in Polen sowie eine zweitägige Exkursion nach Wrocław (Breslau). Außerdem gab es offizielle Empfänge bei den Bürgermeistern der Partnerstädte und bei den Landräten oder deren Besuche an den Schulen.

Die Austauschgruppe (2018) vor dem Herzberger Schloss mit dem stellvertretenden Bürgermeister Wolfgang Weippert.
Die Austauschgruppe (2018) vor dem Herzberger Schloss mit dem stellvertretenden Bürgermeister Wolfgang Weippert. © FMN | Paul Beier

Großprojekt im Jahr 2018

Besonders anspruchsvoll war ein Großprojekt des Jahres 2018 mit einem seinerzeit und heute immer noch brandaktuellen Thema, so die Schulleiterin: „Heimat früher und heute – Auseinandersetzung mit dem Thema „Heimat“ aus multiperspektivischer Sicht“. Im Laufe der Projektarbeit unter der Leitung von Tanja Kühlewind (EMAG) gab es ein Zeitzeugeninterview über die unfreiwillige Aufgabe der Heimat (Góra) aufgrund von Vertreibung; ein Interview mit Geflüchteten aus dem damaligen Integrationskurs am EMAG; ein Interview mit Dawid Hałajda über das freiwillige Verlassen seiner Heimatstadt Góra; die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema „Heimat“ (Anfertigung von Skulpturen); einen bilingualen Workshop zur Aufarbeitung des Themas „Flucht und Vertreibung“; den Besuch des ehemaligen deutschen Friedhofes in Góra mit Aufstellen eines Grablichtes; Besuch des Herzberger Friedhofs und Niederlegung von weißen Rosen an der Grabstätte von 38 Zwangsarbeitern aus Osteuropa, die während des Nationalsozialismus unter anderem bei Todesmärschen, auch in Herzberg selbst, umgekommen sind.

„Bei aller Betroffenheit können und sollen die Jugendlichen die Austauschbegegnungen unbelastet und in Freude und Begeisterung erleben, in dem ganz besonderen Geist, der auch alle beteiligten Erwachsenen durchdringt und verbindet“, betont Götz. Die Schülerinnen und Schüler lernen einander zu verstehen und zu respektieren, eine andere Perspektive einzunehmen, internationale Beziehungen und Freundschaften zu pflegen und auf dieser Basis auch gemeinsam Spaß zu haben. Sie lernen auch Verantwortung für ihre eigene Zukunft zu übernehmen und den Frieden wertzuschätzen, erklärt die Schulleiterin.

Landrat Reuter im Gespräch mit Austauschschüler*innen beim Workshop am EMAG (2018), im Hintergrund die Lehrkräfte.
Landrat Reuter im Gespräch mit Austauschschüler*innen beim Workshop am EMAG (2018), im Hintergrund die Lehrkräfte. © FMN | Paul Beier

Besondere Zusammenarbeit

Niemals möglich gewesen sei diese ohne die stetige Arbeit aller Akteurinnen und Akteure, die diese und andere Austauschbegegnungen über viele Jahre hinweg ermöglicht haben, betont Brigitte Götz. Selbiges gelte für die Schülerinnen und Schüler, die sich darauf eingelassen haben, den Gasteltern, ohne deren Bereitschaft zur Aufnahme eines Gastkindes der Austausch nicht zu realisieren wäre, den Bürgermeistern und Landräten, die Schüleraustausche jederzeit auch offiziell wertgeschätzt haben und wertschätzen. „Ebenso allen Lehrkräften beider Partnerschulen, die sich mit Herzblut für die Austausche engagiert haben, inklusive der polnischen Schulleiterin Magdalena Mielczarek. Der größte Dank muss der Deutschlehrerin Izabela Kucharska gelten, die zusätzlich zu der Organisation und Durchführung der Schüleraustausche sowohl in Góra als auch in Herzberg jederzeit und für alle Situationen in beeindruckender Weise als Simultandolmetscherin fungiert.“

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