Vechelde. Das Van de Beek in Vechelde seinen Mitgliedern Mitmach-Videos und Zoom-Training an.

Die Fitnessmatte liegt ausgebreitet vor mir auf dem Fußboden, eine Sprudelkiste und mein Laptop stehen daneben. Das und dazu ein lässiges T-Shirt und Leggings sind zurzeit meine Sportausrüstung . Mein Trainingsplatz ist unser Wohnflur. Er ist groß genug und die Treppenstufen kann ich für einige Übungen nutzen.

Denn mein Sportstudio in Vechelde (Landkreis Peine), in dem ich seit fünf Jahren trainiere, darf ich nicht betreten. Lockdown. Zum zweiten Mal in diesem Jahr muss ich mir eine Alternative suchen für einen Ausgleich zum stundenlangen Sitzen im Homeoffice.

Fitness- wird zum Filmstudio

Das Team des Van-de-Beek-Fitnessstudios bei den Dreharbeiten für die You-Tube Videos.
Das Team des Van-de-Beek-Fitnessstudios bei den Dreharbeiten für die You-Tube Videos. © Van-de-Beek-Fitnessstudio

Das Van de Beek Fitness-, Gesundheits- und Wellnessstudio ist zwar geschlossen, doch die Mitarbeiter lassen mich und die anderen Mitglieder mit dieser Herausforderung nicht allein: Aus dem Sport- ist ein Filmstudio geworden, in dem ständig neue Videoclips zum Nachmachen entstehen. So machen es auch andere Sportstudios.

Tom van Duijn zeigt mir am Anfang ein Warm-Up : Ich hebe und senke die Arme fünfmal, rotiere die Schultern, dann den ganzen Oberkörper, beuge die Knie und strecke beim Hochkommen die Arme in die Luft. Ich laufe auf der Stelle, dann abwechselnd nach links und rechts. Das Video spiele ich dreimal durch, dann bin ich warm.

Mehr als 120 Mitglieder abonnieren bereits Videoclips zum Nachturnen

Ich klicke den nächsten Einminüter an. Personaltrainer Paul Miosga zeigt mir, wie ich mit der Sprudelkiste meine Rücken- und Armmuskeln trainiere, ohne mich zu verheben, ich nehme erst mal ein paar volle Flaschen aus dem Kasten. Physiotherapeutin Heike Jacob findet Wasserflaschen auch praktisch, wir beide machen damit Bizeps-Curls .

Keine Zeit, die Stopptaste zu drücken, so läuft ein Clip nach dem anderen ab, ich probiere alle Übungen aus – ehrlich! Denn ich will mir ein Rundum-sorglos-30-Minuten-Programm für den Morgen zusammenbasteln. Das Studio erstellt ebenfalls Playlists für Beinmuskulatur, Bauch, Rücken und so weiter.

Alle Trainer sind ausgebildet

Es gibt professionellere Videos, doch diese haben einen besonderen Reiz: Ich kenne Heike, Paul, Tom und die anderen, alle sind ausgebildete Trainer. Ich habe noch ihre Stimmen im Ohr, wie sie meine Haltung im Studio korrigieren, wenn mein Rücken krumm ist oder meine Ellbogen zu weit abgewinkelt sind. Die Clips geben mir ein Gefühl der Nähe. Mehr als 120 Mitglieder sehen das wohl so wie ich und haben den Youtube-Kanal abonniert. Tendenz steigend.

Das ist durchaus bemerkenswert, denn der Altersdurchschnitt der Mitglieder liegt bei Mitte 40. Clubmanager Philipp Georgopoulos: „Natürlich haben wir 18 Jahre alte Sportler, doch bei uns trainieren auch viele Menschen, die über 80 sind. Das Van de Beek ist ein gesundheitsorientiertes Studio.“ Es bietet zahlreiche Gesundheitskurse von Funktionsgymnastik bis Rehasport an.

Clubmanager: Wir sind Teil des Gesundheitssystems

Georgopoulos bedauert die corona-bedingte Schließung darum sehr: „Gesundheit ist für uns das oberste Gebot. Und der Teil-Lockdown suggeriert nun, dass bei uns die Gesundheit gefährdet sei.“ Er fügt an: „Wir würden uns freuen, in dieser Krise als Teil des Gesundheitssystems anerkannt zu werden – und nicht der Freizeitgestaltung.“

Der Studioleiter ist überzeugt, dass auf den Trainingsflächen die Hygiene sogar besser gewährleistet werden kann als im Privatbereich, wenn Freunde zusammen trainieren: „Bei uns wird der Abstand gewahrt, die Maskenpflicht kontrolliert, werden die Geräte nach jeder Benutzung desinfiziert.“ Als im Juni das Studio nach dem ersten Lockdown wieder öffnete, war ein Mitarbeiter ausschließlich damit beschäftigt, hinter den Mitgliedern her zu wienern, die den elektronischen Ganzkörperzirkel benutzten. Es gab laut Georgopoulos ein dickes Lob vom Peiner Ordnungsamt für das Hygienekonzept. Hat nichts genutzt.

Ins Fitnessstudio darf kein einziges Mitglied

Mitgliedern während des Lockdowns ein persönliches Einzeltraining zu ermöglichen, davon hat das Van de Beek Abstand genommen. „Das ist rechtlich ungeklärt. Ins Studio dürfen wir kein einziges Mitglied lassen“, so Georgopoulos. Vorerst bleibt es also beim virtuellen Kontakt zu den Mitgliedern.

So sieht das Zoom-Training, das das Van de Beek anbietet, zu Hause aus, hier trainiert Michelle Lomer.
So sieht das Zoom-Training, das das Van de Beek anbietet, zu Hause aus, hier trainiert Michelle Lomer. © Van de Beek

Dazu gehört neben den Youtube-Videos und einem regelmäßigen Newsletter Einzeltraining via Zoom. Das bieten auch andere Studios an. Trainer und Mitglied sehen sich dabei gegenseitig auf Laptop oder Smartphone. Und so läuft es ab: Beim ersten Anruf klärt Trainer Philipp, ob ich mit Zoom zurechtkomme. Kein Problem für mich, nach Monaten im Homeoffice bin ich ausgefuchst in Sachen Videokonferenzen. Er fragt nach meinen Wünschen für ein individuelles Übungsprogramm . „Rücken, Schultern, Schultern, Rücken“, ist meine klare Antwort. Wir suchen passende Videos aus, die ich in den nächsten Tagen nachturne. Beim zweiten Zoom-Anruf werde ich dann vorturnen, so dass der Trainer die Bewegungsabläufe korrigieren und weitere Anregungen geben kann. „Wer möchte, kann auch Tipps für eine gesunde Ernährung bekommen“, so Georgopoulos.

Die Mitglieder unterstützen das Fitnessstudio aus der Ferne

Die Kommunikation des Studioteams mit den Mitgliedern funktioniert. Studioleiter Georgopoulos: „Wir haben jetzt im zweiten Lockdown noch mehr Zuspruch erhalten als im Frühjahr. So viele Mails mit dem Tenor ,Wir halten zu Euch’! Denn die Mitglieder kennen sich nun aus mit Corona, wissen, dass wir nichts für die Schließung können.“

Nach seinen Angaben hat es keinen merklichen Anstieg bei den Kündigungen gegeben: „Corona ist für unsere Mitglieder kein Kündigungsgrund . Das ist toll, das spricht für die Verbundenheit mit dem Studio.“ Einige ließen die Mitgliedschaft ruhen, andere zahlten weiter. Sie hoffen, dass es bald wieder los geht – ebenso wie die zehn festen Angestellten, die in Kurzarbeit sind, und die knapp zehn Honorarkräfte.