Steinlah. Ziege, Hühner und altdeutscher Hütehund – alte Rassen werden auf fünf Höfen nahe Salzgitter bewahrt.

In Steinlah bewahren fünf Höfe alte Haustierrassen. In diesem Jahr hätten sie ihr 10. Archefest gefeiert. Doch dann kam Corona. „Das holen wir im nächsten Jahr nach“, berichtet Hans-Jürgen Hesse. Auf seinem Unterarm sitzt ein drei Wochen altes Hühnerküken, das er per Hand aufzieht. Ein Lächeln huscht über Hesses Gesicht.

Man merkt: Ihm liegen seine Tiere am Herzen. Auch wenn er alle gerne auf dem Teller sieht. „Wir sind kein Zoo. Neben dem Erhalt der Rassen darf man nicht den Nutzen der Tiere aus den Augen verlieren“, betont Hans-Jürgen Hesse. 40 Hühner, acht Gänse, sechs Japaner-Kaninchen, altdeutsche Hütehunde, Tauben und die Harzer Ziegen leben bei Hesses auf dem Hof.

Was der Garten und die Tier hergeben, wird verwertet. Nur das Nötigste wird gekauft. Die Konsumgesellschaft lehnt er strikt ab: „Im Winter Eier und sogar noch Spargel oder Erdbeeren aus Chile – das kann ich nicht nachvollziehen. Dass Hühner im Winter normal keine Eier legen, wissen nur die wenigsten. Jede Saison hat ihr Obst und Gemüse. Die Gesellschaft hat sich von den saisonalen Zyklen entfernt. Kaum noch jemand fragt nach, woher das Fleisch im Döner kommt. Hauptsache, es schmeckt.“

Hans-Jürgen Hesse und seine Frau Angelika leben fast autark. Ihre Ziegen Maya und Mia mit Bock Tony stehen im Stall. Täglich können sie bis zu fünf Liter Milch melken, die Angelika Hesse zu Frischkäse und Butter verarbeitet. Wird ein Huhn geschlachtet, verwerten sie das Tier komplett und kommen mehrere Tage hin. „Die Alternative – vegan zu leben – ist auch keine Lösung. Denn dann brauchen wir keine Nutztiere mehr“, so Hesse. Und die züchtet er gemeinsam mit seinen Steinlaher Kollegen für den Artenerhalt.

20 aussterbende Nutzrassen leben bei den Familien Hesse, Beims, Reupke, Mull und Tiefnig: unter anderen die Harzer Ziege, das Rauhwollige Pommersche Landschaf, Diepholzer Gänse, Altsteirer Hühner, Coburger Füchse und das Rote Höhenvieh. Die Rinder von Gustav Reupke grasen in den Sommermonaten in Alt Wallmoden, Luther und Wolfshagen. Die Kälber werden auf der Weide geboren und von den Mutterkühen gesäugt. Reupkes Kühe sind deutschlandweit begehrt. Das Fleisch der Bullen landet auf den Tellern. Angela Tiefnig möchte mit ihren Sundheimer und Altsteirer Hühner sowie Aylesburyenten neben dem Artenerhalt ebenfalls wie die Hesses ein Stück unabhängiger vom Konsum und der Industrie werden.

Alle Tiere sind im Herdbuch, dem sogenannten Zuchtstammbuch, gelistet. Das ist aufwendig und mit viel Bürokratie verbunden. Der ehemalige Realschullehrer Hesse kämpft auch heute mit den bürokratischen Vorgängen, um seine Leidenschaft für die bedrohten Tiere am Leben zu halten.

Auch die Schafe, Rinder und Gänse der anderen Höfe werden vermarktet. Dafür muss man sich bei den Landwirten anmelden. Sind genug Interessenten zusammen, wird geschlachtet und verkauft. Beispielsweise von den Schafen, die zuvor noch Landschaftspflege auf den Weiden des Nabu Salzgitters und des Wasserverbandes Innerstetal betrieben haben, könne man aber heute nicht mehr leben, so Hesse. Dafür seien die Gewinnspannen einfach zu gering. „Einige Kinder haben noch nie Federn in den Händen gefühlt. Es liegt derzeit so viel im Argen“, meint Hans-Jürgen Hesse. Mit dem Archefesten will der ehemalige Lehrer mit seinen Kollegen das Bewusstsein für die Tiere schärfen. Im kommenden Jahr könnte es wieder soweit sein.

Wer mehr über das Archedorf erfahren möchte, findet Informationen unter www.archedorf-steinlah.de