Söllingen. Beim Ehepaar Nagel aus Söllingen gehören Schafe mit zur Familie. Auch andere Tiere fühlen sich auf dem Hof im Landkreis Helmstedt wohl.

„Hedwig, nein! Nicht meine Rosen!“, ruft Vroni Nagel aufgeregt. Die Angesprochene lässt sich aber erstmal nicht beirren und knabbert genüsslich weiter. Hedwig ist ein fünf Wochen altes Schnuckenlämmchen mit schwarzem Fell und kleinen Hörnern auf dem Kopf. Sie wird bei Familie Nagel in Söllingen mit der Flasche großgezogen. „Im Moment bekommt Hedwig noch viermal täglich die Flasche. Aber sie wird langsam an Grünfutter gewöhnt“, erklärt Vroni Nagel. Hedwig kam bei einem befreundeten Bauern als Zwillingslamm auf die Welt. Da das Mutterschaf wegen einer entzündeten Milchdrüse nicht genug Milch für beide Lämmchen hatte, beschloss die 64-jährige Altenpflegerin das kleine Schnuckenmädchen mit zu sich zu nehmen. Nun tollt das Schäfchen zusammen mit Hund Sammy, Schweinchen Pinky und den beiden Enkelinnen über den gepflasterten Hof. Aber das Lämmchen ist nicht das einzige Schaf bei den Nagels.

Die schwarz-weiß-gescheckte Susi und die weiße Silke leben bei Familie Nagel in Söllingen.
Die schwarz-weiß-gescheckte Susi und die weiße Silke leben bei Familie Nagel in Söllingen. © Kerstin Kalkreuter

Gestatten – Susi und Silke

Auf einer Weide hinter dem Haus stehen die schwarz-weiß-gescheckte Susi und die weiße Silke. Aber Moment – die beiden sehen gar nicht so wollig aus, wie man sich Milchschafe vorstellt. „Sie sind vor drei Tagen geschoren worden“, erläutert Vroni Nagel. Interessiert beschnuppert Susi die Kamera, während Silke den fremden Gast auf ihrer Weide eher argwöhnisch und mit ein wenig Abstand beäugt. Auch der schon etwas betagte Schnuckenbock Lambert gibt sich ein wenig zurückhaltend und grast gemütlich weiter. Schafe als Haustiere – das erscheint auf den ersten Blick doch eher ungewöhnlich. Aber Familie Nagel ist nicht die einzige im Braunschweiger Land, die Schafe als Haustiere hält.

Es gibt einige Hobbyhalter in der Region

Nach Angaben der Niedersächsischen Tierseuchenkasse gibt es in der Region 311 Haltungen mit weniger als 5 Tieren, insgesamt sind es 863 Schafe. Im Jahr 2019 waren in ganz Niedersachsen 11.520 Schafhalter registriert, davon 8583 Hobbyhalter mit weniger als 10 Tieren. Einen Trend zu Hausschafen sehen die Nagels allerdings nicht. „In den 1980er-Jahren war das ein Trend. Der hat aber wieder nachgelassen“, meint Manfred Nagel.

Schnuckenbock Lambert blickt in die Kamera.
Schnuckenbock Lambert blickt in die Kamera. © Kerstin Kalkreuter

Schafe begleiten Vroni Nagel schon ihr ganzes Leben lang

Woher kommt dann bei ihnen die Begeisterung für die wolligen Tiere? „Ich hatte schon mein ganzes Leben lang mit Schafen und Tieren zu tun. Ich kenne das gar nicht anders“, sagt Vroni Nagel, die bei einer Pflegeeinrichtung in Wolfenbüttel arbeitet. So hätten sie früher selbst Schafe gehütet. Dabei wurden die Schafe von den verschiedenen Bauernhöfen in der Umgebung abgeholt und dann ins Bruch geführt. Rund 300 Schafe standen so den ganzen Sommer über auf den Weiden. Erst im Dezember ging es wieder zurück in die Ställe ihrer Besitzer. Aber mit der Zeit sei es durch Änderungen in der Landwirtschaft immer schwieriger geworden, geeignete Weideflächen für die Schafe zu finden.

Familie Nagel hatte früher eine größere Schafherde

Die Nagels hatten auch eigene Milchschafe: „Wir haben Käse gemacht und die Milch abgegeben“, erzählt Vroni Nagel. Zudem züchtete die Familie auch Tiere und verkaufte die Zuchtböcke und einige Mutterschafe, wie ihr Ehemann Manfred ergänzt. Der 66-jährige Rentner arbeitete früher im Braunkohlekraftwerk in Offleben. Vor rund 20 Jahren gaben die Nagels die eigene Milchproduktion und die Zucht auf. Zum einen seien die Vorgaben des Landkreises für die eigene Produktion zu hoch geworden, zum anderen schloss der Viehhändler in Schöningen, womit der Absatzmarkt wegfiel. Geblieben sind ihnen Susi (6 Jahre) und Silke (8 Jahre) aus der eigenen Nachzucht.

Susi und Silke haben auf den Weiden viel Platz

Für die Tiere sind vier Weiden auf dem großen Grundstück hinter dem Haus mit Zäunen abgetrennt. Ist eine Grasfläche abgeweidet, wechseln die Schafe zur nächsten. Wie lange die Schafe für eine Weide bräuchten, hänge vom Appetit der Tiere ab, sagt Vroni Nagel. „Man muss aufpassen, dass das keine Erdnuckel werden“, meint sie. Zudem müsse man darauf achten, dass die Weiden gut nachwachsen. Dazu werde das Gras nachgemäht, erklärt Manfred Nagel.

Nur als Rasenmäher-Ersatz sind Schafe nicht unbedingt geeignet

Vroni Nagel gibt Schuckenlamm Hedwig sein Fläschen. Ihr Mann Manfred schaut zu.
Vroni Nagel gibt Schuckenlamm Hedwig sein Fläschen. Ihr Mann Manfred schaut zu. © Kerstin Kalkreuter

Als Rasenmäher-Ersatz seien Schafe aber nicht unbedingt geeignet. „Die fressen alles. Auch Blumen“, meint Vroni Nagel und schmunzelt mit Blick auf die kleine Hedwig. Die bekommt noch ihr Abendfläschen und dann geht es in den Stall neben dem Haus. Auch Susi und Silke sind schon da. Eigentlich bleiben die beiden bis auf den Winter immer draußen auf der Wiese. Da sie aber erst vor kurzem erst geschoren wurden, kommen sie zurzeit nachts rein ins Stroh.

Für Hobby-Schafhalter gibt es einiges zu beachten

Außer dem Scheren des Fells müssen Hobby-Schafhalter besonders auf die Pflege der Klauen achten. „Auf dem Rasen laufen sich die Schafe die nicht ab“, erläutert Vroni Nagel. Die Grünflächen sollten zudem groß genug sein und entsprechend gepflegt. Auch das Wasser in den Tränken muss sauber gehalten werden. „Wer das machen möchte, sollte sich das gut überlegen. Man kann dann nicht einfach in den Urlaub fahren. Man braucht immer jemanden, der sich um die Tiere kümmert“, sagt die Schafhalterin. Das Ehepaar kann sich dabei auf die Unterstützung der Familie verlassen. „Wir haben auch Zeit für uns. Wir teilen uns das ein“, sagt Manfred Nagel.

Schafe niemals alleine halten

Ein weiterer Aspekt, der bei der Schafhaltung zu beachten ist: „Schafe sind Herdentiere. Eine Einzelschafhaltung ist daher nicht tiergerecht! Kranke Tiere müssen manchmal vorübergehend alleine gehalten werden, aber das sind Ausnahmesituationen“, so ein Schafzucht-Experte der Landwirtschaftskammer. Auch für Familie Nagel ist der liebevolle Umfang mit ihren Tieren entscheidend. „Jedes Lebewesen verdient Respekt. Wir haben auch schon Nächte im Stall verbracht, wenn ein Tier krank geworden ist“, sagt Vroni Nagel. Alle Tiere seien wie Familienmitglieder und von klein auf an Kinder gewöhnt. Egal, ob Susi oder Silke, Sammy oder Pinky, Hedwig oder Lambert. Dazu noch die Zwergziege Miss Ellie, ein Shetland-Pony, ein Esel, ein Kaninchen, Hühner und Laufenten.

Tiere geben viel zurück

Die Milchschafe Susi und Silke stehen in ihrem Stall auf dem Hof von Familie Nagel in Söllingen.
Die Milchschafe Susi und Silke stehen in ihrem Stall auf dem Hof von Familie Nagel in Söllingen. © Kerstin Kalkreuter

Auch wenn die Tiere einige Zeit in Anspruch nehmen, steht für Vroni Nagel fest: „Ich könnte ohne nicht sein. Ich brauche das als Ausgleich zur Arbeit.“ Es gebe ihr richtig viel und man werde durch die Tiere ausgeglichener. Auch Manfred Nagel ist sich sicher: „Solange wir das gesundheitlich schaffen, wollen wir das weitermachen.“

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