Braunschweig. . Noch vor einem Jahr verurteilte Barbara Havliza Mörder und Terroristen, heute ist sie Ministerin. In Braunschweig besuchte sie das Landgericht.

Hausherrin Eva Moll-Vogel kann dem prominenten Gast diesen Wunsch beim besten Willen nicht verwehren. „Darf ich da vorne nochmal Platz nehmen?“, fragt Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) die Präsidentin im Saal 141, dem größten Sitzungssaal am Braunschweiger Landgericht. „Selbstverständlich“, sagt Moll-Vogel und sieht nur noch die Hacken der Ministerin.

Seit gut einem Jahr leitet die gebürtige Dortmunderin Havliza das Justizressort in der zweiten Regierung Weil. Ihr Parteifreund, Vize-Regierungschef Bernd Althusmann, hatte sie in sein Schattenkabinett berufen. Zuvor stand die 60-Jährige als Vorsitzende Richterin zehn Jahre lang dem 6. Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf vor. Sie sprach Urteile gegen mutmaßliche Al-Kaida-Terroristen („Düsseldorfer Zelle“), Salafisten, Syrienrückkehrer und gegen den Mann, der Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei einem Attentat schwer verletzte. Sie ist stolz auf das, was sie vor ihrer politischen Karriere gemacht hat. Sie zückt das Handy und sucht ein Foto. „Wo, ist es denn? Ah, hier. Das ist der Düsseldorfer Gerichtssaal, der wohl größte in Deutschland“, sagt sie. Der Justizbeamte, der den Rundgang an diesem Tag durch das Landgericht organisiert, ist beeindruckt. „Der Raum ist ja so groß wie unsere Stadthalle.“

Nun sitzt Havliza wieder vorne auf der Richterbank, platziert das Ensemble neben sich, drückt den Mikrofonknopf, ein rotes Licht leuchtet auf. Dann erteilt sie sich selbst das Wort. Ihr Blick wandert durch den Saal. „Besondere Prozesse benötigen besondere Räume. Und das hier ist ein besonderer Raum“, stellt sie anerkennend fest.

Auch die vielen Meter, die in Saal 141 zwischen dem Vorsitzenden Richter auf der einen, Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf der anderen Seite liegen, macht für die Juristin Sinn. „Genügend Platz ist für Zeugen, die vor ihren Aussagen in der Regel nervös sind, wichtig. Räume, die eine Flucht bieten, wirken beruhigender. Räumliche Enge kann leichter zu Tumulten führen. Es gibt Säle, die sich eigentlich nicht eignen, Prozesse ordnungsgemäß durchzuführen.“ Die Teilnehmer des Rundgangs hören gespannt zu, darunter zwei Braunschweiger Landtagsabgeordnete und eine Abordnung des Landgerichts.

Havliza lässt sich das ganze Gebäude zeigen, von den Haftzellen im Keller, von wo aus die Gefangenen dem Verhandlungsort „zugeführt“ werden, bis zur Bibliothek unterm Dach. „Wunderschön“, entfährt es es ihr, als sie in der historischen Bibliothek mit viel altem Holz einen Wälzer mit der Strafprozessordnung aufschlägt. Die verschämten Einwürfe des Rundgangsbeauftragten – „schwer zu heizen, schlecht zu lüften, und im Sommer fliegen die Tauben rein“ – verhallen ohne Resonanz. Die Ministerin ist fasziniert. „Das ist doch ein Traum von einer Gerichtsbibliothek.“

Die Ministerin hat sich vorgenommen, alle Gerichte in Niedersachsen zu besuchen. Zumindest die großen Bezirke arbeitet sie in ihrem ersten Amtsjahr ab. Zum Anforderungsprofil gehöre es, dass man Jurist sei. „Dass ein Richter das Ministerium führt, ist eher die Ausnahme. Mir wird das helfen, denn ich weiß, wie Behördenleitung und die Mitarbeiter ticken“, sagt sie selbstsicher. Ob sie den Wechsel in die Politik schon bereue, will Landgerichtspräsidentin Moll-Vogel von Havliza wissen. „Bereuen, nein. Aber manchmal vermisse ist die Gerichtssäle – das schon.“

Und das, obwohl einige Prozesse, in denen sie als Richterin das Urteil fällte, unter die Haut gingen. „Ja, es gab Morddrohungen. Das habe ich aber auch nur indirekt über das LKA erfahren. Dazu hatte der Islamische Staat im Internet aufgerufen. Für die Angeklagten kam sicherlich noch erschwerend hinzu, dass eine Frau entschied, wie es im Gericht zu laufen hat.“ Drohungen gegenüber ihrer Person seien kein Einzelfall gewesen. Eine Karriere, die als Rechtsanwältin begann und als Staatsanwältin und Richterin in Oldenburg und später Osnabrück fortgesetzt wurde. Auch aufgrund eigener Erfahrungen legt sie Wert darauf, dass Niedersachsens Gerichte sicher sind. „Die Standards sind gut, aber das heißt nicht, dass wir es nicht noch besser machen können.“ Das gelte auch für Amtsgerichte, denn dort müssten bei Familienfragen „hochemotionale Situationen“ aufgefangen werden“.

Arbeit gibt es in Hannover für Havliza genug. Die Prozesse gegen VW könnte die Braunschweiger Justiz noch Jahre an Belastungsgrenzen führen. Das weiß auch die Ministerin. Das Personal wurde im Vorfeld aufgestockt. Doch die Gerichte stöhnten auch unter der Last der anhängigen Asylverfahren, sagt sie. Es gehe nicht nur um die Bearbeitung der Anträge, sondern auch um die juristische Betreuung, um Pflegschaften für unbegleitete Flüchtlinge. Und auch mit den Kirchen will sich die gläubige Katholikin auseinandersetzen. Zuletzt forderte sie im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen die Herausgabe von Akten. Das könne doch nur im Sinne der Kirchen sein, alles offenzulegen. „Denen rennen doch schon heute die Mitglieder weg.“ Erste positive Signale aus den Bistümern habe es gegeben.

Im ersten Stock des Landgerichts trifft die Ministerin dann auf eine besondere Angestellte. Annegret Schöner schließt gerade ihr Zimmer ab. Dienstschluss für heute. „Frau Schöner ist die dienstälteste Verwaltungsmitarbeitern im gesamten Gerichtsbezirk. Seit 50 Jahren arbeitet sie hier“, sagt Moll-Vogel. Havliza ist da schon längst im Vier-Augen-Gespräch mit Schöner. „Machen Sie doch mal ein Foto“, ruft sie ihrem Pressesprecher zu.

Alles im Kasten? Und weiter im Programm. Die Treppe hoch. Das Präsidentinnenzimmer wartet.