Wolfsburg. Der Mann, der am Montag nach einer Verfolgungsjagd im Wolfsburger Stadtteil Neindorf festgenommen wurde, ist ein verurteilter Schwerverbrecher.

Mit der Festnahme des mutmaßlichen Autodiebs Roman P. in Neindorf gelang der Autobahnpolizei Braunschweig ein ganz besonderer Fang. Gegen den 34-jährigen Polen liegt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot vor, er hätte sich gar nicht in Deutschland aufhalten dürfen. Der Grund dafür ist ein Verbrechen, das deutschlandweit Schlagzeilen schrieb.

In der Nacht zu Montag soll P. in dem Kurort Bad Lippspringe (bei Paderborn) einen 7er BMW gestohlen haben. Der Eigentümer schlief und erfuhr von der Tat erst später durch die Polizei. Um 3.20 Uhr fiel die Limousine am Autobahnkreuz Wolfsburg/Königslutter einer Streife der Autobahnpolizei Braunschweig auf. Die Beamten hatten den richtigen Riecher: Als die dem Fahrer signalisierten, er soll anhalten, trat der aufs Gaspedal.

Es folgte eine Verfolgungsjagd über die A2 und weiter über die Landstraße mit mehreren Streifenwagen und sogar einem Helikopter der Polizeihubschrauberstaffel Niedersachsen. Die Flucht von Roman P. endete im Auto in einem Graben bei Neindorf. Er versuchte noch zu Fuß zu entkommen, wurde aber schnell gefasst. Aktuell sitzt er in der JVA Bielefeld-Brackwede I in Untersuchungshaft. Das ist nicht sein erster Gefängnisaufenthalt. Im Gegenteil: Nach Recherchen unserer Zeitung ist er ein verurteilter Schwerverbrecher.

An einer Sonntagnacht im Mai 2006 brach P. gemeinsam mit mehreren Mittätern in eine Villa in Hamburg-Alsterdorf ein. Sie nahmen die Millionärsfamilie – das heißt ein Ehepaar und ihre zwei Kinder (15 und 7 Jahre alt) – als Geiseln und erbeuteten Geld sowie Schmuck im Wert von mehr als 210000 Euro. Über den Fall, die Festnahme von Roman P. und seinen Prozess im September 2012 wurde in den Medien ausführlich berichtet.

In seiner Aussage vor dem Landgericht Hamburg behauptete der aus Danzig stammende P., den Auftrag, in die an der Alster gelegenen Millionärsvilla einzusteigen, habe er von einem Hintermann in Polen erhalten. 5000 Euro will er als Lohn für die Tat bekommen haben.

Es handelte sich wohl um eine professionelle Bande, denn es gab zwei Teams. Eines beobachtete die dreigeschossige Villa in dem noblen Hamburger Stadtteil in einem Kanu vom Fluss aus. Weil die Bewohner nach zwei Tagen das Anwesen nicht verließen, habe der Bandenboss in Polen Druck gemacht. Spät in der Nacht stemmte das zweite Team, dem P. angehörte, ein Sicherheitsgitter weg und hebelte ein rückwärtiges Fenster auf. Dann rissen sie die Familie aus dem Schlaf. Die Eltern und ihre Kinder wurden gefesselt und geknebelt.

Dem Kaufmann nahmen sie die Gold-Rolex weg, zogen ihm außerdem eine Plastiktüte über den Kopf, damit er kaum Luft bekam, zwangen ihn so, den Tresor zu öffnen. Darin lagen 5000 Euro. Dann entdeckten sie noch das Schmuck-Versteck der Ehefrau. Bevor die Täter flüchteten, banden sie die Opfer im Schlafzimmer aneinander und verschlossen die Tür. Schließlich nahmen sie auch den Fahrzeugschlüssel zum Porsche mit, schmissen den jedoch vor dem Haus weg – die Gefahr, mit dem Auto erwischt zu werden, war ihnen zu groß. Eine halbe Stunde später konnte sich die Frau befreien und den Sicherheitsdienst alarmieren.

Bereits bald nach dem Überfall wurde einer der Täter gefasst werden. 2007 wurde er zu vier Jahren zehn Monaten Haft verurteilt. Aufgrund seiner Aussagen, der Hinweise der Opfer sowie mit Hilfe von DNA-Spuren, die am Klebeband gesichert werden konnten, wurde Roman P. als weiterer Mittäter ermittelt. Gegen ihn wurde internationaler Haftbefehl erlassen. Mitte März 2012 wurde er in Danzig festgenommen und zwei Wochen später nach Deutschland überstellt.

Im Prozess kam es zu einer Verständigung zwischen den Beteiligten – Strafrabatt gegen Geständnis. Der Angeklagte sagte über seine Tatbeteiligung aus, wenngleich er seine Komplizen angeblich aus Angst um seine eigene Familie nicht belastete. Durch seine Aussage ersparte Roman P. gleichwohl den traumatisierten Opfern einen Auftritt im Prozess.

Der Pole wurde wegen erpresserischen Menschenraubes zu vier Jahren Haft verurteilt. Der Vorsitzende Richter erklärte im Prozess: „Dieses Verbrechen war eine schlimme Tat, die Gott sei Dank nicht so häufig vorkommt.“ Er mahnte P.: „Sollten Sie nach Verbüßung der Haft erneut vor Gericht stehen, kann für sie eine Sicherungsverwahrung verhängt werden.“ Bis Mitte März 2016 saß er seine Strafe vollständig in der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel ab. Anschließend wurde die Einreisesperre gegen ihn verhängt.

Trotzdem hielt das P. offenbar nicht davon ab, ein Auto zu stehlen. Angesichts der Übermacht der Polizei ließ er sich in der Nacht zu Montag widerstandslos festnehmen, erklärte der Sprecher der Braunschweiger Polizei, Stefan Weinmeister.

„In der ersten Vernehmung wollte er keine Angaben zu den Tatvorwürfen machen.“ Am Mittwoch wurde P. nach Paderborn überstellt. Auf Antrag der dortigen Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht Haftbefehl. Begründung: Fluchtgefahr.