Die Magnetschwebebahn: Ein Stück Technik-Geschichte aus Braunschweig

Die Transrapid-Katastrophe im Emsland – sie ist in Braunschweig mit besonderer Bestürzung verfolgt worden. "Ich war entsetzt und konnte es zunächst gar nicht fassen. Damit war nicht zu rechnen und damit hat niemand gerechnet", sagt Prof. Jürgen Meins, geschäftsführender Leiter des Instituts für Elektrische Maschine, Antriebe und Bahnen der TU Braunschweig.

Dies ist jenes Institut, in dem unter seinem Vorgänger Prof. Herbert Weh seit 1973 die Magnetschwebebahn-Technologie maßgeblich entwickelt worden ist. Man kann sagen: Der Transrapid hat seine Wurzeln in Braunschweig.

Sein naher Verwandter – die Nahverkehrsversion der Magnetschwebebahn, kurz M-Bahn – fuhr in Braunschweig. Erst 1998 wurde die Teststrecke im Braunschweiger Uni-Viertel an der Beethovenstraße abgerissen und verschrottet. Zwei Fahrzeuge sind noch erhalten: Eines befindet sich in einem Nürnberger Museum. Das andere – Wagen Nr. 4 – dient heute als Werbetafel in Braunschweig– ausgerechnet für eine Autovermietung.

Das schnöde Ende der M-Bahn wird heute noch von Anhängern dieser Technologie bedauert. Sie hatten darauf gesetzt, eine Referenzstrecke am Ort der Erfindung – in Braunschweig – oder anderswo durchsetzen zu können. Zwei Jahrzehnte lang hatten sich Stadt und Wirtschaft dafür eingesetzt.

Das zerschlug sich – und auch alle anderen Pläne. Schließlich musste der damalige Braunschweiger Wirtschaftsförderer Ulrich Bubel resigniert feststellen: "Wir bedauern das Ende außerordentlich. Die Stadt hat bei der Entwicklung der M-Bahn für optimale Rahmenbedingungen gesorgt, doch auf den Markt haben wir keinerlei Einfluss."

Von Beginn an war die Technologie auch starken Zweifeln ausgesetzt. Vor allem wurden die hohen Kosten kritisiert. Und schnell kam auch stets der Sicherheitsaspekt ins Spiel. Ein einziger Fahrweg ohne Ausweichmöglichkeit, hohes Tempo – das scheint vielen nicht geheuer.

Doch offensichtlich hat im Emsland nicht die Magnetbahn-Technik versagt. Sie beruht, vereinfacht ausgedrückt, auf berührungslosem Schweben auf sich abstoßenden Magnetfeldern. Dies Prinzip wurde bereits 1922 von dem deutschen Hermann Kemper erfunden. Für das elektromagnetische Schweben von Fahrzeugen erhielt er bereits 1934 das deutsche Reichspatent.

1973 wurde an der TU Braunschweig die Entwicklung von Prof. Herbert Weh wieder aufgenommen und erfolgreich vorangetrieben. Auch im Institut selbst gab es bereits früh eine Teststrecke. Ende der 70er Jahre fuhren dann bereits die ersten Testfahrzeuge an der Beethovenstraße. Die ersten Fahrzeuge – so genannte Erprobungs-Träger – glichen noch schwebenden umgekippten Telefonzellen.

Doch die Entwicklung ging rasant voran. Im Grunde genommen hätte die M-Bahn das Zeug gehabt, zum Technologie-Schlager zu werden. Hoffnung keimte auch im Zusammenhang mit der Berliner Strecke auf, die 1983 auf 1,6 Kilometern Länge gebaut wurde. Ironie der Geschichte: Nach der Wiedervereinigung wurde die M-Bahn-Trasse für den Wiederaufbau der Gesamt-Berliner U-Bahn gebraucht.

Auch ein Flughafen-Projekt für Frankfurt/Main hatte sich zerschlagen. Nur schöne Träume blieben auch Pläne, die M-Bahn zur Weltausstellung Expo 2000 in Hannover noch einmal hervorzuholen und einem Weltpublikum zu präsentieren.

Da drehte schon der Transrapid im Emsland seine Runden – seit 1984 auf der Hochgeschwindigkeits-Teststrecke. Bis zum vergangenen Freitag fuhr er 22 Jahre lang unfallfrei. Eine Absicherung über technische Systeme gab es nicht.

Solche technisch gestützte Einbindung wirklich aller Komponenten (siehe Interview unten) gibt es indes auf der chinesischen Transrapid-Strecke in Schanghai.

Dies hätte die Katastrophe im Emsland verhindert – der Zug hätte gar nicht losfahren können oder wäre rechtzeitig gestoppt worden. So aber gab es lediglich Vorschriften, an die das Personal gebunden war. Werden sie eingehalten, kann nichts passieren. Das untersucht nun die Staatsanwaltschaft.

"Nach diesem Unglück kann man nicht die ganze Technologie verwerfen", steht für Prof. Jürgen Meins fest. Doch der Schock sitzt auch bei den Forschern tief. "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel beim Einsatz von Automatisierung", fordert Eckehard Schnieder von der TU Braunschweig (siehe Interview).