Lauterbacher wird Chef der Export-Agentur Labora – Mehrere afrikanische Länder nutzen seine Dienstleitungen

Stefanie Waske schrieb ihre Doktor-Arbeit über „Die Kontrolle des BND durch Parlament und Regierung“. Dabei stieß sie auf Unterlagen, die zu unserer Serie über Hartmann Lauterbacher (1909-1988) führten – eine der schillerndsten Figuren des Nationalsozialismus und NSDAP-Gauleiter von Südhannover-Braunschweig.

1950 ist Hartmann Lauterbacher wieder in einem Lager. Dieses Mal in landschaftlich schöner Lage; es gibt sogar Wein. Das Lager Frachette d’ Alatia ist angenehmer als das in Sandbostel bei Bremervörde direkt nach dem Krieg.

Damals hatten die Alliierten den ehemaligen Gauleiter von Südhannover-Braunschweig interniert. Jetzt ist es die italienische Regierung, die durch einen Artikel in der linken Zeitung L’ Unità aufgeschreckt ist. Darin steht: Lauterbacher arbeitet als Fluchthelfer für NS-Kriegsverbrecher. Was stimmt.

Der ehemalige Gauleiter beschließt zu fliehen. Er fährt während eines Freigangs nach Rom und von dort nach Kufstein, in die Heimat seiner Kindheit.

Zurück zur Frau und den drei Kindern

Sein Weg führt zurück nach Deutschland, genauer nach Salem, Kreis Sassenburg in Schleswig-Holstein. Dort lebt seine Frau Margarete mit den drei Kindern, dem 14-jährigen Jörg, der ein Jahr jüngeren Schwester Ilse und dem 11-jährigen Klaus. Der Vater wird ihnen nach sechs Jahren der Haft und Zeit in Italien fremd erschienen sein.

Lauterbachers vordringliches Problem: Er muss seine Familie ernähren. In seinem Beruf als Drogist will er nicht arbeiten. Da bietet ihm sein jüngerer Bruder Hans eine Stelle an. Der hat sich in Dachau als Exportvertreter etabliert und organisiert den Vertrieb von Industrie-Erzeugnissen ins Ausland.

In einem Schreiben der Industrie- und Handelskammer München vom Mai 1952 heißt es vage, Hans Lauterbacher arbeite für bedeutende Firmen. Im vergangenen Jahr habe er eine Provision von 10 400 Mark erhalten – ein sehr guter Verdienst.

"Wir verkauften eigentlich alles, ausgenommen jedwedes Kriegsmaterial", schreibt Hartmann Lauterbacher in seiner Biografie. Wenige Zeilen später findet sich eine konterkarierende Aussage: "Unter anderem verkauften wir den ersten U-Boot-Motor, den die italienische Marine nach dem Kriege bekam, über eine Bremer Firma. Der Motor, das Neueste vom Neuen, war bei Kriegsende rechtzeitig vor dem Eintreffen der Alliierten wohlverpackt in der Weser versenkt worden und wurde jetzt für den Spezial-Export gehoben."

Die Kontakte zu solch einträglichen Geschäftsbeziehungen hat Lauterbacher aus Italien mitgebracht. Es gibt nur eine Erklärung, wie die Brüder Lauterbacher derart gewagte Projekte starten konnten: Sie hatten eine Abdeckung – in diesem Fall nicht so sehr von der deutschen, als von der amerikanischen Regierung. Dazu passt die Aussage des BND von Mitte der 1960er Jahre, dass zu Labora eine Verbindung bestand.

Das Personal von Labora baut auf alten Kameraden auf: Der letzte Kabinettschef Mussolinis übernimmt die Vertretung in Rom. Ebenfalls mit dabei: der letzte Adjutant Joseph Goebbels’, Günter Schwägermann.

1955 stirbt der Firmeneigentümer Hans Lauterbacher. Sein Bruder übernimmt das Geschäft, Partnerin wird erst seine Schwägerin, dann seine Frau. Unter seiner Führung erschließt Labora neben Italien weitere Geschäftsfelder: Nordafrika, Tunesien und Marokko.

Im Oktober 1960 zitiert der "Spiegel" Lauterbacher wie folgt: "Ich handle mit allem – wenn Sie wollen auch mit getrocknetem Pferdemist. Es muss nur Geld einbringen."

Auch nach Indien will Lauterbacher expandieren. Sein Mitarbeiter Hermann Ströbel, ebenfalls nationalsozialistisch belastet, erzählt der CDU 1964 in einem Beschwerdebrief: "Im Frühjahr 1959 kam der ehemalige Gauleiter und Oberpräsident Lauterbacher zu mir und frug mich, ob ich bereit sei, für einige Jahre für den BND nach Indien zu gehen. Man hatte erfahren, dass ich über einmalige Verbindungen in Indien verfüge. Getarnt werden sollte diese Tätigkeit als Repräsentant der Firma Labora, München."

Aus der Unternehmung wird jedoch nichts. Laut BND überzeugte der Mann nicht. Dieser schreibt weiter, dass mindestens bis 1962 enge Verbindungen zwischen Lauterbacher und dem BND bestanden. Auch zur Finanzierung äußert er sich: "Die Firma Labora wurde zwar von dem verstorbenen Bruder des Herrn Lauterbacher gegründet, sie wurde dann aber restlos vom BND besoldet." Der BND bestätigt auf Nachfrage der CDU: "Ströbel wurde im August 1959 als freier Mitarbeiter der Firma Labora gewonnen, die als Handelsagentur in Verbindung mit dem BND stand." Die Firma sei inzwischen liquidiert; ihr Inhaber Lauterbacher als BND-Verbindung abgeschaltet.

CIA-Verdacht: Lauterbacher als schwuler Doppelagent

Der Auslandsnachrichtendienst der Amerikaner, die CIA, hat aufgeschrieben, warum das schillernde Unternehmen Labora im Juli 1963 eingestellt wird: Lauterbacher wird verdächtigt, homosexuell zu sein und für einen östlichen Geheimdienst zu arbeiten. Schon in den 50er Jahren hatten die Amerikaner ihm Kontakte zu einem DDR-Volkspolizisten nachgesagt.

Wieder muss Lauterbacher sich eine neue Existenz aufbauen. Seine Firma führt er noch ein paar Monate weiter. Er verhandelt, so die CIA, mit italienischen und französischen Firmen über eine Ölpipeline in Nordafrika. Im Juli 1964 meldet der US-Geheimdienst: Lauterbacher arbeite nun als Berater für die Regierung in Ghana. Er selbst teilt dem Amtsgericht mit, im Oktober nach Westafrika zu gehen.

(wird fortgesetzt)