Eins ist in der Frauenbibliothek der Technischen Universität Braunschweig gewiss: Wer herkommt, der will es wirklich. Aus Versehen landet niemand hier im Hinterhof zwischen Bültenweg und Zimmerstraße, wo es rechts zur Männertoilette geht und links zur Frauenbibliothek.

Drei Reihen mit Regalen, eine Sitzgruppe, zu viele Schränke mit Schließfächern – das ist die Bibliothek. Heute Abend sitzen hier Teresa Henning, Antje Gnaß und Jennifer Vieth, trinken Tee und besprechen Organisatorisches. Sie stellen sich mit Vornamen vor, hier wird geduzt.

Teresa ist 24 Jahre alt, sie studiert an der TU Mathe und Physik auf Lehramt. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ist sie fünf Stunden pro Woche in der Bücherei tätig. Mit Antje gehört sie zu den Ersten, die Geld für ihre Arbeit bekommen. Seit einem Jahr profitiert die Bücherei von dem zusätzlichen Geldsegen durch die Studiengebühren; in den Jahren davor war es ein ausschließlich ehrenamtlich betreutes Projekt.

Männer finden selten den Weg in die Bibliothek

Teresa sagt: „2000 Bücher zu Themen wie Körper, Gesundheit, Frauen in anderen Ländern oder Gewalt gegen Frauen gehören zum Bestand.“ Ausgeliehen werden könnten sie von Frauen und Männern – letztere fänden aber eher selten den Weg in die Frauenbibliothek.

Jennifer, die seit zehn Jahren zu den freiwilligen Mitarbeitern gehört, erklärt: „Wir sind wie eine Fachbibliothek für Frauenthemen und bieten neben den Büchern auch Zeitschriften“. Bei Ersteren achte man darauf, dass es keine Überschneidungen mit dem Angebot der Unibibliothek gebe.

Es ist, wie es der komplizierte Weg vermuten lässt: Hier kommen nur Menschen hin, die gezielt Bücher ausleihen wollen, oder eben die Institution Frauenbibliothek schätzen. Laufkundschaft ist eher unüblich.

„Viele trauen sich nicht her, weil sie glauben, hier sitzen nur Kampflesben“, meint Jennifer. Wer auf der Suche nach Literatur für Hausarbeiten aber doch herfinde, sei meist überrascht, wenn diese Vorurteile nicht bestätigt würden.

Noch viel zu tun in Sachen Gleichstellung

Antje ist Mitte 40 und gelernte Buchhändlerin. „Ich habe zwei Kinder im Grundschulalter und wollte nach einer Pause wieder zurück in den Beruf.“ Über eine Stellenanzeige sei sie in der Frauenbibliothek gelandet; die Arbeitszeiten ließen sich gut mit der Kinderbetreuung vereinbaren. „Mein Mann und ich hätten gerne beide unsere Arbeitszeit reduziert – da er aber mehr verdient als ich, war das nicht möglich.“ Ein Beispiel dafür, dass es in Sachen Gleichstellung noch viel zu tun gebe.

„Frauen müssen in unserer Gesellschaft immer 150 Prozent perfekt sein. Wenn sie etwas falsch machen, heißt es: typisch Frau“, meint Antje. Männer hätten es viel leichter. Daher bräuchten Frauen auch heute noch Rückzugsräume, wo sie sich von der patriarchalen Gesellschaft erholen könnten – wie etwa die Frauenbibliothek, die außerhalb der Öffnungszeiten für reine Frauenrunden genutzt würde.

Eine passive Exilmöglichkeit sei die Bibliothek jedoch auch nicht, findet Jennifer „Dafür wird sie viel zu aktiv gestaltet.“ Nachholbedarf in der Gleichberechtigung gebe es aber dennoch weiterhin. „Als Pharmazeutin sehe ich etwa, wie Medikamente an jungen Männern getestet, und dann alten Frauen verschrieben werden.“ Mögliche Unterschiede in der Wirkung interessierten nicht. „Eine Gesellschaft mit gleichen Rechten für Frauen und Männer stelle ich mir anders vor.“

Die Jüngste der Gruppe gibt sich am wenigsten kämpferisch. Teresa meint: „Ich studiere zwar mit Physik ein typisches Männerfach, aber das Geschlechterverhältnis ist ausgeglichen.“ Sie habe nicht das Gefühl, sich als Frau besonders beweisen zu müssen, fühlt sich gleichberechtigt.

"Frauentag ist weiterhin zeitgemäß"

Die Frauenbibliothek und ihre Betreiberinnen vertreten den Feminismus in den unterschiedlichen Ausprägungen. Sie alle finden das Thema an sich wichtig, und halten auch den 8. März als Internationalen Frauentag für weiterhin zeitgemäß. Während aber Antje etwa über die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern auch in Deutschland schimpft, sieht Teresa das Problem der Gleichstellung eher international. „In anderen Ländern ist der Nachholbedarf noch viel größer. Uns geht es dagegen gut.“

Hinter den dreien im Regal stehen mehrere Ausgaben der Zeitschrift Emma, reichlich abgegriffen und verknickt. „Die sind alt, wir haben die Emma abbestellt“, sagt Jennifer. Warum, weiß sie aber auch nicht genau. „Ich finde, sie gehört hierher“, meint Teresa. „Und wo ist eigentlich die Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien?“ Antje setzt sie auf die Liste mit den Anschaffungen für das nächste Semester. Die wird wieder abonniert.

FAKTEN

- Die Frauenbibliothek der TU Braunschweig, Zimmerstraße 24d, ist mittwochs von 10 bis 12 Uhr und donnerstags von 18 bis 20 Uhr geöffnet.

- Im April gibt es eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek der TU zum Thema Frauen und Literatur.