„1, 2, 3. Tonprobe. Hallo Braunschweig! Hat jemand einen Edding? Wir brauchen einen Edding“, das ist die erste Lautsprecher-Durchsage der Neonazis an diesem Tag. 12.37 Uhr ist es da schon. Offiziell läuft die Veranstaltung bereits seit über einer halben Stunde.

Die Rechtsextremen haben Verspätung. Grüppchenweise treffen sie mit dem Zug am Braunschweiger Hauptbahnhof ein, werden von der Polizei über das Gleis 0 direkt zum Versammlungsort eskortiert – einem Mitarbeiterparkplatz der Deutschen Bahn hinter den Bus- und Staßenbahnhaltestellen. Dort halten schon seit dem frühen Morgen keine Busse und Bahnen. Der Zugverkehr hingegen läuft nahezu störungsfrei.

Der Versammlungsort ist rundum mit Absperrgittern umstellt, auf der Platzmitte reihen sich acht Dixi-Klos aneinander. Rundum steht Polizei, die Einsatzkräfte tragen dick gepolsterte, schwarze Uniform, Gummiknüppel und Schusswaffe. Es ist heiß in der Sonne. Einige stehen schon seit 6 Uhr in der Früh dort.

Die Polizei hatte befürchtet, dass linke Gegendemonstranten den Versammlungsort blockieren könnten. Während sich der Platz langsam füllt, tönt Ska- und HipHop-Musik von den Gegenveranstaltungen herüber. Mehrere Tausend Menschen hatten sich dort zu Kundgebungen versammelt.

Aus der Ferne beobachtet Marcel Jügel das Geschehen. Der Direktor des Hotels Mercure, das dem Bahnhof direkt gegenüberliegt, sagt: „Ich habe den Eindruck, dass von der Polizei alles hervorragend oranisiert ist.“ Alle Gäste habe er persönlich informiert, da die Absperrungen ihre An- und Abreise hätte erschweren können. Ein Großmeister-Schachturnier findet an diesem Wochenende im Mercure statt mit 64 Teilnehmern aus acht Nationen. Die Gäste seien nicht beunruhigt, so Jügel.

Drüben am Versammlungsort haben sich sich die Neonazis jetzt im Halbkreis aufgestellt. „Macht den Bogen größer, wir haben noch Platz“, fordert jemand per Megaphon. Das ist wahr: Der Parkplatz ist zu großen Teilen leer. Eine NPD-Fahne hängt schlaff herab, es weht kaum ein Lüftchen. Das Plakat, das die Demonstranten an einem LKW aufhängen wollten, war nach mehreren Fehlversuchen wieder zusammengerollt worden. Versammlungsleiterin Ricarda Riefling liest die Auflagen vor, die die Stadt für die Demo erstellt hat: keine Springerstiefel, keine verbotenen Symbole, keine Hunde…

Rund 150 weitere Demonstranten kommen per Zug aus Dortmund an, fast eine Stunde nach dem offiziellen Versammlungsbeginn. „Wir haben einen etwas härteren Kampf in Braunschweig gehabt als in Hildesheim und anderen Städten“, verkündet Riefling und berichtet vom Versammlungsverbot der Stadtverwaltung, den Entscheidungen der Gerichte. Es folgen Parolen, nationalistische Plattitüden.

Auf dem Bahnhofsvorplatz ist dort kaum etwas zu hören. Der Aufzug der Gegendemonstranten ist inzwischen Richtung Innenstadt gezogen, wo das bunte Kulturenfest „Braunschweig International“ gefeiert wird. Unbeschwert, friedlich und fröhlich – denn von der Demonstration der Neonazis bekommt hier zum Glück niemand etwas mit.

Pünktlich um 15 Uhr wird die Versammlung am Hauptbahnhof beendet. Viele Demonstranten ziehen weiter nach Peine. Von allen übrigen erfasst die Polizei die Personalien.