Der von Real Madrid zu Eintracht Braunschweig gewechselte Fußball-Star löste seinen Vertrag schnell wieder auf

1978 Zeitzeugen: Paul Breitner hat 1978 bei Eintracht Braunschweig gespielt. Nach nur einer Saison verließ er den damaligen Fußball-Bundesliga-Klub. Heute ist er Berater der Bayern.


Marc Rotermund erzählt die Geschichte des Fußball-Stars Paul Breitner, der die große Bühne verließ und dafür in Braunschweig nicht belohnt wurde.

Der sensationelle Transfer

Real Madrid unternimmt alles, um Paul Breitner zu halten, bietet mehr Geld und einen langfristigen Vertrag. Drei Jahre des Weltmeisters von 1974 beim spanischen Renommierklub sollen nicht genug sein. Doch der Spieler möchte unbedingt weg. "Ich wollte mehr tun als nur zu trainieren und zu spielen. Ich wollte unter anderem wieder studieren", sagt Breitner.

In der Fußballszene spricht sich im Winter 1977 schnell rum, dass der Nationalspieler einen neuen Verein sucht. Klubs aus der ganzen Welt melden sich – direkt bei Breitner, was heutzutage unvorstellbar ist. Einen Spielerberater aber hatten in dieser Zeit nur die beiden Bayern-Stars Franz Beckenbauer und Gerd Müller.

Aus den USA signalisiert das schwerreiche Cosmos New York Interesse, aus Frankreich unterbreiten die Topklubs Olympique Marseille und Paris St. Germain Angebote. Doch Breitners Frau Hilde möchte nicht ins Ausland. ",Unsere Mädels werden eingeschult. Lass’ und zurück nach Deutschland’, hat sie gesagt", weiß Breitner noch heute genau. Doch der Kreis der Interessenten aus der Bundesliga ist begrenzt.

"Es gab nicht viele, die sich die Ablöse leisten konnten", beschreibt der Dauerrenner die Voraussetzungen für eine Rückkehr in die Heimat.

Darüber hinaus scheidet Bayern München aus, weil Breitner (noch) zu stolz ist, zu dem Klub zu wechseln, von dem er drei Jahre zuvor nach Spanien gegangen war.

Zunächst bleibt nur der Hamburger SV. Er spielt Europapokal, kann den Transfer finanziell stemmen. Mit Manager Dr. Peter Krohn ist sich der 25-jährige Breitner schnell einig.

Doch dann kommt überraschend der Anruf aus Hamburg. Der HSV brauche noch zwei, drei Wochen, um den Transfer rund zu kriegen, teilt Krohn dem erstaunten Breitner mit.

Diesen nervt die Ungewissheit, einem befreundeten Journalisten erzählt er davon. Und dieser ruft sofort Günter Mast an, den Hauptsponsor der Eintracht. Mast hat den Fans schon lange versprochen, er werde auf dem Transfermarkt "richtig zuschlagen". Mit Breitner sieht er seine Chance gekommen.

Nach nur zwei Telefonaten ist alles klar. "Wir machen das, kein Problem! Warum sollte ich nicht nach Braunschweig gehen?", sagt Breitner zu Mast und vermittelt anschließend ein Treffen mit Reals Präsidium. Eintrachts Sponsor trifft am 12. April im Beisein von Präsident Balduin Fricke in der Geschäftsstelle des Bernabeau-Stadions ein. Die Verhandlungspartner einigen sich auf die Wechselmodalitäten.

Es gibt noch keine Ablösefreiheit bei Vertragsablauf. Der Braunschweiger Bundesligist muss deshalb etwa 1,6 Millionen Mark an die "Königlichen" zahlen. Breitner zieht um aus dem Madrider Prominentenviertel Parque des Conde Orgaz nach Braunschweig in ein neues Haus am Wilhelmitorwall. Die Presse überschlägt sich mit Meldungen über den Sensations-Transfer. Braunschweig ist in aller Munde.

Der schlechte Start

Die Fans sind durch Breitners Kommen wie elektrisiert. Nach der Vizemeisterschaft träumen sie vom zweiten Titel nach 1967. Eintracht verkauft 5500 Dauerkarten, das erste Training mit dem Weltstar sehen fast 4000 Zuschauer.

Doch schon während des ersten Trainings stellt Breitner fest, dass ihn nicht alle gern bei Eintracht sehen. "Ein Großteil der Mannschaft hat nicht kapiert, welche Möglichkeiten mit mir vorhanden sind. Ein Großteil war eifersüchtig und neidisch und hat eine Haltung gegen mich aufgebaut. Ein gemeinsames Handeln und Spielen ist nicht möglich", stellt Breitner frustriert fest.

Er teilt Mast seine negativen Eindrücke mit. Es gibt Gespräche auf Druck des Hauptsponsors im Beisein von Trainer Branko Zebec und anderen Leistungsträgern wie Wolfgang Frank, Danilo Popivoda, Bernd Franke und Hasse Borg. "Doch ein Großteil der Mannschaft konnten wir nicht vom Gegenteil überzeugen", sagt Breitner. Vom Gegenteil der vorherrschenden Meinung, Eintracht habe einen egozentrischen Star verpflichtet, der nur auf sein eigenes Wohl aus sei. "Es gab keinen Skandal, Hollywood fand in Braunschweig nicht statt. Es war ruhig", beteuert der Weltstar. Seine Vermutung: "Auch das hat einige in der Mannschaft gestört."

Die frustrierende Saison

Der Riss, der durch die Mannschaft geht, ist zu stark. Der Vizemeister der Vorsaison blamiert sich sogar zweimal. Breitner bezeichnet die 0:6-Niederlagen in Köln und gegen Mönchengladbach als "logische Folge" des Verhaltens der Mannschaft.

Einige Spieler schneiden den Star, spielen ihn nicht an. Andere sind nicht bereit, auch nur einen Meter mehr zu laufen, wenn ein Ball des Ex-Nationalspielers nicht genau in den Fuß kommt. Daran ändern auch disziplinarische Maßnahmen der Vereinsspitze nichts. Sie verkauft zum Beispiel Wolfgang Frank an Borussia Dortmund und versetzt Wolfgang Grzyb in die zweite Mannschaft.

Dass es im Uefa-Pokal besser läuft, ist für Breitner ein schwacher Trost. Eintracht setzt sich in der ersten Runde gegen den Titelmitfavoriten Dynamo Kiew durch. Nach dem 1:1 vor 95 000 Zuschauern in Kiew reicht Eintracht im Rückspiel ein 0:0. In der zweiten Runde ist auch der norwegische Erstligist Kristiansand beim 0:1 und 4:0 kein Hindernis. Erst in der dritten Runde kommt das Aus gegen den späteren Uefa-Pokal-Sieger PSV Eindhoven durch eine 0:2- und eine 1:2-Niederlage. "Auch in diesem Wettbewerb wäre mehr möglich gewesen", urteilt Breitner. "Die Mannschaft wäre außerdem stark genug gewesen, in der Bundesliga aus dem zweiten Platz der Vorsaison den ersten zu machen. Sie wollte es leider nicht."

Das schnelle Ende

Breitner stören die Querelen in der Mannschaft immer mehr, er fühlt sich nicht mehr wohl bei Eintracht und in Braunschweig. Zumal die Stadtrundfahrten auf einmal vor seinem Haus am Wilhelmitorwall in der Innenstadt enden. "Meine Familie hat sich wie auf dem Präsentierteller gefühlt", klagt der heute 57-Jährige.

Nach seiner misslungenen Integration bittet er Sponsor Günter Mast um vorzeitige Auflösung seines Dreijahresvertrags und kehrt im Sommer 1978 doch noch zu den Bayern zurück. Eintracht erhält mit 1,6 Millionen Mark genau die Ablöse, die es ein Jahr zuvor an Real Madrid überwiesen hat.

Das durchwachsene Fazit

"Ich habe sehr schlechte Erinnerungen an die Zeit in Braunschweig, aber auch sehr gute", resümiert Breitner, heute Berater und Scout der Münchner Bayern. Geblieben sind vor allem die Freundschaften zu den früheren Eintracht-Spielern Dietmar Erler und Dieter Zembski, die er häufig trifft. "Auch zu Günter Mast habe ich noch Kontakt. Und dessen frühere Chefsekretärin Ingrid Bastian ist für unsere gesamte Familie zu einer ganz wichtigen Person geworden", sagt Breitner.