Der einstige Arbeiter-Führer in Untersuchungshaft – Die Zelle ist nur zwei mal drei Meter groß

Als die Sonne untergeht, erscheinen die vergitterten Fenster hinter den mit dichtem Stacheldraht bekrönten Gefängnismauern noch weiter entfernt als sonst. Hier verbringt Klaus Volkert die erste Nacht als Untersuchungshäftling.

Es ist ein karges Leben für den früheren Gesamtbetriebsrats-Vorsitzenden, der zu den Mächtigen bei Volkswagen gehörte.

Bis auf weiteres logiert er in einer zwei mal drei Meter großen Gefängniszelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rennelberg in Braunschweig. Seine Nachbarn sind schwere Jungs, das kann man so sagen. "Da ist wirklich alles vertreten, was das Strafgesetzbuch hergibt", sagt ein Insider.

Man soll nicht übertreiben – aber Klaus Volkert wird von der Justiz jetzt hart angefasst. "In der Öffentlichkeit gibt es häufig falsche Vorstellungen, was Untersuchungshaft wirklich bedeutet", sagt JVA-Sprecherin Ines Leitner unserer Zeitung. Es ist ein scharfer Eingriff in das Freiheitsrecht.

Der Untersuchungshäftling ist bis auf geringfügige Ausnahmen normalen Strafgefangenen gleichgestellt. Er hat eine Frei-Stunde für Bewegung am Tag – natürlich nur hinter den Gefängnismauern. Auf Antrag darf er am Nachmittag auch mal Sport treiben – Fußball oder Street-Basketball.

Klaus Volkert musste sein Handy abgeben. Telefonieren dürfte er nur mit einer Genehmigung des Haftrichters. Die Gespräche werden dann überwacht.

Privaten Besuch darf der U-Häftling nur ganz selten empfangen: alle 14 Tage für eine halbe Stunde. Wer kommen will, braucht eine richterliche Erlaubnis.

Der Mann hatte gestern nur dabei, was er trug, als sie ihn in Fallersleben abgeholt haben. Was fehlt, muss er fortan beantragen.

Er darf Zeitung lesen

Heute müssen sie in der JVA wieder früh aufstehen, so wie jeden Morgen – aus Sicherheitsgründen wird die genaue Zeit nicht bekannt gegeben. Was dann täglich folgt, hört sich makaber an: die "Lebend-Kontrolle". Zelle für Zelle wird geprüft, ob die Insassen noch leben.

Es ist ein Sturz, ein bitterer, tiefer Fall – selbst wenn für Klaus Volkert immer noch die Unschuldsvermutung gilt. Doch der Staat macht unmissverständlich klar: Wir können auch anders. Verdunkelungsgefahr rechtfertigt in unserem Rechts-System den massiven Eingriff in das Freiheitsrecht.

Wie lange bleibt er drin? Man kann es nicht wissen. Volkerts Anwalt Peter-Michael Diestel hat jetzt die Möglichkeiten der Haft-Beschwerde und der Haft-Prüfung. Blicken wir auf die Statistik: Im Durchschnitt müssen die U-Häftlinge immerhin zwei bis drei Monate im Rennelberg bleiben.

Im günstigsten Fall ist Klaus Volkert in zwei Wochen wieder draußen. Im schlimmsten Fall bleibt er bis zum möglichen Prozess in U-Haft. Auf eine mögliche Verurteilung kann die Zeit der U-Haft jedoch angerechnet werden.

Immerhin kann Volkert in dieser Zeit die Presse lesen – drei Exemplare unserer Zeitung hat die JVA täglich abonniert. Der Ex-Betriebsrats-Boss muss aber möglicherweise warten, bis sie von den Mitgefangenen ausgelesen sind. Auch Radio und Fernsehen stehen ihm zu – Bekannte dürfen ihm bei einem der Besuche ein Gerät bringen.

Um sich die Zeit zu vertreiben, kann sich der Untersuchungsgefangene demnächst "umschließen" lassen. Der so genannte "Freizeit-Umschluss" dient dazu, Kontakte mit anderen Gefangenen zu pflegen, fernzusehen oder Schach zu spielen.

Doch so weit ist es noch nicht. Man prüft zuvor, was neuen Häftlingen bekommt und was nicht. Man sieht auch eine Pflicht, sie zu schützen.

Welch ein Kontrast. Auch hier muss man sachlich bleiben, doch mit Braunschweig verbanden sich für Klaus Volkert ja bislang angenehmere Erinnerungen.

Im Werk Braunschweig gab es für ihn wie an den anderen VW-Standorten früher meistens triumphale Empfänge. Das Essen war gewiss nicht schlecht. Auch im Rennelberg ist Volkert jetzt jedoch bestens versorgt. "Wir haben eine Fürsorge-Pflicht – wie eine Pflege-Einrichtung oder ein Krankenhaus. Da ist für eine gesunde Ernährung gesorgt – Vitamine, Fett, Kohlenhydrate, was man eben lebensnotwendig braucht", sagt Ines Leitner.

Nicht weit entfernt – in der TU Braunschweig – haben sie dem Arbeiter-Führer für innovative Verdienste um die Arbeitsbeziehungen einst die Ehrendoktor-Würde verliehen. Im Rennelberg kann er die Anstalts-Bibliothek nutzen. Gefängnis-Seelsorger beider Konfessionen stehen zudem rund um die Uhr als Gesprächspartner zur Verfügung – ebenso wie Sozialarbeiter, Psychologen, die Justizvollzugsbeamten – und natürlich auch die Anstaltsleitung.

Unwillkürlich kommt Beobachtern bei solcher Nachrichtenlage auch die Sache mit der noblen Wohnung im Braunschweiger Bahnhofsviertel in den Sinn. Sie war auf VW-Kosten angemietet und aufwändig hergerichtet worden. Man sorgte dafür, dass der Champagner stets gut gekühlt war. Auf bizarren Kurier-Wegen sollen Damen aus Hannover herbeigeschafft worden sein.

Der Vergleich verbietet sich von selbst – die Pritsche im Zellentrakt ist mit Pferdedecken belegt. Der Aufdruck "Braunschweig" ist sicherheitshalber in den Filz geprägt, damit das gute Stück im Beschaffungs-Strom nicht nach Celle oder Hildesheim wandert. Auch der Rest in dem weißgetünchten Raum macht einen soliden Eindruck: Pritsche, Stuhl, Regal, Schrank, Nasszelle.

"Nein, Privilegien gibt es nicht. Darüber machen sich die Leute draußen manchmal wirklich falsche Vorstellungen", sagt Ines Leitner. Sie hätten schon einige Personen der Zeitgeschichte dagehabt. "Jeder hier wird gleich und respektvoll behandelt."

Darauf hat Klaus Volkert ein Recht.