Laichplätze der Fische und der Lebensraum ihrer Beutetiere verschwinden unter Sediment

Weil die Flüsse verseucht waren, erließ die Stadt 1952 ein Badeverbot für Oker, Schunter und ihre Zuflüsse. Nach Berichten unserer Zeitung drängten sich darauf fast 500 000 Besucher innerhalb weniger Tage in den viel zu wenigen städtischen Freibädern. Bis in die 80er Jahre blieb die Oker einer der schmutzigsten Flüsse der Republik. Heute ist das Wasser sauber, aber Versandung stört das Ökosystem Fluss.

Schon seit Jahrhunderten hatte der Bergbau im Harz den Fluss verdreckt, mit der Industrialisierung kamen zusätzliche Belastungen. Zum Beispiel aus der Landwirtschaft oder den zahlreichen Zuckerfabriken. Zeitweise herrschte Typhusgefahr "Da war es vorbei mit der Baderei", erzählt Hans-Jürgen Sauer.

"Und sobald es heiß wurde, gab es jedes Mal Fischsterben." Die Fische liegen dem 71-Jährigen besonders am Herzen. Er ist Vorsitzender der Aller-Oker-Lachs-Gemeinschaft. Der Verein bemüht sich um die Wiederansiedlung des Edelfisches.

Der Sand, der bei Regen von Äckern und Baustellen in den Fluss gespült wird, habe verheerende Folgen für Fische, erklärt Sauer. Fische, die wie Barbe oder Döbel ihren Laich zwischen den Kieseln ablegten, könnten sich nicht fortpflanzen, wenn überall Sand den Grund bedecke. "Wir verlieren ganze Jahrgänge", klagt Sauer.

Aber auch die Eier der Arten, die ihren Laich an Wasserpflanzen ablegen, schädigt der Sand. "Wenn er sich mit der Strömung heranwälzt, wirkt er wie Schmirgelpapier und löst die Eier ab", sagt Sauer.

"Die Versandung der Flüsse ist ein großes Problem", bestätigt Claudia Wolff, beim niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zuständig für die Gewässerbeurteilung. Denn der Sand erstickt wirbellose Tiere, sogenannte Makrozoobenthos. Dazu gehören kleine Krebse, Insektenlarven, Muscheln und Würmer, die den Fischen als Nahrung dienen.

Schuld an der Versandung sei vor allem die Landwirtschaft, meint Sauer. "In den vergangenen Jahren wurden durch die erhöhte Nachfrage nach Energiepflanzen viele Wiesen zu Äckern gemacht", sagt Wolff. Das begünstige die Erosion.

Der NLWKN empfiehlt, entlang von Fließgewässern einen fünf bis zehn Meter breiten Vegetationsstreifen zu lassen und nach Möglichkeit quer statt längs zum Wasserlauf zu pflügen. Auch die Renaturierung der Flüsse hilft. Denn in den Windungen des ursprünglichen Flussbetts setzt sich Sand nicht überall, sondern nur an einigen Stellen mit schwacher Strömung ab.

"Die Sandeinträge sind ein Problem aller Fließgewässer der norddeutschen Tiefebene", sagt Rainer Keunecke, Pressesprecher der Stadt Braunschweig. Im Stadtgebiet sei davon besonders die Schunter betroffen. Indem Nebengewässer der Schunter wie Sandbach, Hagenriede, Rohrbruchgraben und Beberbach in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden seien und durch das Anlegen von Randstreifen sei der Sand, der in der Masse bei Starkregen von Ackerflächen abgeschwemmt wird, schon reduziert worden, erklärt Keunecke.

Bei der Renaturierung der Schunter selbst wurden in Hondelage und Dibbesdorf zwei Sandfänge angelegt, in denen sich Sedimente absetzen können. Auch künstliche Kiesbänke wurden laut Keunecke angelegt. Sie bremsen die Strömungsgeschwindigkeit und verhindern so, dass sich der Fluss weiter eingräbt, was wiederum zu weiterer Sandausspülung führen würde.

"Wir haben das Problem erkannt", sagt auch Volker Meier, Geschäftsführer der niedersächsischen Landvolkes Braunschweiger Land. "Der Boden ist unser wichtigstes Gut, und wir wollen, dass er auf dem Acker bleibt." Die Landwirte seien bemüht, die Empfehlungen des NLWKN zu beherzigen, wo es das Gelände zulasse.

So seien etwa an der Altenau zwischen Schöppenstedt und Wolfenbüttel Gewässerrandstreifen angelegt und Ausgleichsflächen für den Ausbau der A2 entlang von Gewässern platziert worden. "Das war eine vorbildliche Aktion", lobt Sauer. "Das Wasser der Altenau ist jetzt auch bei starkem Regen klar."

Die gemeinsamen Anstrengungen um die Wasserqualität, der Rückbau von Begradigungen und das Beseitigen von Barrieren in den Flüssen, wie Wehre oder Schleusen zeigen erste Erfolge. Im vergangenen Oktober wurde in der Örtze bei Wolfhausen, sie gehört zum Fluss-System Aller-Oker, wieder ein Lachs gefangen. "Es war der erste seit 1937", sagt Sauer.