Wo Menschen arbeiten, da passieren Fehler – das gilt auch für die Arbeitsgemeinschaft (Arge), die für Hartz-IV-Zahlungen zuständig ist. Der Braunschweiger Anwalt Arne Böthling hat nun kuriose Fehler der Behörde in einem Buch zusammengestellt.

Mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland leben von Hartz IV – aber wenige leben davon so gut wie Arne Böthling. Diesen Witz hört der Anwalt öfter. Aber es stimmt ja: „Ich mache etwa 80 Prozent meines Umsatzes mit Fällen, in denen Hartz-IV-Empfänger die Arge verklagen“, sagt Böthling, der mit Kollegen eine Kanzlei in Braunschweig-Rautheim betreibt.

Hunderte von Hartz-IV-Bescheiden, Widersprüchen, Klagen – Böthling kennt den Wahnsinn, der sich täglich zwischen Bürgern und Behörden abspielt, auf seinem Schreibtisch stapeln sich die Akten. 55 Fälle hat er für sein Buch zusammengetragen, der Titel ist ein Wortspiel und lautet: „M Arge nschmerzen“.

Magenschmerzen bereitet die Arge dem Anwalt oft: manchmal, weil ihn Entscheidungen wirklich empören, manchmal, weil er über sie lachen muss. „Ich habe da schon viel Blödsinn erlebt.“ Irgendwann musste das raus, daher das Buch.

Der Spott über die Arge zieht sich durch das gesamte Werk: Mal findet die Behörde ihre eigenen Bescheide nicht mehr und bittet den Anwalt um Zusendung, mal wird das Kindergeld falsch berechnet, mal stehen Hilfsbedürftige wegen Software-Pannen wochenlang ohne Geld da. Einmal will die Arge einem Kunden komplett die Leistungen streichen – weil er einen Vormittag lang telefonisch nicht erreichbar war, um einen Hausbesuch zu vereinbaren.

Genüsslich zitiert Böthling aus fehlerhaften Bescheiden – und betont mehrmals, was das alles kostet. Gut für den Anwalt, schlecht für den Steuerzahler: „Ein Versehen, das wieder mal einige hundert Euro wert war“, steht dann da.

Böthling hat das Buch selbst drucken lassen, er verschenkt es an Klienten. „Wenn sich ein Verlag findet, kommt es in den Handel.“ Auch in der Arge Braunschweig kursiert das Werk bereits. „Die Geschäftsführung hat das Buch sehr ernst genommen“, sagt Sprecherin Tina Goldmann. Man arbeite ständig daran, besser zu werden.

Schadet sich Böthling mit dem Buch nicht selbst? Immerhin verdient er Geld mit den Fehlern der Arge, und nun trägt er mit seinem Buch womöglich dazu bei, dass dort weniger Fehler gemacht werden. Aber Böthling macht sich keine Sorgen: „Die bessern sich nicht!“ Schließlich änderten sich häufig die Gesetze und die Rechtsprechung, so dass immer wieder neue Fehler gemacht werden könnten.

Laut Bundesagentur für Arbeit sind 99,3 Prozent aller Hartz-IV-Bescheide fehlerfrei. Böthling lacht über diese Zahl. „Nach meiner persönlichen Schätzung sind höchstens 50 Prozent korrekt.“ Am fehlerträchtigsten seien Bescheide, in denen es um Rückforderungen, Sanktionen oder sogenannte Sonderbedarfe geht. Also zum Beispiel: Muss die Behörde den Umzug zahlen?

„Unsere Mitarbeiter müssen täglich einen Spagat bewältigen“, sagt Tina Goldmann von der Arge in Braunschweig. Auf der einen Seite sollen sie „lebensnah“ entscheiden, das heißt: Ist etwa ein Kinderwagen wirklich dringend nötig, sollen Bedürftige ihn auch ohne wochenlanges Hin und Her bekommen. „Auf der anderen Seite sind wir verpflichtet, wirtschaftlich mit Steuergeldern umzugehen“, sagt Goldmann. Da kann man nicht einfach ohne Prüfung jedem alles zugestehen, was er verlangt.

Und dass viele Leistungsempfänger eine unangebrachte Anspruchshaltung gegenüber der Arge haben, bestreitet nicht einmal Böthling. Im Grunde geht es ihm auch nicht um die Arge, sagt er. „Man kann den Mitarbeitern dort keinen Vorwurf machen“, sagt er, auch wenn das in seinem Buch manchmal anders klingt. „Der Fehler liegt viel weiter oben im System.“ Die Hartz-IV-Reform hätten sich Politiker ausgedacht, die viel zu weit weg seien von der Praxis. „Deshalb steckt das System voller Pannen.“