Berlin. Der Wohnungsmarkt bleibt angespannt. Während sich aktuell viele Familien bei der Wohnungssuche schwertun, warten auf Senioren Probleme.

  • Die Mietpreise werden in großen deutschen Städten immer teurer
  • Das führt dazu, dass viele ihre Wohnung nicht mehr aufgeben und lieber in ihrer größeren Wohnung weiterleben
  • Doch das hat Folgen, vor allem für ältere Menschen

Es sind mal wieder schlechte Nachrichten für Mieterinnen und Mieter, die die großen Immobilienportale in der vergangenen Woche verkündeten. Von einer „teilweise historischen Entwicklung“ sprach Gesa Crockford, Geschäftsführerin von ImmoScout24, mit Blick auf die jüngsten Mietpreissprünge. Bundesweit verteuerten sich laut des Portals Angebotsmieten im Neubau auf Jahressicht um 7,7 und im Bestand um 7,4 Prozent. Besonders teuer wurde es in den Metropolen. Eine neu angemietete Bestandswohnung in Köln kostet 12,3, in Hamburg 11,5 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Unerreichte Spitze: Wohnungen in Berliner Neubauten. Hier verlangten die Vermieter 19,9 Prozent mehr.

Die rasante Entwicklung ist die Folge eines toxischen Mixes auf dem Wohnungsmarkt. Die Nachfrage ist insbesondere in den Metropolen hoch und steigt noch weiter an. Die Bauzinsen haben sich innerhalb von etwas mehr als einem Jahr vervierfacht, hohe Materialpreise und Lieferkettenprobleme verunsicherten Bauherren. Neue Bauvorhaben liegen vielerorts auf Eis.

Wohnen: Fatales Ungleichgewicht auf dem Wohnungsmarkt

Wer nicht umziehen muss, wird es sich angesichts dieser Entwicklung zweimal überlegen, ob er wirklich die alte Wohnung samt möglicherweise günstigem Mietvertrag aufgibt. Das führt schon heute zu Problemen. Viele Seniorinnen und Senioren leben in Wohnungen, die für ihre eigenen Ansprüche eigentlich zu groß sind. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, könnten sie sich verkleinern. Finanziell ist das aber bei einem alten Mietvertrag mitunter deutlich unattraktiver.

Familien stellt das vor große Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche, wie der sogenannte „Rat der Immobilienweisen“ bereits in seiner letzten Frühjahrsprognose festgestellt hat: Der Neubau fokussiert sich stark auf kleine Single-Einheiten, größere Bestandswohnungen werden selten frei. Es gilt für Familien, Kompromisse zu schließen: beengter wohnen oder rausziehen aus der Stadt und weite Pendelwege auf sich nehmen.

Senioren könnten beim Wohnen unter Druck geraten

Doch schon in ein paar Jahren könnte sich das Bild umkehren und viele Seniorinnen und Senioren noch stärker als bisher unter Druck geraten. Denn auf die Alterung der Gesellschaft ist der deutsche Wohnungsmarkt nur unzureichend vorbereitet, warnt Matthias Günther, Leiter des Hannoveraner Pestel-Instituts. Anlässlich der am Montag in München beginnenden BAU, der weltweit größten Fachmesse für Architektur, Materialien und Systeme, hat das Pestel-Institut im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) die Entwicklung des altersgerechten Wohnens untersucht. Die noch unveröffentlichte Studie liegt in Teilen unserer Redaktion vorab vor.

Studienleiter Günther zeichnet in ihr ein alarmierendes Bild. „So, wie es heute aussieht, kann es nicht bleiben: Deutschland hat eine unvertretbar große ‚Baulücke‘ bei den altersgerechten Wohnungen“, sagt er. Eigentlich würden bereits derzeit rund 2,8 Millionen Seniorenhaushalte eine altersgerechte Wohnungen benötigen. „Aber heute gibt es nur rund 600.000 barrierearme Wohnungen, in denen Senioren leben“, sagt Günther. Diese als „graue Wohnungsnot“ bezeichnete Entwicklung dürfte sich in den kommenden Jahren noch beschleunigen. Denn bis zum Jahr 2040 würden mindestens 3,3 Millionen altersgerechte Wohnungen benötigt.

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Zu schmale Türen, enge Flure und kaum ebenerdige Duscheinstiege

Laut der Untersuchung lebt aktuell mehr als jeder zweite Haushalt mit Seniorinnen und Senioren über 65 Jahren im Wohneigentum. Das Eigenheim ist in dieser Gruppe deutlich ausgeprägter als bei den übrigen Haushalten, bei denen nur 40 Prozent ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung besitzen. Jüngste Daten des Mikrozensus aus dem vergangenen Jahr geben Aufschluss darüber, woran es in puncto altersgerechtes Wohnen hakt.

Jedes fünfte Gebäude hat beispielsweise keine ausreichend breite Haustür, um sie problemlos mit einem Rollator oder Rollstuhl zu durchqueren. Bei mehr als jedem viertem Haus sind die Flure zu eng. Noch drastischer wird es, wenn es überhaupt um den Zugang zur eigenen Wohnung geht. In gerade einmal 17 Prozent der Gebäude können die Wohnungen stufen- und schwellenlos erreicht werden.

Auch im Badezimmer warten Probleme. Gerade einmal 22,4 Prozent der Seniorenhaushalte verfügen demnach über einen ebenerdigen Duscheinstieg. Und nur rund jede vierte Wohnung, die von Menschen über 65 Jahren bewohnt wird, kommt gänzlich ohne Schwellen oder Bodenunebenheiten aus.

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Baugewerkschaft warnt vor Finanzierungsproblemen

Sollen diese Wohnungen weniger oder gar keine Barrieren mehr aufweisen, müssen sie modernisiert werden. Doch hier wartet schon das nächste Problem. Die Armutsgefährdungsquote von Senioren in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Wer zwar ein Eigenheim besitzt, aber nur eine schmale Rente bezieht, gerät mitunter schnell an die Belastungsgrenze. Auch Mieterinnen und Mieter können eine deutlich höhere Miete nach Modernisierungen mitunter schwer stemmen. „Die Entwicklung in den kommenden Jahren ist vorprogrammiert: Viel mehr ältere Menschen, von denen aber immer weniger die teuren Mieten mit ihren Renten bezahlen können“, warnt Robert Feiger, Chef der Bau-Gewerkschaft IG BAU.

„Das Thema wird von der Politik vernachlässigt“, klagt BDB-Präsidentin Katharina Metzger. Beispiel Förderung: Statt Zuschüsse würde es lediglich vergünstigte Kredite seitens der KfW geben. „Welcher 70-Jährige bindet sich denn noch einen Kredit ans Bein, der über 30 Jahre läuft?“, fragt Metzger. Dabei sei der altersgerechte Umbau auch volkswirtschaftlich geboten. „Wir würden jetzt verhältnismäßig kleines Geld in die Förderung von Seniorenwohnungen investieren und später Milliarden in den Pflege- und Krankenkassen sparen“, meint Metzger.

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Barrierearmes Wohnen ist eine Frage des Geldbeutels

Oftmals würden schon kleine Baumaßnahmen ausreichen, damit Senioren fünf bis zehn Jahre länger im eigenen Zuhause bleiben könnten. „Würde man den altersgerechten Umbau nach Einkommen und Maßnahmen gestaffelt mit Zuschusspaketen von bis zu 7500 Euro pro Wohneinheit fördern, könnte man Problemen vorbeugen, die auf die Menschen im Alter zukommen. Das Mobilsein mit dem Rollator oder Rollstuhl in den eigenen vier Wänden ist dabei ein wichtiger Punkt“, sagt Metzger.

Hinzu kommt: Schon heute ist es keineswegs so, dass nur Senioren in den wenigen vorhandenen barrierereduzierten Wohnungen leben. Diese würden mit ihren „Komfortmerkmalen“ auch von Jüngeren geschätzt, hält Matthias Günther in seiner Studie fest. Es sei „eher eine Frage der finanziellen Möglichkeiten als der Bedürftigkeit, ob der Haushalt eine barrierereduzierte Wohnung bezieht“, lautet sein ernüchterndes Fazit.

„Angesichts der rasant steigenden Zahl älterer Menschen darf die Politik das altersgerechte Bauen und Umbauen nicht länger nur als ‚baupolitisches Beiboot‘ mitschleppen“, warnte IG-BAU-Chef Feiger. Er spricht sich dafür aus, dass die Wohnungsunternehmen eine Selbstverpflichtung abgeben sollten, dass mindestens jede fünfte freiwerdende Wohnung altersgerecht umgebaut werde.