Berlin. Die Ampel hat ihre Pläne zur Cannabis-Freigabe vorgestellt. Doch ab wann gilt sie? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Die Ampel-Koalition gibt das Hanf frei – jedenfalls ein bisschen. Nachdem die ersten Entwürfe von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Legalisierung von Cannabis in Brüssel auf Ablehnung gestoßen waren, hat die Ampel-Koalition diese noch einmal überarbeitet. Am Mittwoch stellte Lauterbach gemeinsam mit Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) die neuen Eckpunkte für die Reform vor. Wer jetzt unter welchen Umständen legal an ein High kommt – die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Ab wann wird Cannabis in Deutschland jetzt legal?

Für Erwachsene und unter bestimmten Bedingungen – sehr bald. Die Ampel-Parteien haben sich auf ein Modell mit zwei Säulen geeinigt, mit dem die Droge schrittweise entkriminalisiert werden soll. Als erstes und noch in diesem Jahr soll die gesetzliche Grundlage geschaffen werden für nicht-kommerzielle Cannabis-Clubs. Bis zu 500 Menschen könnten sich demnach bald zusammenschließen in solchen Vereinen, die Cannabis dann „zu Genusszwecken“ anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Mitglied werden darf, wer über 18 ist und seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Der Gesetzentwurf dazu komme noch im April, sagte Özdemir, der Konsum werde noch in diesem Jahr legal.

In einem zweiten Schritt sollen dann Modell-Regionen dazukommen, in denen auch kommerzielle Lieferketten für Cannabis aufgebaut werden. Die Projekte sollen jeweils fünf Jahre lang laufen, räumlich begrenzt sein und wissenschaftlich begleitet werden. Viele Details zu dieser zweiten Säule – etwa die Zahl der Modellregionen und die genauen Regelungen – sind aber noch unklar. Einzelheiten hat Lauterbach für nach der parlamentarischen Sommerpause angekündigt.

Legalisierung light: Die Ampel will Cannabis zunächst über nicht-kommerzielle Clubs zugänglich machen.
Legalisierung light: Die Ampel will Cannabis zunächst über nicht-kommerzielle Clubs zugänglich machen. © dpa | Friso Gentsch

Die neuen Eckpunkte gehen damit weniger weit als das, Lauterbach noch im Herbst vorgestellt hatte – geplant war einmal der bundesweite Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften, ohne regionale Begrenzung.

Wie viel Cannabis darf ich künftig haben?

Wer Mitglied in einem der geplanten Cannabis-Clubs ist, soll nach den Eckpunkten künftig bis zu 25 Gramm Cannabis-Blüten am Tag bekommen können, maximal 50 Gramm pro Monat. Für Konsumierende unter 21 liegt die Grenze bei 30 Gramm pro Monat. Für sie soll auch der THC-Gehalt der Pflanzen begrenzt werden, etwa durch die Sortenauswahl. Welche Grenzwerte hier gelten sollen, ist noch offen. Bis zu 25 Gramm dürfen demnach bald auch in der Öffentlichkeit straffrei mitgeführt werden.

Was will die Ampel-Koalition mit der Legalisierung erreichen?

Die bisherige Cannabis-Politik in Deutschland ist laut Gesundheitsminister Lauterbach „gescheitert“. Die Anzahl der Rauschgiftdelikte seit 2011 jedes Jahr gestiegen, 2021 habe es zuletzt 361.000 Fälle gegeben, erklärte er. Und allein mit Strafrechtsverschärfungen komme man offenbar nicht weiter.

Deshalb nun ein anderer Lösungsansatz: „Das Ziel ist ganz klar, dass wir beim Cannabis-Konsum mehr Sicherheit bieten wollen“, sagte der SPD-Politiker. Man wolle Konsumierende vor Verunreinigungen und giftigen Beimengungen schützen, den Schwarzmarkt bekämpfen, die Drogenkriminalität zurückdrängen und die Jugend schützen.

Mit der teilweisen Legalisierung wolle die Koalition einer gesellschaftlichen Realität Rechnung tragen, erklärte Landwirtschafts- und Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) – „sie wegzudiskutieren schafft sie nicht aus der Welt“. Man wolle Konsumierende „schützen, aber nicht bevormunden“, sagte er und nebenbei auch: die Polizei und die Justiz entlasten.

Wer in der Vergangenheit verurteilt wurde wegen Delikten, die nach den neuen Regeln nicht mehr strafbar wären, soll die Möglichkeit bekommen, den entsprechenden Eintrag aus dem Bundeszentralregister löschen zu lassen. Justizminister Marco Buschmann (FDP) war zwar urlaubsbedingt bei der Präsentation der Pläne am Mittwoch nicht dabei, sei aber entscheidend daran beteiligt gewesen, sagte Lauterbach.

Cem Özdemir (links) und Karl Lauterbach geben das Hanf frei – jedenfalls ein bisschen.
Cem Özdemir (links) und Karl Lauterbach geben das Hanf frei – jedenfalls ein bisschen. © AFP | Tobias Schwarz

Darf ich Cannabis künftig selbst anbauen?

Für den Eigenbedarf soll auch der Anbau zuhause erlaubt werden. Wer Mitglied in einem Cannabis-Club ist, soll über diesen auch Saatgut und Stecklinge bekommen können. Maximal drei weibliche blühende Pflanzen wären demnach bald erlaubt.

Was heißt das für den Jugendschutz?

Vor allem für Heranwachsende kann der Konsum von Cannabis langfristige und schwerwiegende Folgen haben, das betontet der Gesundheitsminister am Mittwoch. So würden bei jugendlichen Konsumentinnen und Konsumenten nicht nur die Leistungen in der Schule schlechter, die Betroffenen hätten auch eine höhere Anfälligkeit für Depressionen, Psychosen und Angststörungen.

Die Abgabe an Unter-18-Jährige bleibt deshalb verboten, die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte haben und sind zur Kooperation mit der lokalen Präventions- und Beratungsstellen verpflichtet. Außerdem soll in der Nähe von Schulen und Kitas nicht konsumiert werden dürfen, in Fußgängerzonen erst nach 20 Uhr.

Auch interessant:Cannabis-Konsum - so gefährlich ist Kiffen für Körper und Geist

Lauterbach setzt zudem darauf, dass mit der Legalisierung der Schwarzmarkt schrumpft – und auch Jugendliche als Kunden für Dealer weniger interessant werden, wenn klar ist, dass diese sich ab dem 18. Geburtstag legal versorgen können.

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkard Blienert, lobte die Pläne „Meilenstein für die Drogenpolitik“. „Vor wenigen Jahren waren diese Entwicklungen nicht vorstellbar!“, sagte er dieser Redaktion. Blienert begrüßte, dass Jugendschutz und Prävention zentrale Teile der Eckpunkte seien.

Wichtig sei vor allem die verpflichtende Kooperation der Clubs und der Projekte mit der lokalen Suchtpräventions- und Suchthilfeträgern. „Das setzt aber voraus, dass die örtliche Prävention und Suchthilfe gestärkt und mit ausreichend Mitteln ausgestattet wird“, sagte er, „insbesondere braucht es Präventionsangebote an jeder Schule.“

Cannabis-Legalisierung: Ist das mit EU-Recht vereinbar?

Davon gehen zumindest Lauterbach und Özdemir aus. Die ursprünglichen Eckpunkte, die Lauterbach im Oktober vorgestellt hatte, wären EU-rechtlich wohl nicht umsetzbar gewesen, deshalb jetzt die eingeschränkte Variante. Die Ampel-Minister kündigten aber an, sich parallel zur Reform der deutschen Gesetzeslage auch auf EU-Ebene für neue Regeln einzusetzen, zusammen mit anderen, gleichgesinnten Staaten.

Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, erklärt dieser Redaktion: „Die neuen Eckpunkte des Gesundheitsministers sind nichts anderes als das Eingeständnis, dass seine alten Eckpunkte aus dem Herbst schlicht nicht umsetzbar waren.“ Trotz europarechtlicher Hürden, eindeutiger Gutachten und der schlechten Erfahrungen aus anderen Ländern wolle die Koalition jetzt eine Droge legalisieren, vor der Psychologen und Jugendmediziner seit Jahren warnen.

Sorge kritisiert Lauterbach für eine Schwerpunktsetzung, die für die Gesundheitspolitik „fatal“ sei. „Das straffreie Kiffen wird vorangetrieben, dafür wird beispielsweise die Reform der Pflegefinanzierung auf nächstes Jahr vertagt“, erklärte er. Es sei höchste Zeit für Lauterbach, sich auf „die wirklich wichtigen Themen im Gesundheitswesen“ zu fokussieren.