Wolfsburg. Raus aus dem Haus und rein ins Grüne: Wer am Fuß des Klieversbergs lebt, hat die Natur vor der Tür. Was Anwohner erzählen.

Der Klieversberg gehört zu den beliebtesten Naherholungsgebieten in Wolfsburg. Wer auf seiner Kuppe steht, dem liegen weite Teile der Wolfsburger Innenstadt zu Füßen. Bis zum alten Kraftwerk und zum VW-Hochhaus geht der Blick, und noch darüber hinaus.

Hermann Blaffert lebt mit seiner Familie seit 25 Jahren am Nordhang in der ersten Reihe. Das Haus steht an der Straße Föhrenhorst, hinter dem leicht ansteigenden, dicht mit Sträuchern bewachsenen Garten beginnt der Wald. Selbst Anfang Januar ist der Vormittag hier voller Vogelgezwitscher. Auf dem Grundstück der Blafferts schauen viele Vögel vorbei. Überwiegend Meisen, aber auch Rotkehlchen und einige andere Arten. „Besonders gerne sehe ich den Eichelhäher“, sagt Hermann Blaffert.

Wohnen am Wolfsburger Klieversberg: Hinter dem Garten beginnt der Wald

Hermann Blaffert lebt in der Straße Föhrenhorst. Am Ende des Gartens fängt der Wald an. 
Hermann Blaffert lebt in der Straße Föhrenhorst. Am Ende des Gartens fängt der Wald an.  © FMN | Stephanie Giesecke

Der 66-Jährige werkelt an diesem kalten Donnerstag im Schuppen. Den eifrigen Spaziergänger begeistert die Wohnlage aufgrund der Nähe zur Natur. „Ich muss nicht weit laufen und bin ruckzuck im Wald. Das gefällt mir sehr, die frische Luft“, schwärmt er. „Man kommt schön zur Ruhe, wenn man durch den Wald geht.“ Und der sei ja bekanntlich sehr groß.

Allerdings: Von seinem Haus könnte Hermann Blaffert bis kurz vor Almke spazieren und wäre immer noch im Wald. Das Gebiet hinter dem Garten, erklärt er, sei sogar ein europäisches Vogelschutzgebiet. „Unglaublich, aber wahr.“ Daher also das rege Gezwitscher. Herausgekommen sei der Schutzstatus, als Investoren hinter den Häusern bauen wollten.

Vogelkonzert Anfang Januar am Föhrenhorst

Tatsächlich gebaut hat schließlich nicht hinter dem Haus, sondern am westlichen Ende von Blafferts Straße der Wolfsburger Immobilienentwickler Harald Vespermann. 2014 wurden die aus vier großen Mehrfamilienhäusern mit 28 Wohnungen bestehenden „Stadtwaldterrassen“ fertiggestellt. Hoch umzäunt stehen die weißen Würfel am Waldrand. Wer hier nicht wohnt, muss gar nicht erst aufs Grundstück gehen: Die Klingelanlage befindet sich vorne am Tor.

Ähnlich exklusiv präsentieren sich die vier Mehrfamilienhäuser, die der Wolfsburger Bauunternehmer Marco Moretti und seine Partner bis 2013 zwischen dem Theodor-Heuss-Gymnasium und der Klieversbergwiese errichtet haben. Auf der anderen Seite der Martin-Luther-Straße stehen schicke Reihenhäuser aus derselben Zeit. Einer der Hausherren öffnet in brauner Weste und dazu passender Hose die Tür und erzählt bereitwillig, wie es so ist, hier zu wohnen.

Promis und Marihuana-Schwaden in der Martin-Luther-Straße

Reihenhäuser in der Martin-Luther-Straße. Hier fühlen sich, so hört man, auch Wolfsburger Promis wohl. 
Reihenhäuser in der Martin-Luther-Straße. Hier fühlen sich, so hört man, auch Wolfsburger Promis wohl.  © regios24 | Helge Landmann

„Es ist schön ruhig“, sagt er. Auch zum Spazierengehen sei die Lage schön. Und, interessant: In den Häusern leben und lebten einige Promis. Der ehemalige VfL-Innenverteidiger und Torjäger Naldo war einmal der Nachbar der Familie. Und noch heute wohnt ein ehemaliges Mitglied der VW-Betriebsratsspitze in der Stichstraße. „Die Nachbarschaft ist sehr gut.“

Weniger gut findet der Anwohner die Elterntaxis in der Martin-Luther-Straße. „Durch das Theodor-Heuss-Gymnasium kommt es häufig zu Staus, die auch mal eine halbe Stunde dauern“, schildert er. Außerdem nerven ihn Marihuana-Düfte, die regelmäßig aus einer nahen Wohnanlage herüberwehen. Aber: „Im Großen und Ganzen ist es positiv.“

Super nette Nachbarn im Brucknerring

Etwas bescheidener wohnt die Familie Fina/Caiazza. Seit sechs Monaten lebt sie in einem Siedlungshaus am Brucknerring. Als zwei Fremde an der Haustür klingeln, winkt Maria Fina sofort herein. Unter dem Weihnachtsbaum im Wohnzimmer erzählen ihre Tochter Clelia und sie zwischen einer Plätzchen anbietenden Oma auf Weihnachtsbesuch, einem im Schlafanzug herumlaufenden Freund von Clelias kleinem Bruder und einem überschwänglichen Welpen, wie es sie von Palermo nach Wolfsburg verschlagen hat: Familienvater Aniello arbeite als Polizist für die italienische Konsularagentur.

Mutter und Tochter sind von ihrem neuen Domizil restlos begeistert. In Italien hätten sie mit Hund „Schnitzel“ nicht einfach in die Natur gekonnt, sagt Clelia. „Hier ist das ganz anders. Und wir können mit dem Fahrrad fahren, was in Italien nicht ging, weil die Räder dauernd gestohlen wurden.“ Maria Fina bedauert jetzt schon, dass der Auslandseinsatz ihres Mannes nur vier Jahre dauern wird.

THG versperrt den Blick auf den Klieversberg

Ganz unprätentiös, aber sehr naturnah, wohnt es sich am Brucknerring und seinen Nachbarstraßen. Leider versperrt das THG den Blick zum Klieversberg und verschattet einige Grundstücke.
Ganz unprätentiös, aber sehr naturnah, wohnt es sich am Brucknerring und seinen Nachbarstraßen. Leider versperrt das THG den Blick zum Klieversberg und verschattet einige Grundstücke. © regios24 | Helge Landmann

Das Wichtigste für sie: „Die Nachbarschaft ist so nett.“ Eine Nachbarin bringe fast täglich Kuchen oder Blumen vorbei, andere Nachbarn kämen mit Broschüren für Museen und Konzerte, die alle gemeinsam besuchen. „Wir haben noch nie solche Nachbarn gehabt“, übersetzt Clelia.

Einer der netten Nachbarn muss Linus Granzow sein. Der 26-Jährige berichtet an der Tür des Nachbarhauses auf jeden Fall ebenfalls bereitwillig, dass er als Kind oft am Klieversberg gespielt hat. So lange er wieder bei seinen Eltern wohnt, genießt er tägliche Spaziergänge im Grünen. „Man hat die ganze Wiese und den Wald vor sich“, erklärt er. Nervig sei nur, dass das THG mit seiner großen Mensa den Blick auf den Klieversberg versperre und den Häusern das Licht nehme.