Wolfsburg. Im Baugebiet Wildzähnecke will die Stadt Wolfsburg Vorschriften durchsetzen. Eigenheimbesitzer geraten in der Ortsratssitzung in Rage.

Die Pokale reihen sich ordentlich in den Regalen. Über der Toilettentür röhrt ein Hirsch. Und eine halbe Stunde nach Beginn der Ortsratssitzung im Schützenhaus von Wendschott stehen Eigenheimbesitzer kurz davor, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.

Die Bewohner des Baugebietes Wildzähnecke haben das Pech, in dem Gebiet zu wohnen, das die Stadt Wolfsburg als Erstes für Grundstückskontrollen auserkoren hat. Danach wurden viele Eigentümer in diesem Sommer von der Kommune aufgefordert, Schottergärten oder zu hohe Grundstückseinfriedungen innerhalb von sechs Monaten zurückzubauen. Eigentlich hatte die Bauaufsicht vor allem die Gärten kontrollieren wollen. Auf die anderen Verstöße gegen den Bebauungsplan stieß sie dabei eher zufällig. Die zahlreichen hohen und entgegen den Vorgaben blickdichten Zäune entlang der Straßen in der Wildzähnecke fallen auf.

Bewohner der Wildzähnecke geraten im Ortsrat in Rage

Einige betroffene Eigenheimbesitzer sehen aber überhaupt nicht ein, die Einfriedungen abzubauen. Teils aus Prinzip. Eine Frau wollte in der Ortsratssitzung wissen, warum die Stadt Wolfsburg Vorgaben zum Zaunmaterial mache. „Ich durfte doch auch meinen Klinker und mein Dach frei wählen.“ Was ein Missverständnis sein dürfte, denn auch dazu stehen in Bebauungsplänen Vorgaben.

Ein Eigentümer eines Eckgrundstückes will unbedingt einen Sichtschutz behalten. Bei einem 80 Zentimeter hohen Zaun, sagte er, könnten die Nachbarn sehen, was er zu Mittag esse, ob er auf der Terrasse sitze oder in Unterhose im Haus herumlaufe. „Ich möchte ein bisschen Privatsphäre.“ Den Hinweis eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung, dass es auch Pflanzen für den Garten gebe, verstand er nicht.

Zu hohe Zäune, Hecken und Mauern sollen zurückgebaut werden

Eine weitere Befürchtung: Im Garten spielende Kinder könnten über niedrige Zäune klettern und auf die zu schnell befahrene Straße laufen. Der Baugebietsbewohner, der sie äußerte, erklärte, wenn die Höhe stimme, habe er nichts gegen einen transparenten Zaun. Worauf ein anderer Mann sofort widersprach: „Das kommt nicht in Frage!“

Gegen 18.35 Uhr standen die ersten Einwohner: Zwei stiernackige Männer kritisierten laut, im Kerksiek gebe es auch hohe Einfriedungen. „Dann muss das in ganz Wolfsburg so sein!“ Ein Wendschotter forderte sie auf, nicht zu schreien. „Der schreit auch!“, kam der Konter. Und schon standen Bürger Nase an Nase, Gewalt lag in der Luft. Ortsratsmitglied Sven Poppinga und andere Teilnehmer der Sitzung gingen dazwischen. Ortsbürgermeister Siegfrid Leu drohte den Streithähnen mit Rausschmiss.

Bauvorschriften kann nur Rat der Stadt Wolfsburg ändern

Die Stimmung beruhigte sich wieder. Unzufriedene Eigenheimbesitzer, die glauben, dass die Stadtverwaltung im Fall ihrer Grundstücke falsch geurteilt hat, sowie die Vertreterin einer Hausverwaltung erhielten eine E-Mail-Adresse, an die sie sich mit ihren Anliegen wenden können: baubuergerbuero@stadt.wolfsburg.de.

Mehrere Bewohner der Wildzähnecke hatten zuvor übereinstimmend dargelegt, bei Anrufen im Rathaus abgewimmelt worden zu sein. Unter anderem mit der Aussage, dass der Ortsrat einfach nur andere Regeln beschließen müsse. Der hat dazu gar nicht die Befugnis. Das müsste der Rat der Stadt Wolfsburg tun.

Von entsprechenden Anträgen riet ein leitender Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Stadtplanung und Bauberatung den Häuslebauern am Dienstag ab: Seit die Wildzähnecke bebaut wurde, sind insbesondere die Klimaauflagen strenger geworden. Sie könnten bei einer Änderung nachträglich in den Bebauungsplan aufgenommen werden, warnte er.

Bauaufsicht kontrolliert weitere Neubaugebiete

Hintergrund der städtischen Kontrollaktion in der Wildzähnecke war ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg. Das OVG hat Anfang des Jahres das Recht einer Kommune bestätigt, die Umwandlung von Schottergärten in Grünflächen durchzusetzen. Da Präventionsversuche in Wolfsburg bislang keinen durchschlagenden Erfolg zeigten, hat sich die Stadt Wolfsburg – durch das Urteil bestärkt – dazu entschieden, nun ebenfalls härter gegen Schottergärten vorzugehen. Im Wendschotter Baugebiet begannen die Kontrollen.

Inzwischen haben sich die Schottergarten-Kontrolleure weitere Neubaugebiete vorgenommen. Das Agenda-21-Forum erfuhr in seiner Juli-Sitzung von der Bauaufsicht, dass in einem dort nicht näher bezeichneten Baugebiet mit rund 200 Grundstücken 50 bis 60 Verstöße gegen den Bebauungsplan entdeckt wurden. Darunter 15 Schottergärten. Auch im Reislinger Wiesengarten schwelt Ärger um strenge Vorschriften und nicht regelkonforme Grundstückseinfriedungen und Gartengestaltungen. Dort regen sich Hausbesitzer, die sich an die Gestaltungsvorschriften gehalten haben, über diejenigen auf, die es nicht tun.