Wolfsburg. „Eigentlich ging es doch nur um ein Bier…“ - was harmlos anfing, kann für einen 34-Jährigen nun im Gefängnis enden.

„Eigentlich ging es doch nur um ein Bier…“: Wie ein harmloser Streit unter Alkoholeinfluss eskalieren und zu einer Gefängnisstrafe führen kann, zeigte ein Prozess am Wolfsburger Amtsgericht vergangenen Dienstag.

Angeklagt war ein 34-jähriger Kästorfer wegen gleich vier Vergehen: Gefährliche Körperverletzung, versuchte gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung. Laut Anklage soll der Mann am 15. Februar 2023 gegen 14 Uhr an der Esso-Tankstelle am Berliner Ring im Streit Pfefferspray gezückt haben und dies gegen einen – mehr oder weniger guten – Kumpel (60) eingesetzt haben. Außerdem wurde er beschuldigt, zwei Gäste der Esso-Tankstelle als „Junkie“ und „Scheißausländer“ beleidigt zu haben, eine Frau von einer Bank geschubst und deren Fahrrad über eine Mauer geworfen zu haben.

Angeklagter aus Kästorf kann sich an Taten nicht erinnern - zeigt aber Reue

Nur leider hat der Angeklagte keinerlei Erinnerung, was er an jenem Mittag im Februar an der Esso-Tankstelle alles verzapft haben soll: „Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie der Streit zustande gekommen ist. Ein Kumpel hatte mich von der Nachtschicht abgeholt und wir haben Frühschoppen gemacht. Ich habe leider einen kompletten Blackout. Dennoch tut es mir leid, und ich werde selbstverständlich für den entstandenen Schaden geradestehen.“

Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie der Streit zustande gekommen ist. Ein Kumpel hatte mich von der Nachtschicht abgeholt und wir haben Frühschoppen gemacht. Ich habe leider einen kompletten Blackout.
Angeklagter

Denn ein Indiz lieferte er selbst für seine Schuld: „Ich kann mich zwar an nichts erinnern. Aber ich habe an besagtem Abend entdeckt, dass mein Pfefferspray zur Hälfte leer war und vorher war es voll – also muss ich es wohl eingesetzt haben.“

Streit an einer Wolfsburger Esso-Tankstelle: Zeugenaussagen bringen Licht ins Dunkel

Erst die Zeugenaussagen brachten Licht ins Dunkel und ergaben in Summe folgenden Tathergang: An der Esso-Tankstelle war es zum Streit gekommen, weil der Angeklagte ein Bier nehmen wollte, was laut einer Geschädigten (43) ihrem Freund (32) gehörte. Als die Frau das Bier ihres Freundes verteidigte, beschimpfte der Angeklagte sie als „Junkie“ und ihren Freund als „Scheißausländer“, wie die Zeugenaussagen übereinstimmend ergaben.

Ein weiterer Trinkgeselle (60) kam hinzu, um den Streit zu schlichten und sagte vor Gericht aus: „Wir sind ja eigentlich Kumpels, wir haben sogar mal zusammen gewohnt. Aber er (der Angeklagte, Anmerkung der Redaktion) ließ sich nicht beruhigen, sondern fummelte plötzlich an seinem Rucksack herum, zückte eine Dose Pfefferspray und sprühte mir das ins Gesicht.“ Danach soll der Angeklagte auch noch das Fahrrad der Frau umgetreten haben, sodass es zerkratzt wurde und die Lampen vorne und hinten abbrachen (geschätzter Wert des Schadens: 50 Euro).

Angeklagter aus Gifhorn entschuldigt sich bei Geschädigten

Der Angeklagte war ohne Verteidiger vor Gericht erschienen und entschuldigte sich im Prozess ausdrücklich bei allen Geschädigten, bei seinem alten Kumpel hatte er sich auch schon vor dem Prozess entschuldigt.

Sowohl Staatsanwaltschaft als auch das Gericht sahen am Ende des Prozesses die Vorwürfe weitestgehend als erwiesen an. Strafverschärfend wurde berücksichtigt, dass der Angeklagte bereits neun Vorstrafen auf dem Kerbholz hat – alle jedoch bereits viele Jahre zurückliegend und nur eine davon einschlägig. Strafmildernd dagegen wurde der Umstand erachtet, dass der Angeklagte durch erheblichen Alkoholkonsum enthemmt gewesen sei und sich mehrfach entschuldigt habe. Das Gericht verurteilte den inzwischen in einem festen Arbeitsverhältnis stehenden Kästorfer zu sechseinhalb Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 500 Euro an das Hospiz Wolfsburg. Auch die Kosten des Verfahrens hat der Verurteilte nun zu tragen. swi