Wolfsburg. Was passiert mit Deutschlands Schwimmbädern? Nach Pandemie und Energiekrise schlägt jetzt der Fachkräftemangel voll durch.

Zwischen Hamburg und München, Köln und Berlin bleiben in diesem Jahr etliche Bäder zu. Oder sie versuchen, sich im Fachkräftemangel mit reduzierten Öffnungszeiten über Wasser zu halten. (Wie auch das Fallersleber Freibad derzeit wegen hohem Krankenstand).

Was Pandemie und Energiekrise nicht geschafft haben, bewirkt jetzt die Not an Schwimmmeistern und Rettungsschwimmern – mancherorts droht bundesweit das Aus fürs Bad.

Der Beruf müsse dringend und deutlich aufgewertet werden

Peter Harzheim, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schwimmmeister warnt: „Der Beruf der Schwimmmeister droht unterzugehen. Es ist jetzt dringend erforderlich, dass er aufgewertet wird und gewertschätzt – und zwar in beiderlei Beziehung: Finanziell wie ideell. Das muss gelingen, die Kommunen auf der einen Seite und die Gesellschaft auf der anderen Seite müssen das als ihre Gemeinschaftsaufgabe erkennen.“

Bundesweit, so der ehrenamtliche BDS-Chef, der selbst 45 Jahre Schwimmmeister war, würden mittlerweile mindestens 3 000 Fachkräfte in den Bädern fehlen. Viele seien in der Pandemie in andere Berufe abgewandert, zudem würde ohnehin der Nachwuchs ausbleiben so Harzheim im Gespräch mit unserer Zeitung. „Und die geburtenstarke Jahrgänge gehen jetzt in Rente.“

Was es jetzt brauche, sei eine deutliche Aufwertung des Berufes, fordert der BDS-Präsident. Da sei zum einen die finanzielle Vergütung. „Es kann nicht sein, dass die Kommunen sich weiter hinter der Eingruppierung, die der Tarif des öffentlichen Dienstes vorsieht, verschanzen. Das ist doch nach oben offen, da gibt es Gestaltungsspielräume!“

Peter Harzheim war 45 Jahre mit Leib und Seele Schwimmmeister und ist heute Präsident des Bundesverbandes.
Peter Harzheim war 45 Jahre mit Leib und Seele Schwimmmeister und ist heute Präsident des Bundesverbandes. © FUNKE Foto Services | Archiv: Bernd Thissen

Zu wenig Geld, zu wenig Respekt

Derzeit liegt das Bruttogehalt für SchwimmmeisterInnen bei 2 700 Euro, mitunter auch darunter. Harzheim: „Für diesen verantwortungsvollen Job – und die Herausforderungen sind im Laufe der Jahre nicht weniger geworden, weil es oft genug auch am Respekt der Badegäste fehlt – muss es eine angemessene Bezahlung geben.“ Es könne nicht sein, dass es für den Beruf einen Zweitverdiener benötige, um über die Runden zu kommen. Auch über die Steuerung der Arbeitszeiten, beispielsweise in Richtung Familienfreundlichkeit, ließe sich sicherlich etwas erreichen, fordert Harzheim.

Die schönen Seiten des Berufs ebenfalls herausstellen

Was den Schwimmmeister im Ruhestand aber mindestens genauso wie adäquate Entlohnung am Herzen liegt, ist: „Wir dürfen trotz allem den Beruf nicht schlecht reden. Man arbeitet mit Menschen, es gibt viele schöne Facetten. Wer einmal die Freude erlebt hat, die beim Babyschwimmen oder in anderen Schwimmkursen herrscht, weiß um die positiven Seiten. Es ist ein sehr vielseitiger Beruf. Man lernt, sich mit den technischen Anlagen auseinanderzusetzen, ebenso wie mit Marketing und Betriebswirtschaft. Es geht um den Kontakt mit den Badegästen, um Fürsorge, medizinische Grundkenntnisse, Erste Hilfe.“

Der Mangel an Fachkräften dürfe nicht dazu führen, dass Bäder, um sie offen halten zu können, schlecht qualifizierte BewerberInnen einstellen, unterstreicht Peter Harzheim dabei. Diese Gefahr habe es mancherorts schon gegeben. „Wir müssen vielmehr dahin kommen, dass es ein Beruf ist, der Respekt bei den Menschen genießt, der ordentlich bezahlt und gewürdigt wird.“

Schwimmen geht bis ins hohe Alter – vorausgesetzt, es gibt Bäder

Niemand werde, gerade in Kommunen, wo hohe Löhne gezahlt würden, sich darum reißen, für wenig Geld einen Job mit riesiger Verantwortung, wenig Respekt und wenig Geld auszuüben, sagt Harzheim und fordert: „Der Gesellschaft muss klar sein, dass Schwimmen der einzige Sport ist, den man vom Baby- bis ins hohe Alter ausüben kann. Auch mit Gelenkproblemen und vielem weiteren. Es ist Gesundheitsförderung und -erhaltung.“

Deutschlands Bäder seien jetzt in der Dauerkrise. Dies sei offenbar in der Politik – sei es kommunal, landes- oder bundespolitisch – noch nicht angekommen, kritisiert der BDS-Präsident. Viel zu lange habe man dem Problem schon zugesehen. „6 000 Bäder, Hallen- und Freibäder zusammengenommen, haben wir im Land noch. Wenn jedes Bad einen Auszubildenden einstellen würde, könnte das schon einmal helfen.“

Wolfsburg sucht ebenfalls händeringend Bäderkräfte

Allerdings mangelt es auch da auch schon an Bewerbern und Bewerberinnen. Eben wegen der für viele nicht attraktiv erscheinenden beruflichen Perspektiven. In Wolfsburg werden ebenfalls Auszubildende, Rettungsschwimmer gesucht. Die Stelle der Badleitung im VW-Bad wird vom Fallersleber Leiter mit bewältigt. Stellenausschreibungen haben bislang zu keinem nennenswerten Erfolg geführt.

Lesen Sie auch: