Wolfsburg. Eine Aufsehen erregende Aktion, Staus und Polizeieinsatz gab es am Mittwoch an der Wolfsburger Theaterbrücke. Es ging um die Verkehrswende.

Die Brücke über der Braunschweiger Straße, die wegen Sanierungsdruck aktuell gesperrt ist, hatten sich die Aktivisten der Verkehrswende am Mittwoch für eine Protestmaßnahme ausgesucht. Eine Aktivistin seilte sich ab und wies über den Autofahrern schwebend darauf hin, dass „Autos überholt“ seien.

Eigentlich wollte sich eine Rollstuhlfahrerin auch noch mit abseilen. Das wurde aber von der Wolfsburger Polizei verhindert. Ebenso wurde ein junger Mann gestoppt, der dasselbe vorhatte.

Respektables Polizeiaufgebot bei Protestaktion in Wolfsburg

Gegen 10.30 Uhr gab es Mittwochvormittag ein respektables Polizeiaufgebot, teils auch zu Pferde, an der Kreuzung Röntgenstraße/Braunschweiger Straße. Zwei Aktivistinnen, eine davon im Rollstuhl, waren im Begriff, sich von der Theaterbrücke abzuseilen. Die Polizei verhinderte, dass die Frau im Rollstuhl dies tun konnte, der zweiten Frau gelang es, sich übers Geländer abzuseilen. Geplant war, dass die beiden eine Weile über der Braunschweiger Straße schweben, ein Transparent mit den Worten „Barrierefreier ÖPNV statt Autobau“ zwischen sich. Auch ein dritter Aktivist wollte Teil des Protestes werden.

Barrierefreiheit und selbstbestimmte Forderung

Ihre Forderung: Verkehrswende nicht ohne Barrierefreiheit. Aktivistin Cecile von der Initiative „Rollfender Widerstand“, der Name kommt von rollen und laufen, kritisierte gegenüber unserer Zeitung: „Für das Auto entworfene Städte sind voller Barrieren. Selbstbestimmte Fortbewegung, beispielsweise im Rollstuhl, ist häufig unmöglich. Menschen mit Behinderung wollen genauso mobil sein, wie Menschen ohne Behinderung. Eine Verkehrswende darf nicht ohne Barrierefreiheit gedacht werden.“

Verkehrswende-Aktivisten fordern den Bau von Straßenbahnen von VW

In Wolfsburg sei gut sichtbar, dass die Architektur nur für Autos gebaut worden sei. Cecile: „Wir möchten grundsätzlich weg von einer Auto fixierten Politik hin zu einem ÖPNV. Der kostenlos und barrierearm ist.“

Klimaaktivistin Cecile von „Rollender Widerstand“ diskutiert mit Polizisten.
Klimaaktivistin Cecile von „Rollender Widerstand“ diskutiert mit Polizisten. © regios24 | Darius Simka/regios24

Die Theaterbrücke habe man sich ausgesucht, schildert Cecile, „weil hier auf der Braunschweiger Straße eine Straßenbahn fahren könnte“. Eine der Forderungen der Verkehrswende-Aktivisten ist, dass VW Straßenbahnen statt Autos bauen möge. Eine Straßenbahn lasse Menschen mit Einschränkungen eher am Leben teilhaben, sagen die Aktivisten. Straßenbahnhaltestellen würden ebenerdig liegen, seien schneller und bequemer zu erreichen als S- und U-Bahnhöfe.

Fernsehsender Arte begleitet Protest in Wolfsburg

Ein Team des Fernsehsenders Arte war bei der Aktion an der Theaterbrücke vor Ort. Es begleitet den Protest von Rollstuhlfahrerin Cecile über etliche Wochen und filmte ebenfalls die Aktion in Wolfsburg. Einem Protestler gelang es, der Aktivistin, die über der Straße hing, ein Banner hochzuwerfen. Charlie, so ihr Name, entrollte es dann kopfüber. Aufschrift: „Autos sind überholt“.

Autofahrer reagieren auf Protestaktion mit Stinkefinger, zornigem Hupen und Kopfschütteln

Ein weiterer Protestler hatte sich mit einem Plakat, das die Aufschrift „Mobilitätswende – nicht ohne uns“ am Straßenrand postiert. Er war Teil des Protestes „Rollender Widerstand“. Kopfschütteln, das Zeigen des Mittelfingers, zorniges Hupen, Schimpfwörter, die aus den Fahrzeugen gerufen wurden, zählten zu den Reaktionen, die es von Auto- und Lkw-Fahrern gab.

Vorbei kommende Passanten konnten der Aktion ebenso wenig abgewinnen. Ein Passant warf den Protestlern vor, beim kürzlichen Klimacamp am Theater nicht einmal vernünftige Toiletten gehabt zu haben. Ein Mann mit Hund fragte: „Was soll der Blödsinn?“ Nach gut zwei Stunden gab Aktivistin Charlie, die sich selbst in der Höhe mit Gesang motiviert hatte, ihren Posten auf. Laut Polizei hatten sich in der Zwischenzeit auch aus der Landeshauptstadt Hannover Kräfte in Bewegung gesetzt, die auf Höhenrettung spezialisiert sind. Sie konnten dann umkehren.

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Die Polizei, die die linke Fahrspur stadteinwärts abgesperrt hatte, nahm die drei Aktivisten mit auf die Wache. Der Vorwurf, mit dem sie sich konfrontiert sehen, lautet Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Laut Polizeisprecher Thomas Figge könnte womöglich noch der vom gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr hinzu kommen.

Die Aktivisten hätten zunächst einen Platzverweis bekommen, so die Einsatzkräfte. Weil sie dem nicht nachgekommen seien, wären sie während der Protestaktion – wie die junge Rollstuhlfahrerin – beziehungsweise hinterher zur Feststellung ihrer Personalien in die Dienststelle Heßlinger Straße gebracht worden.

Standing with the earth. Unter dem Motto lief eine weitere Aktion der Klimaaktivisten an der Wache Ost.
Standing with the earth. Unter dem Motto lief eine weitere Aktion der Klimaaktivisten an der Wache Ost. © regios24 | Darius Simka/regios24

Alle drei wurden im Laufe des Mittwochnachmittags wieder auf freien Fuß gesetzt. Trotz der Teilsperrung sei es zu keinen Verkehrsbehinderungen gekommen, teilte die Polizei mit. Die Ermittlungen in der Sache würden andauern, hieß es.

Ebenfalls am Mittwoch fand an der VW-Wache Ost eine Protestaktion statt. Motto: „Standing with the earth“. Die Polizei sprach in einer ersten Bilanz am Mittwochnachmittag von einem friedlichen Ablauf.