Barnstorf. Tilmann Schwartzkopff fährt mit seinem Hofladen auf Rädern durch Wolfsburg. Angesichts gestiegener Preise kämpft er um den Erhalt des Hofladenmobils.

Morgens um 4.45 Uhr klingelt Tilmann Schwartzkopffs Wecker. Wenn der 50-Jährige sich aus den Federn gekämpft hat, führt ihn sein Weg – quasi „wie im Schlaf“ – direkt in seinen gelben Eierwagen. Eine Stunde lang dauert es, bis der Landwirt diesen mit frischen Eiern vom Geflügelhof Bültermann, Brötchen, Brot und Kuchen der Bäckerei und Konditorei Cadera, saisonalem Obst und Gemüse sowie Kartoffeln aus dem gemeinsamen Anbau mit dem Landwirt Ulrich Lange aus Zicherie bestückt hat. Dann widmet er sich noch eine Dreiviertelstunde der Büroarbeit, frühstückt, trinkt eine Tasse Tee und rollt spätestens um 7.30 Uhr vom Hof, dem Gut Büstedt in Büstedt.

Einer der letzten rollenden Verkaufswagen in Wolfsburg

Von Dienstag bis Freitag fährt der Unternehmer mit dem Hofladenmobil „Frisches vom Lande“ durch Wolfsburg und Umgebung. Immer mittwochs legt er einen Stopp in Barnstorf ein. Allerdings ist Tilmann Schwartzkopff damit einer der letzten verbliebenen Verkaufswagen in der VW-Stadt.

Schon im April 2021 ist Fischhändler Uwe Lindemann in den Ruhestand gegangen. 21 Jahre lang tourte der Velpker durch den Kreis Helmstedt sowie die Stadt Wolfsburg. Er verkaufte von seinem Fisch-Rosenau-Mobil herunter frischen sowie geräucherten Fisch und Salate. Auch in Barnstorf war seine Klingel donnerstags zu hören.

Ebenfalls den mobilen Verkauf aufgegeben hat die Heide-Bäckerei Meyer aus Wahrenholz. „Die Tour durch Barnstorf wurde im Februar 2022 eingestellt. Die Verkaufsfahrerin hatte gekündigt. Eine Nachfolgerin konnte nicht gefunden werden. Im Wolfsburger Stadtgebiet sind wir deshalb leider nicht mehr unterwegs“, bedauert ein Sprecher der Bäckerei auf WN-Anfrage und ergänzt: „Von uns ist nur noch ein Verkaufswagen im Landkreis Gifhorn unterwegs.“

Die Eier, die Tilmann Schwartzkopff hier an Kundin Maria Schatz aus Barnstorf verkauft, stammen vom Geflügelhof Bültermann: In dem Tante-Emma-Laden auf Rädern gibt es weiße und braune aus Bodenhaltung, jeweils in den Größen L und XL.
Die Eier, die Tilmann Schwartzkopff hier an Kundin Maria Schatz aus Barnstorf verkauft, stammen vom Geflügelhof Bültermann: In dem Tante-Emma-Laden auf Rädern gibt es weiße und braune aus Bodenhaltung, jeweils in den Größen L und XL. © regios24 | Lars Landmann

Wichtig ist dem Landwirt vor allem die Regionalität

Im Angesicht von gestiegenen Kosten für Sprit, Versicherungen, Lohn und für die Produkte, die er dazukauft, will Tilmann Schwartzkopff aber so lange durchhalten, wie es ihm möglich ist. „Ich verringere lieber meine eigene Marge, als dass ich auch noch versuche, die Einkaufspreise meiner Lieferanten zu drücken, die müssen ja auch wirtschaften und davon leben können“, sagt der Büstedter, der seit Beginn des Ukraine-Krieges und der damit einhergehenden Inflation schon ein verändertes Kaufverhalten feststellt: „Teurere Waren, wie Geflügelfleisch oder die hochwertige Salami, bleiben jetzt öfter liegen.“ Wichtig ist ihm vor allem die Regionalität: „Ich beziehe keine anonyme Ware von irgendwoher, keine Industrieware, sondern ken-ne die Produkte und deren Erzeuger persönlich.“

„Die Kunden stehen bei mir als Menschen im Mittelpunkt“

Und Tilmann Schwartzkopff hat wirklich Spaß an seinem Job, für jeden Kunden hat er ein Lächeln parat und einen flotten Spruch auf den Lippen. „Die Kunden stehen bei mir als Menschen im Mittelpunkt, ich merke mir, wenn sie mir erzählen, dass der Opa im Krankenhaus ist oder die Tochter gerade Abitur macht. Und nächste Woche frage ich dann nach, wie geht’s, wie steht’s“, erzählt der Bauer, der den elterlichen Hof in vierter Generation bewirtschaftet, auf 75 Hektar Ackerfläche Zuckerrüben, Mais, Gerste, Roggen, Dinkel, Weizen. Öl-Leinen, Raps und Sonnenblumen anbaut.

Mit der eigenen Kornmühle auf dem Hof mahlt es sich gleich doppelt gut: Den selbst produzierten Weizen, Roggen und Dinkel verarbeiten die Schwartzkopffs zu Vollkornmehl, das wird in Ein-Kilogramm-Tüten abgepackt.
Mit der eigenen Kornmühle auf dem Hof mahlt es sich gleich doppelt gut: Den selbst produzierten Weizen, Roggen und Dinkel verarbeiten die Schwartzkopffs zu Vollkornmehl, das wird in Ein-Kilogramm-Tüten abgepackt. © Lars Landmann/Regios24

Getreidemühle samt Backschule

Seit Oktober 2021 betreiben die Schwartzkopffs eine Getreidemühle samt Backschule, die in einem historischen Gebäude auf dem Gut untergebracht ist, und die von der Abwärme der benachbarten Biogasanlage, die Schwartzkopff mitbetreibt, und mit einer modernen Hackschnitzelheizung versorgt wird. Hier werden das vitale Weizen-, das feine Dinkel- und das kräftige Roggenvollkornmehl äußerst schonend verarbeitet – ohne jegliche Zusätze, wie Ascorbinsäure oder Konservierungsstoffe – und in Ein-Kilogramm-Tüten abgefüllt und ebenfalls im Wagen offeriert. Im Sommer soll die Öl-Mühle an den Start gehen.

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Alleine mit dem Tante-Emma-Laden auf Rädern ist er mindestens 40 Stunden in der Woche beschäftigt. Denn – obwohl er seit einem guten halben Jahr die Fahrzeit reduziert hat – ist er meistens erst gegen 15.30 Uhr wieder zu Hause, muss dann den Wagen aufräumen, wischen, mit haltbarer Ware wie hausmacher Dosenwurst der Fleischerei Budnik aus Tülau, Suppe und Marmelade in Gläsern wieder bestücken, Kasse und wieder Büroarbeit machen. Außerdem kümmert sich Tilmann Schwartzkopff – mit Hilfe der Familie und Angestellten – um den landwirtschaftlichen Betrieb, die Verkaufsautomaten und die gemeinschaftliche Biogasanlage.

Feierabend? Frühestens gegen 22 Uhr. „Ich lebe dieses Leben mit ganzer Leidenschaft, ohne diesen regen Kontakt mit meinen tollen Kunden würde mir wirklich etwas fehlen“, gesteht Tilmann Schwartzkopff.

Gut Büstedt, 38458 Velpke, Telefon (05364) 1581; www.gut-buestedt.de