Wolfsburg. Marvin Böhm aus dem „Aqua“ ist gebürtiger Wolfsburger. Die Liebe zum Kochen entdeckte er in der Schule – und er verrät, was ihn richtig nervt.

Einmal, da wollte Marvin Böhm eine Variation von Labskaus auf die Karte des Gourmet- Restaurants „Aqua“ im Hotel „The Ritz-Carlton“ setzen. Stundenlang experimentierte der gelernte Koch mit gekochten mehligen Kartoffeln, Salzgurken, sehr fein geschnittenen Zwiebeln, roten Beten und gepökeltem Rindfleisch. Kurz bevor der 34-Jährige anrichten wollte, ließ sein Chef, Sven Elverfeld, ganz beiläufig die Bemerkung fallen, dass er ein Gericht so gar nicht möge: Labskaus. Schnell ließ Marvin Böhm seine Kreation im hintersten Regal verschwinden.

Es kommt selten vor, dass dem Sous-Chef des „Aqua“, das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist, mal etwas nicht gelingt. Denn Marvin Böhm spielt seit Jahren in der Bundesliga der deutschen Köche mit. Gerade erst holte er sich den Titel „Koch des Jahres 2022“. Insgesamt hat der gebürtige Wolfsburger, der in Ehra-Lessien aufgewachsen ist, schon an 20 Meisterschaften teilgenommen; war 2012 Sieger des Linie-Aquavit-Wettbewerbs, hat 2013 den trendigsten Kochwettbewerb Europas, „Junge Wilde“, gewonnen und ist 2014 beim Bocuse d’Or, das sind die Weltmeisterschaften im Kochen, die seit 1987 alle zwei Jahre in Lyon ausgetragen werden, bis ins Finale gekommen.

Der am 19. September 1988 Geborene besuchte bis zur zehnten Klasse die Haupt- und Realschule in Rühen. „In der Schule hatten wir auch das Fach Hauswirtschaft. Da habe ich zum ersten Mal gekocht und gemerkt, dass mir das sehr viel Spaß macht“, blickt der Preisträger zurück. Zusammen mit seinem Freund Benjamin wird im zarten Teenageralter die heimische Küche zum Experimentierfeld: „Mama hat eingekauft und wir haben daraus Gerichte gekocht. Unser Bananen-Soufflé war der Renner.“

Kochlehre als logische Folge für Böhm

Handwerkliches Geschick beweist er auch in der Scheune des elterlichen Hofes: Dort steht ein Golf III, den Marvin Böhm von Grund auf saniert, lackiert, die Karosserie tiefer legt und mit Oma Gertrud, einer gelernten Schneiderin, die Sitze neu bezieht. Die Kochlehre in der Brackstedter Mühle von 2005 bis 2008 nur eine logische Folge.

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Zu seinem 18. Geburtstag bekommt Marvin Böhm dann das erste Kochbuch von Sven Elverfeld geschenkt – sogar mit persönlicher Widmung. Marvin Böhm: „Da schaue ich heute noch rein. Die Bilder faszinieren mich immer noch, regen immer noch meine Fantasie an.“ Weil ihm schon immer klar gewesen sei, dass er

Marvin Böhm kocht im „Aqua“ im „Ritz-Carlton“.
Marvin Böhm kocht im „Aqua“ im „Ritz-Carlton“. © regios24 | LARS LANDMANN

in die Sterne-Gastronomie gehöre, begibt er sich zwei Jahre lang, von 2008 bis 2010, in die „Kaderschmiede“ der Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach. Seit 2010 ist er im „Aqua“, war nur ein Jahr von 2014 bis 2015 freigestellt, um seinen Küchenmeister an der Hotelfachschule Heidelberg zu absolvieren. Seine Arbeitstage in dem Dreisterne-Haus an der Parkstraße liegen von Mittwoch bis Samstag, beginnen um 13 und enden gegen 22/23 Uhr.

Der Koch designt eigene Formen im 3D-Drucker

Warum er seinen Beruf so liebt? „Ich kann hier machen, was ich möchte. Ich kann mich kreativ ausleben und frei entfalten“, gesteht der stellvertretende Küchenchef. Dabei ist Marvin Böhm Perfektionist und Kreativer in einem: „Ich möchte meine Kreationen nicht nur geschmacklich zur Perfektion bringen, sondern den Teller auch als Kunstwerk anrichten und ihm dabei meine ganz eigene Handschrift verleihen.“ So wagte er schon in seiner Jugend das Experiment, Lachs in einer ausrangierten Keksdose zu räuchern, inspiriert von Jamie Oliver, designt heute eigene Formen, die er im 3D-Drucker herstellen lässt, pökelt Kalbsherzen zehn Tage lang in Salzlake ein, um es dann sous-vide, also „unter Vakuum“, zu garen und überlegt derzeit, wie er den Rotkohl zum Wild zubereiten soll – ganz klassisch geschmort mit Äpfeln oder als Salat.

Böhm engagiert sich auch ehrenamtlich

Was ihn rasend macht, ist Zeitverschwendung: „Wenn die Soße vier Stunden kochen muss, muss ich sie am Anfang des Arbeitstages ansetzten, nicht am Ende. Zeit muss bei mir immer produktiv genutzt werden. Sonst werde ich wahnsinnig.“ Doch das ist Marvin Böhm selten. Im Gegenteil. Er spricht ruhig und mit viel Bedacht. „Wirklichen Stress habe ich eigentlich nie. Sonst würde ich ja auch etwas falsch machen.“

In seiner Freizeit engagiert sich der Jung-Starkoch ehrenamtlich, indem er seit Jahren regionale Jungmeister betreut und diese auf die Landes- oder sogar deutschen Meisterschaften vorbereitet: „Ich gebe mein Wissen gerne weiter und habe große Freude daran, zu erleben, wie sich junge Talente weiterentwickeln.“