Wolfsburg. Der angehende Polizist aus Wolfsburg muss 7200 Euro Geldstrafe zahlen. Vor seinem Einspruch waren es 4800 Euro. Doch das ist nicht alles.

Am Abend des 8. Juni 2021 hatte ein 23-jähriger Wolfsburger seinen 660 PS starken Chevrolet Camaro auf dem Parkplatz an den Allerwiesen mit Vollgas und Burnouts umstehenden Tuning-Fans präsentieren wollen (wir berichteten). Doch die Fahrt endete an einem Zaun und einem Baum, verletzt wurde jedoch glücklicherweise niemand. Der Schaden in Summe: 7323 Euro für Baum und Zaun zuzüglich des geschrotteten Autos. Pikant an dem Fauxpas: Der Fahrer ist Polizeibeamter auf Probe.

Zur Strafe wurde dem Polizisten im Dezember vergangenen Jahres ein Strafbefehl über 4800 Euro Geldstrafe und eine neunmonatige Führerscheinsperre wegen illegalem Straßenrennens zugestellt. Statt den Strafbefehl zu zahlen und die weiteren dienstrechtlichen Disziplinarmaßnahmen abzuwarten, legte der Fahrzeugführer Einspruch gegen den Strafbefehl ein, der nun am Donnerstag vor dem Amtsgericht öffentlich verhandelt wurde.

Der Gesamtschaden nach dem illegalen Rennen wird auf 60.000 Euro geschätzt

Im Prozess mussten fünf Zeugen sowie ein Sachverständiger gehört werden, auch in den sozialen Medien kursierende Videos der Unfall-Fahrt wurden gesichtet. Alle Zeugen sagten vor Gericht übereinstimmend aus, dass der Camaro mit auffällig lautem Sound auf dem Parkplatz der VW-Arena mit durchdrehenden Reifen und viel Qualm beschleunigt habe, bevor nach nur rund 150 Metern Fahrt das Heck ausbrach und er an dem besagten Baum und Zaun landete. Der Fahrer konnte unverletzt aussteigen, der Schaden an dem Wagen war jedoch erheblich: Auf rund 60.000 Euro wurde der Gesamtschaden beziffert.

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Besonders erschreckend die Aussage zweier Zeuginnen: „Wir standen genau auf der anderen Seite – wäre der Wagen nicht nach rechts, sondern nach links ausgebrochen, hätte er uns getroffen.“ Direkt nach dem Unfall hatte der Fahrzeugführer der Polizei laut Protokoll etwas von einem technischen Defekt erzählt, dass der Wagen von selbst Gas gegeben habe und deshalb auch bereits mehrmals in der Werkstatt gewesen sei.

Ein Sachverständiger konnte keine Fehler am Wagen feststellen

Deswegen wurde ein Kfz-Sachverständiger mit der Untersuchung des Fahrzeugs beauftragt und kam zu dem Ergebnis, dass nach Auslesung aller Fehlerspeicher keinerlei Fehlfunktion aufgetreten sei. Stattdessen hätten die Daten jedoch belegt, dass das Gaspedal bis zwei Sekunden vor der Kollision zu 99 Prozent

Der Angeklagte (links) mit seinem Verteidiger.
Der Angeklagte (links) mit seinem Verteidiger. © swi

durchgetreten war und die Bremse erst 1,5 Sekunden vor der Kollision erstmalig betätigt wurde. Durch das Vollgas und den daraus resultierenden Burnout (Durchdrehen der Reifen) seien die hinterlegten Geschwindigkeitsdaten nicht valide, denn sie hätten teilweise bis zu 224 km/h angezeigt und seien dann schlagartig auf 50 km/h gesunken.

Tatsächlich konnte keiner der Zeugen eine konkrete Schätzung der Geschwindigkeit abgeben – und auf diesem Argument basierte die Verteidigungsstrategie des Rechtsanwalts: Er argumentierte, seinem Mandanten sei es mehr um Show und um Posing gegangen, nicht jedoch um die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten. Somit sei seiner Meinung nach nicht der Tatbestand eines illegalen (Solo-)Straßenrennens erfüllt.

Der Richter erhöhte die ursprüngliche Strafe gegen den angehenden Polizisten

Der Vorsitzende Richter dagegen entschied, dass der Tatbestand einer nicht angepassten Geschwindigkeit erfüllt sei und wurde bei der Urteilsbegründung deutlich: „Entscheidend ist mithin die sichere Beherrschung des Fahrzeugs. Sie wollten hier auf ,dicken Max’ machen, aber haben Ihr 660 PS starkes Fahrzeug nicht beherrscht. Das war verkehrswidrig und rücksichtslos. Da kann man nur von Glück sagen, dass weder Sie noch die Umstehenden verletzt worden sind.“

Der Richter verurteilte den Polizisten auf Probe zu 90 Tagessätzen à 80 Euro Geldstrafe sowie zu einer neunmonatigen Sperre des Führerscheins. Der Verurteilte musste die Fahrerlaubnis noch im Gerichtssaal abgeben. Der Rechtsanwalt kündigte umgehende Beschwerde hiergegen sowie eine Revision gegen das Urteil an. Mit 90 Tagessätzen blieb der Richter bewusst knapp unterhalb der Strafgrenze, ab derer Vorstrafen eingetragen werden und kommentierte: „Was Ihnen disziplinarrechtlich daraus nun noch für Folgen bevorstehen, vermag ich nicht zu beurteilen, das ist auch nicht meine Aufgabe.“