Wolfsburg. Beim Auswärtsspiel im März 2019 in München lieferten sich Anhänger des VfL Wolfsburg und Bayern München eine Straßenschlacht.

In einer Nebenstraße beim Münchener Hauptbahnhof rumste es am 9. März 2019 mächtig. Ein Trupp von 50 Wolfsburger Hooligans nahm Kampfstellung ein, als 50 Münchener Rowdys auf sie zumarschierten. 30 Sekunden lang setzte es gegenseitig heftige Tritte und Schläge, eine Szenerie wie eine antike Schlacht, dann ergriffen beide Lager die Flucht. Diese Auseinandersetzung mitten in der bayerischen Landeshauptstadt schrieb Schlagzeilen und erzürnte die Münchener Justiz. Sie ermittelt bis heute gegen die Teilnehmer.

Hooligans weichen meist aus auf „Feld, Wald und Wiese“

Früher flogen in den Stadien regelmäßig auf der Tribüne die Fäuste. Für die Schlägertouristen ist dies aber zu heikel geworden, da sich in den Arenen nicht nur die Überwachungstechnik immer mehr verbessert hat, sondern auch die Sicherheit in und um die Stadien professionalisiert wurde. Hooligans weichen aus an Örtlichkeiten fernab der Öffentlichkeit, auf „Feld, Wald und Wiese“, wie es in der Szene heißt. Umso überraschter war damals wohl auch die Münchener Polizei, als sich die Münchener und Wolfsburger mitten in der Innenstadt prügelten, während unbeteiligte Passanten dabei standen.

Die 50 Münchener und 50 Wolfsburger Schläger lieferten sich mitten auf der Straße eine Schlacht. Videos der Augenzeugen halfen der Polizei später weiter bei der Identifizierung der Täter.
Die 50 Münchener und 50 Wolfsburger Schläger lieferten sich mitten auf der Straße eine Schlacht. Videos der Augenzeugen halfen der Polizei später weiter bei der Identifizierung der Täter. © Screenshot: Rasehorn

Pfiffig war dies nicht von den Kraftmeiern. Denn einige der Augenzeugen zückten ihre Mobiltelefone, nahmen die Gewaltorgie auf und stellten diese der Polizei zur Verfügung. Szenekundige Beamte aus Wolfsburg halfen ihren Münchener Kollegen bei der Auswertung. 22 Hooligans waren am Tattag noch vor Ort verhaftet worden. Mit Fotos von Verdächtigen ging die Polizei Mitte 2019 in die Öffentlichkeitsfahndung. Insgesamt 53 Personen wurden identifiziert. Dabei kam heraus, dass sich aus Wolfsburg eine illustre Reisegesellschaft aus Jungspunden und Alt-Hools – der jüngste war 23, der älteste 40 – auf den Weg nach München gemacht hatte.

Unsere Redaktion wollte den Stand der Ermittlungen wissen: Eine letzte Öffentlichkeitsfahndung nach einem bislang unbekannten Teilnehmer der Auseinandersetzung läuft noch, antwortete die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I, Juliane Grotz. „Es wurde gegen 33 Teilnehmer der Auseinandersetzung der Erlass eines Strafbefehls beantragt beziehungsweise Anklage erhoben.“ Unter diesen Beschuldigten sind 19 Bayern- sowie 14 Wolfsburg-Anhänger.

Verurteilungen und Stadionverbote

Es liegen bereits zahlreiche rechtskräftige Entscheidungen vor. „Verurteilungen erfolgten wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung, teilweise tateinheitlich begangen“, so Grotz. Sieben Beschuldigte wurden zu Freiheitsstrafen zwischen 8 Monaten und 22 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen wurde in allen Fällen zur Bewährung ausgesetzt. 13 Beschuldigte wurden zu Geldstrafen zwischen 90 und 120 Tagessätzen verurteilt. Sieben Beschuldigte wurden nach dem Jugendrecht belangt.

Ein Verdächtiger kommt davon – denn er hat eineiigen Zwillingsbruder

„Es wurden Stadionverbote von einem oder zwei Jahren ausgesprochen, Freizeitarreste verhängt beziehungsweise den Beschuldigten die Ableistung gemeinnütziger Arbeit oder die Teilnahme an einem Vortrag zu den Folgen von Gewalteinwirkung aufgegeben“, berichtet Grotz.

Gegen einen Beschuldigten wurde das Verfahren gegen die Verhängung einer Geldauflage und eines Stadionverbotes eingestellt. Ein Tatverdächtiger hatte womöglich Glück, er wurde freigesprochen, weil der Tatnachweis gegen ihn nicht zu führen war. Der kuriose Grund: „Da er einen eineiigen Zwillingsbruder hat, konnte nicht festgestellt werden, wer der Täter war“, so Grotz.

Ein Wolfsburger Tatverdächtiger muss sich vor Gericht verantworten

Vier Verfahren sind aktuell noch am Gericht anhängig. Es betrifft zwei Münchener und einen Wolfsburger. Dieser war erstinstanzlich vom Amtsgericht München zu zehn Monaten Haft mit Bewährung verurteilt worden. Grotz: „Das Amtsgericht hat in erster Instanz davon abgesehen, neben der Freiheitsstrafe auch ein Stadionverbot gegen den Angeklagten zu verhängen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und ihre Berufung auf die Rechtsfolgen beschränkt, die Verteidigung hat ebenfalls Berufung eingelegt. In einem Verfahren wurde ein Angeklagter aus München in erster Instanz freigesprochen, in zweiter Instanz wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. „Derzeit entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht über die Revision“, erklärt Grotz.