Braunschweig. Antworten von Ferit Kücükay von der TU Braunschweig – „Erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf“

Professor Ferit Kücükay ist Direktor des Instituts für Fahrzeugtechnik der TU Braunschweig und Vorstand des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik (NFF). Heute Abend ist er im Haus der Wissenschaft in Braunschweig zu Gast beim Wissenschaftsmagazin „Logo“ (siehe Service). Die Fragen stellte Henning Noske.

Was ist Ihre wichtigste Botschaft zum Thema der Sendung „Elektromobilität: Reise in eine grüne Zukunft oder ins Abseits?“

Gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich kann es im Zusammenhang mit der Mobilität nur eine grüne Zukunft geben. Wie lange diese Reise dauern wird, ist hingegen noch ungewiss.

Bis 2020 soll Deutschland mit 1 Million Elektrofahrzeugen eine führende Position in der Elektromobilität haben. Aber ist das Ziel wirklich bis dahin zu erreichen?

Ich halte das Ziel für enorm wichtig für die deutsche Automobilindustrie, da im Rahmen der Nationalen Plattform Elektromobilität Kräfte aus der Wirtschaft und Politik gebündelt eingesetzt werden, um Wege und Lösungen in Richtung grüner Mobilität zu finden.

Diese Lösungen helfen uns langfristig, auch wenn in 2020 das Ziel vielleicht nicht ganz erreicht werden sollte. Ich denke, dass dieses Ziel allein durch die technischen Fortschritte nicht zu erreichen ist, sondern hier der Staat etwa in Form von Umweltprämien Kaufanreize schaffen muss – ähnlich wie in USA oder Japan.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Probleme, die noch gelöst werden müssen? Wo ist die Herausforderung der Forschung?

E-Fahrzeuge müssen sich an gleichen kundenrelevanten Kriterien eines Fahrzeugs messen, wie die Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben auch. Die großen Probleme eines E-Fahrzeugs resultieren aus der Batterie und der Lade-Infrastruktur. Die Batterien haben eine geringe Energiedichte, sind schwer und teuer.

Deshalb kostet ein E-Fahrzeug mit 150 km Reichweite heute um ca. 10 000€ Euro mehr als ein adäquates konventionelles Fahrzeug. Die relativ niedrige Energiedichte führt außerdem dazu, dass die Reichweiten von E-Fahrzeugen gering sind.

Neben der Verbesserung der Batterien bezüglich Kosten, Energiedichte, Gewicht, Recycling, Lebensdauer und Sicherheit besteht erheblicher Forschungsbedarf in der Fahrzeugtechnik. Hier lautet die Devise: leichter, reibungsärmer und energieeffizienter.

Fahrzeuge müssen leichter, reibungsärmer, windschlüpfiger und insgesamt effizienter werden. Und zwar nicht nur beim Fahren, sondern auch hinsichtlich der Komfort- und Sicherheitsfunktionen.

Stichworte im Zusammenhang mit der Forschung sind: Verbesserung der Wirkungsgrade von Aggregaten, Entwicklung von rollwiderstandsarmen Reifen, Verbesserung der aerodynamischen Fahrzeugeigenschaften, Optimierung des Thermo- und Energiemanagements und der Antriebs- und Fahrwerk-Optimierung. Dies sind nur wenige Beispiele.

Man sollte außerdem wissen, dass E-Mobilität ökologisch nur Sinn macht, wenn der Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird. Also gibt es auch erheblichen Forschungs- und Entwicklungsbedarf in der Energiewirtschaft.

Wie wird sich die Mobilität insgesamt verändern?

Die individuelle Mobilität wird weiterhin einen hohen Stellenwert besitzen. Allerdings wird mit zunehmender Verstädterung eine Umorientierung der Stadtbewohner in Bezug auf die Verkehrsmittel stattfinden. In entwickelten Ländern mit hoher Fahrzeugdichte wird das Auto den Statussymbol-Charakter allmählich verlieren – wobei dieser Prozess noch einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Öffentliche Verkehrsmittel sowie „Car-Sharing“ nehmen an Bedeutung zu.

52 Prozent der Bundesbürger sind überzeugt: Elektrofahrzeuge werden konventionelle Autos ablösen. Eine neue Studie zeigt aber auch: Wer E-Mobilität begrüßt, kauft sich noch lange kein Elektroauto. Was kann/muss/sollte man also tun?

Der Kunde kauft dann ein Auto, wenn es seine Erwartungen erfüllt. Die reinen Batterie-elektrischen Fahrzeuge erfüllen die Reichweiten-Anforderungen der meisten Kunden nicht, auch wenn die Statistiken zeigen, dass sehr viele Kunden täglich nur Kurzstrecken absolvieren. Die Kunden haben Angst vor dem Liegenbleiben.

E-Fahrzeuge mit sogenannten Range-Extendern (Reichweiten-Verlängerer in Form einer Kombination von Verbrennungskraftmaschine und Generator als Stromerzeuger) sowie die sogenannten Plugin-Hybridfahrzeuge (Fahrzeuge mit Verbrennungskraftmaschine und E-Maschine mit Batterie, die an der Steckdose aufgeladen werden kann), lassen diese Angst nicht aufkommen und werden als Wegbereiter der E-Mobilität dienen.

Diese Antriebstechnologien müssen allerdings bezahlbar sein.